Die den Hass säen! Von Evelyn Hecht-Galinski

https://www.dailysabah.com/deutsch/meinung/2018/04/06/die-den-hass-saeen

Die den Hass säen!

Von Evelyn Hecht-Galinski

In Deutschland gibt es mittlerweile etwa 4,5 Millionen Muslime, daher ist die ganze Diskussion über den Islam in Deutschland völlig unnötig. Gehen wir einmal davon aus, dass etwa jeder zwanzigste Bürger in Deutschland Muslim ist – was ich für eine sehr wichtige kulturelle Bereicherung halte – dann sollten wir alle gemeinsam feststellen: Die Muslime sind in Deutschland angekommen und gehören zu uns und das ist auch gut so!

Fragen wir uns doch einmal, warum so viele Muslime und türkisch-deutsche Bürger in einer „Parallelgesellschaft“ leben. Warum leben sich die deutsche Mehrheitsgesellschaft und die türkischstämmigen Bürger immer mehr auseinander? Das ist ein sehr trauriger Zustand, der unbedingt analysiert werden sollte.

Schon seit vielen Jahrzehnten holte die deutsche Industrie Gastarbeiter in die Bundesrepublik. Kamen diese in den Anfängen aus dem bitterarmen Süditalien, so waren es danach vor allem Menschen aus dem türkischen Anatolien, die der dortigen Armut und Arbeitslosigkeit entflohen.

Mir scheint es allerdings, dass die Anfänge mehr als intolerant waren. Damals sprach man arrogant von „Spaghetti“, wenn man die italienischen Gastarbeiter meinte und den türkischen begegnete man so, wie man eben „Fremdarbeiter“ in Deutschland behandelte. Es war noch genau die Mentalität der Nazizeit, des „Herrenmenschen“, der was besseres war. Sollten die Arbeiter doch froh sein, dass sie hier Arbeit und Unterkunft fanden. Dabei waren es genau diese Industriearbeiter, die durch ihren Fleiß zum Wirtschaftswunder und dem Wohlstand in Deutschland maßgeblich beigetragen haben.

Mit der Zeit zogen auch die Familien nach, was besonders wichtig ist, denn nur, wenn man Familien zusammenleben lässt, kann man sich wohlfühlen und integrieren.

Die Integration und das „Wohlfühlklima“ sind wichtige Faktoren für das gemeinsame Zusammenleben. Nur Menschen, die sich angenommen fühlen, sind angekommen.

Was würden wir machen ohne die vielen nicht-deutschen Restaurants, die Läden, die uns die Toleranz lehrten, die wir heute in einer Multikulti-Gesellschaft genießen? Es ist eine Bereicherung für uns alle, wenn sich das „Morgenland“ mit dem „Abendland“ trifft und man voneinander inspiriert wird.

Interessant sind Untersuchungen, die aufzeigen, dass sich gerade die Muslime zu Deutschland sehr stark verbunden fühlen, sich in deutschen Vereinen engagieren und aktiv im Berufsleben sind – schließlich ist die Arbeitslosigkeit unter Muslimen sogar mit etwa 5% geringer, als unter nicht-muslimischen Migranten, wo sie im Durchschnitt 7% beträgt.

Wie kommt es also, dass sich gerade die dritte Generation, in Deutschland geboren, wieder „türkischer“ fühlt, als ihre Eltern und Großeltern? Dass sie sich in Deutschland zu Hause, aber den Deutschen nicht nah fühlen?

Sie fühlen sich zum Teil ausgegrenzt und versuchen das mit ihrer türkischen Identität zu kompensieren. Das ist mehr als bedauerlich, aber wiederum mehr als begreiflich, da gibt es viel zu tun. Erleben doch gerade die jungen Menschen den geballten Hass, der momentan auf den Islam und die Muslime als Sündenböcke hereinbricht.

Erschreckend sind auch die zahlreichen Drohungen gegen Muslime und die Brandanschläge. Allein zwischen 2001 und 2016 gab es mehr als 416 Anschläge – Tendenz ansteigend. 2017 verzeichnete man schon etwa 60 Angriffe auf Moscheen und insgesamt 950 gegen Muslime gerichtete Angriffe – wer kennt die Dunkelziffer?

Wir brauchen endlich einen Rassismusbeauftragten und keinen Antisemitismusbeauftragten. Während der Islam bei den Deutschen immer mehr als Bedrohung wahrgenommen wird – was kein Wunder ist, angesichts der Darstellung von Muslimen und dem Islam in Medien – sind es aber gerade die Muslime, die sehr häufig Opfer von Gewalttaten werden.

Der unsägliche Thilo Sarrazin war einer der ersten in Deutschland, der den Islam-Hass und die Vorurteile mit seinem Buch „Deutschland schafft sich ab“ förderte. Es fanden sich unzählige Nachahmer, die ich mir und Ihnen erspare aufzuzählen. Ein wichtiges Sammelbecken finden sie jetzt besonders in der rechtsextremen AfD sowie der rechtsradikalen Pegida-„Bewegung“. Sie alle haben dazu beigetragen, das Klima immer mehr zu vergiften.

Warum wird täglich in den Medien gerade die Türkei unter „Sultan“ Erdoğan als Feind dämonisiert, gefolgt von „Zar“ Putin, während Netanjahu unter besonderem Schutz steht? Auch Saudi-Arabien und Ägypten werden mit „Samthandschuhen behandelt. Wieder ist es die „Springer-Presse“, die sich besonders hervortut, in Hetze und Aufwieglung! Das erleben wir besonders an Wochenenden, wenn sich diese Medien in Nibelungentreue mit den Politikern vereinen.

Wenn jetzt auch noch CSU-Minister der „neuen/alten“ Bundesregierung versuchen, den Islam auszugrenzen und für eigene Wahlzwecke zu instrumentalisieren, dann wird es ganz gefährlich.

Ganz besonders möchte ich den Grünen Volker Beck nennen, der nicht nur an vorderster Front der Israel-Lobby kämpft, sondern auch ganz dreist seinem „Türken und DITIB-Hass“ freien Lauf lässt. Er diffamiert den Moscheeverband DITIB bei jeder Gelegenheit. So wird bei einem DLF-Interview vom 31.03 mit Beck, DITIB vom Moderator einleitend als „an der kurzen Leine“ von Präsident Erdoğan laufend bezeichnet. Seiner Auffassung nach, darf DITIB kein Status als Religionsgemeinschaft besitzen und ihr müsse der Status als Körperschaft des Öffentlichen Rechts verweigert werden. So lehnt Beck die DITIB gar als Gesprächspartner ab, da Ankara faktisch immer mit am Tisch sitze. (1)http://www.deutschlandfunk.de/tuerkischer-einfluss-in-deutschland-ditib-struktur-ist-fuer.694.de.html?dram:article_id=414450

Da möchte ich die Sache einmal umdrehen. Tauschen wir doch einfach DITIB mit dem Zentralrat der Juden aus – dann sitzt bei dieser Religionsgemeinschaft, als Körperschaft des Öffentlichen Rechts(!), faktisch immer Tel Aviv mit am Tisch.

Deutschland hat ein sehr gutes Grundgesetz, das die ungestörte Religionsausübung garantiert und die Freiheit des Glaubens, des Gewissens, gewährleistet.

Leider sehe ich, dass die Trennung von Kirche und Staat nicht so konsequent eingehalten, sondern eher immer mehr ausgehöhlt wird. So halte ich es für mehr als unpassend, wenn vor politischen Veranstaltungen oder Bundestagssitzungen Gottesdienste stattfinden. Tatsächlich sind immer mehr Deutsche konfessionslos, Laizisten oder Atheisten. Wenn also ständig vom „christlichen“ oder „christlich-jüdischen“ Weltbild oder schlimmer noch, „Werten“ gesprochen wird, dann halte ich das für mehr als bedenklich.

Gerade der Islam ist mehr als fortschrittlich. Denn schließlich ist der Islam, anders als immer wieder von manchen Kreisen dargestellt, mit jeder politischen Ordnung vereinbar. Ich frage ich mich, wieso eine muslimische Frau mit Kopftuch, die fremden Männern aus kulturellen Gründen nicht die Hand geben möchte, weitaus kritischer und mit Missbilligung betrachtet, als ein Kippa-tragender jüdischer Mann, der sich weigert, Frauen die Hand zu geben? So viel zur Gleichbehandlung der Religionen!

Wenn sich jüdische Parallelgesellschaften bilden, dann wird das toleriert – und wenn diese sich nicht wirklich integrieren, dann wird das stillschweigend hingenommen. Ein neues gefährliches Phänomen ist es, wenn ständig auf den wachsenden Antisemitismus hingewiesen wird und neuerdings ganz verstärkt auf den, der angeblich „muslimische Wurzeln“ trage. Das ist eine furchtbare Entwicklung, der ich vehement entgegentreten möchte. Nicht der angebliche muslimische Antisemitismus ist das Problem, von dem behauptet wird, dass er durch muslimischen Einwanderer ins Land gebracht worden sei. Es sind die Zustände, vor allem im „Jüdischen Staat“, die den Antisemitismus fördern.

Wie kann ein muslimischer Mensch wegschauen, wenn muslimische Brüder und Schwestern im illegal besetzten Palästina brutal ermordet werden, weil sie sich friedlich für die Freiheit Palästinas einsetzen? Seit 70 Jahren wird den Palästinensern ihr legales Rückkehrrecht verweigert. Wie kann man angesichts dieser Tatsachen kritisieren, dass die Davidstern-Fahne oder Attrappen dessen als das Symbol der Besatzung und Unterdrückung verbrannt werden?

Als die Situation am 30. März, dem denkwürdigen „Tag des Bodens“, eskalierte, nachdem mehr als 30.000 eingeschlossene Palästinenser aus Gaza ihren „Marsch der Rückkehr“ begannen, der bis zum Tag der Nakba am 15. Mai fortgeführt werden soll – da wurden sie zum Teil hinterrücks von Scharfschützen der jüdischen „Verteidigungsarmee“ ermordet. Bis jetzt sind 18 palästinensische Märtyrer zu beklagen und mehr als 1400 Verletzte. Die humanitäre Lage ist eine Katastrophe und die medizinische Versorgung in den Krankenhäusern von Gaza unvorstellbar. In diesem abgeriegelten Elendsstreifen fehlt es an allem, an sauberem Trinkwasser ebenso wie an der Stromversorgung und an Medikamenten. 2 Millionen Menschen leben mit der Blockade – es ist eine brutale Abrieglung von Land, Wasser und sogar der Luft. Mit Tränengasdrohnen des Netanjahu-Regimes werden die Menschen im Labor drangsaliert. Mich erinnert die Situation gewaltig an die vorigen Massaker und den Völkermord von 2014.

Man muss Präsident Erdoğan danken für seine klaren Worte. Ja es ist ein Massaker, was die IDF angerichtet hat und ja, Netanjahu ist ein „Terrorist“ und Israel ein „Terrorstaat“. Noch wichtiger wäre es allerdings, wenn die Türkei jetzt sofort handeln und in Gaza materielle und ideelle Hilfe leisten würde. Ist doch Präsident Erdoğan im Augenblick der einzige Staatsmann, der es wagte, Klartext mit den Machthabern im „Jüdischen Staat“ zu sprechen.

Im Gegensatz zu Israel ist die Türkei kein Besatzerstaat, genauso wenig ist Israel die „einzige“ Demokratie – sie ist überhaupt keine. Es ist geradezu verhöhnend, wenn Netanjahu immer wieder die Phrase von der „moralischsten aller Armeen“ wiederholt und der israelische Kriegsminister Lieberman wieder einmal eine unabhängige Untersuchung verweigern will – genauso wie nach dem Mavi-Marmara-Massaker vom 31. Mai 2010, als die Aufklärung der brutalen Morde durch die IDF von Israel verweigert wurde. Denn nichts fürchten die Zionisten mehr, als die Wahrheit.

So lehnte auch Kriegsminister Lieberman Forderungen nach einer unabhängigen Untersuchung der mörderischen Schüsse auf Palästinenser an der Grenze zu Gaza ab und war so voll des Lobes für die jüdischen „Verteidigungssoldaten“, die nur getan hätten, was nötig gewesen sei. Die für das Massaker verantwortlichen Soldaten hätten, so Lieberman, sogar eine Auszeichnung verdient.

Während die Türkei vorbildlich mehr als 3,5 Millionen Flüchtlinge aufnahm und mit uns ein Flüchtlingsabkommen unterzeichnet hat, das uns die Flüchtlinge vom „Hals halten“ soll, verachtet das Netanjahu Regime schwarze Flüchtlinge und bezeichnet sie als Eindringlinge, sperrt sie ein oder will sie gegen Geld nach Europa und Afrika auslagern. Nur jüdische Flüchtlinge werden gern aufgenommen und erhalten ein sogenanntes „Rückkehrrecht“, welches den Palästinensern und ihren Nachfahren seit der Vertreibung verweigert wird. So will das Regime die Endlösung der Judaisierung vorantreiben.

Das schlimmste an diesem unerträglichen Zustand war es, als der neue deutsche Außenminister Heiko Maas seine „Versöhnungsreise“ in den „Jüdischen Staat machte und sich triefend bei Netanjahu anbiederte, während er die Palästinenser abblitzen ließ und mit einem „KaDeWe-Präsentkorb“ verwöhnte. Auch versprechen seine Äußerungen zur Türkei und Russland wenig Gutes.

Den Vorgänger Sigmar Gabriel, der sich gerade bemüht hatte, ein gutes Verhältnis zur Türkei wiederherzustellen, vermisse ich jetzt schon schmerzlich. Die Türkei gehört endlich als Vollmitglied in die Europäische Union, sie gehört zu Europa!

Ich hoffe sehr, dass bald eine neue Allianz zwischen der Türkei, Russland und dem Iran entstehen wird, als Gegengewicht zu den USA, dem „Jüdischen Staat“ und Saudi-Arabien. Und dass sie eine friedliche Koexistenz ermöglicht.

Es sollte kein Hass gesät werden gegen Muslime und Migranten, denn wer den Hass sät, wird Gewalt ernten.

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7 Kommentare zu Die den Hass säen! Von Evelyn Hecht-Galinski

  1. Damit haben sie mal wieder ein ganz heißes Eisen angepackt, sehr geehrte Frau Hecht-Galinski. Selbst früher mal vernünftige Menschen in meiner Umgebung sind keinem Argument mehr zugänglich, das für Muslime spricht. Man kann sich den Mund fusselig reden, darauf hinweisen, wie lange hier schon Muslime friedlich leben u.s.w., alles vergeblich. Eine brandgefährliche Situation. Ich habe in meinem Leben viele Muslime kennen gelernt, war kurz nach der Revolution im Iran, wo deutsche Kollegen mir rieten, nicht das Hotel zu verlassen, weil es lebensgefährlich wäre. Lachhaft. Bei meinen Ausflügen wurde ich nie unfreundlich behandelt und ich habe die Iraner als wohl die gastfreundlichsten Menschen der Welt kennen gelernt. Als Außenhandelskaufmann kann ich auch sagen, dass auch Geschäfte mit Muslimen immer äußerst korrekt abgewickelt wurden, im Gegensatz zu manchen aus der jüdisch-christlichen “Wertegemeinschaft“. Ich verstehe die Welt nicht mehr, dass die Deutschen sich wieder mal aufhetzen lassen. Dabei wette ich, dass die Meisten noch nicht einmal einen Muslim privat kennen. Ich habe mich nie geschämt für die Taten im Dritten Reich, ich bin zu jung um mich dafür verantwortlich zu fühlen. Aber heute schäme ich mich für die deutschen Zeitgenossen, die wieder in die gleiche Falle tappen. War es damals schon nicht entschuldbar, so ist es das heute noch viel weniger. Die Schuld wird durch unsere Vergangenheit ins unendliche gesteigert, wenn die Deutschen nicht zur Besinnung kommen und ihre Wut auf diejenigen richten, die sie verdienen. Die Muslime sind nicht unsere Feinde, wenn wir ihnen freundschaftlich die Hand reichen. Die Feinde sitzen in den eigenen Reihen. Es sind die von Ihnen genannten Hetzer und ihresgleichen, auf die sich unsere Wut richten sollte.

  2. Sehr geehrte Frau Hecht-Galinski,

    da es gestern auch wieder Schüsse seitens Israels gegeben hat, wobei wieder 5 Menschen getötet wurden, möchte ich Ihnen und den Lesern dieses Video, welches ich zugeschickt bekam, nicht vorenthalten. Es gibt auch in den USA Menschen die sich einsetzen!

    https://www.youtube.com/watch?v=0KLtu10gkx8&feature=youtu.be&eType=EmailBlastContent&eId=f505d848-6742-47ed-a569-7c4e6871201a

    https://israelpalestinetimeline.org/videos/?eType=EmailBlastContent&eId=f505d848-6742-47ed-a569-7c4e6871201a&eType=EmailBlastContent&eId=f505d848-6742-47ed-a569-7c4e6871201a

    Gottes Segen Hanna

  3. Liebe Evelyn,
    Du hast wieder einmal einen hervorragenden Beitrag geschrieben, aber eine Anmerkung sei mir erlaubt: Um Hass zu säen, benötigen wir weder LEGIDA, noch Israel oder die AFD. Das Paradebeispiel, wie Hass auf Muslime und den Islam gesät wird, ist der WDR (sowohl TV als auch Hörfunk). Dort wird immer wieder die Frage, Zitat: „Gehört der Islam zu Deutschland?“ (Zitat Ende) aufgeworfen, Anfang der Woche gibt’s erneut ne Sondersendung mit Diskussion im Netz. Der WDR, der immer wieder StimmenSubjekten vom extrem rechten Rand eine Stimme gibt, wobei manche Moderatorinnen und Moderatoren offenbar auch dazu gehören, ist m.E. als öffentlich rechtliche Anstalt, die eigentlich zur Objektivität verpflichtet ist, nicht tragbar. Die Krönung gab es nach dem Attentat in Münster: Ein angeblcher Terrorismusexperte konnte nicht einhalten und verwies, obwohl es keinerlei Verbindung gibt, immer wieder auf „islamistischen Terror“. Frage an den WDR: Was soll das eigentlich???

  4. Die Leidmedien sind eben ganz stark an der Massenpsychologie interessiert. Man kann nur jedem raten, der gesund bleiben möchte, sich dieser Gehirnwäsche und der ständigen Propaganda zu entziehen.

  5. Wie würden Juden reagieren,

    – wenn plötzlich Soldaten in ihrem Obstgarten erscheinen, mit Planierraupen Ihre Bäume entwurzeln und mitten durch Ihr Grundstück eine 8 m hohe Mauer oder einen mit Starkstrom gesicherten, hohen und dichten Zaun errichten würden, so wie es in Bethlehem und anderen Orten der besetzten palästinensischen Gebiete geschehen ist und geschieht?

    – wenn sie von Soldaten aus Ihrem Haus vertrieben und dann Angehörige einer anderen Religionsgruppe einziehen würden, so wie in der Jerusalemer Altstadt mehrere palästinensische Familien aus ihren Häusern vertrieben wurden, in die dann jüdische Siedler einzogen?

    – wenn von Ihrem Dorf zwei Drittel der umgebenden landwirtschaftlichen Nutzfläche entschädigungslos enteignet und mit einem militärisch gesicherten hohen Zaun abgetrennt und alle friedlichen Protestdemonstrationen (die von den Besatzern als gewaltfreier Terrorismus bezeichnet werden) mit Tränengas und Schußwaffen brutal unterdrückt würden, so wie es in den palästinensischen Dörfern Bilin und Nilin geschehen ist und weiterhin geschieht?

    – wenn sie sich in Ihrem Land nicht mehr frei bewegen könnten, sondern überall Straßensperren errichtet würden, die sie nur mit besonderer Genehmigung passieren dürften, so wie es den Palästinensern ergeht?

    – wenn ihnen eine Baugenehmigung für die Schaffung von mehr Wohnraum für Ihre Familie verweigert wird, um die Vermehrung Ihrer Bevölkerungsgruppe zu verhindern, aber den Mitgliedern einer illegal eingewanderten privilegierten Bevölkerungsgruppe auf entschädigungslos enteignetem Land großzügige Baugenehmigungen erteilt werden, so wie es in den besetzten palästinensischen Gebieten der Fall ist?

    – wenn ihr Haus einschließlich ihres gesamten Hausrats mit Planierraupen zerstört würde, weil ein Hausbewohner eine Straftat begangen hat oder deren nur verdächtigt wird, so wie das immer wieder mit Häusern von Palästinensern geschieht?

    – wenn ihrer hochschwangeren Frau an einem Straßenkontrollpunkt die Weiterfahrt zu einem Krankenhaus verweigert wird, ihre Frau ihr Kind unter den Augen der mitleidlosen Soldaten am Straßenrand zur Welt bringen muß und das Kind mangels ärztlicher Versorgung dann stirbt, wie es immer wieder an den israelischen Kontrollpunkten in den besetzten Gebieten vorkommt?

    – wenn ihre Kinder wegen einer oft wochenlangen Ausgangssperre nicht zur Schule gehen und auch nicht vor dem Haus spielen dürfen, weil sie sonst erschossen werden, wie es immer wieder in den Palästinensergebieten vorgekommen ist?

    – wenn ihr Mann oder ihr Vater plötzlich verhaftet, in ein anderes Land verschleppt und ohne die Angabe von Gründen und ohne Anklage monate- und jahrelang durch sogenannte Verwaltungshaft inhaftiert wird, so wie es Tausenden Palästinensern ergeht?

    – wenn ein Krankenhausbesuch von der Mitarbeit mit einem Geheimdienst zwecks Ausspähung ihrer Mitmenschen, die dann oft der Ermordung durch den Geheimdienst zum Opfer fallen, abhängig gemacht wird, so wie es immer wieder bei schweren Erkrankungen von Palästinensern geschieht?

    – wenn sie durch eine Besatzungsarmee Ihrer Freiheit, Ihrer Lebensgrundlagen, Ihrer Eigentums- und Menschenrechte sowie Ihrer Würde beraubt würden, so wie die Palästinenser in den von Israel völkerrechtswidrig besetzten Gebieten?

    Ja, wie würden sie dann reagieren? Würden sie sich dann widerspruchslos mit so einer zerstörerischen Lebenssituation abfinden oder auch zu gewalttätigen Mitteln greifen, wenn friedliche Mittel erfolglos bleiben und die internationale Staatengemeinschaft nicht nur tatenlos zuzieht, sondern die völkerrechtswidrig handelnde Besatzungsmacht sogar politisch und finanziell unterstützt? Wahrscheinlich würden Juden dann genauso handeln, wie jetzt die Palästinenser und wie sie es schon vor und im Zuge der israelischen Staatsgründung getan haben, obwohl sie in keiner vergleichbaren Situation wie die heutigen Palästinenser waren, sondern sich nur von den Engländern bei der Judaisierung Palästinas behindert fühlten.
    Der frühere israelische Ministerpräsident und Verteidigungsminister Ehud Barak sagte auf die Frage des israelischen Journalisten Gideon Levy, was er getan hätte, wenn er als Palästinenser geboren worden wäre: „Ich wäre einer terroristischen Organisation beigetreten. (I would have joined a terrorist organisation).

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