Die Welt nach Wagner Von Alex Ross Rowohlt

 

Alex Ross hat mit seinem Buch die „Welt nach Wagner“ eine  subjektive, aber sehr umfangreiche  und durchaus lesenswerte Betrachtung geschrieben, die in mir allerdings große Zwiespältigkeit hinterlässt. Seine ständigen Parallelen mit dem Holocaust und Hitler missfallen mir sehr. Genauso geht es mir übrigens, wenn ich die Wagner Inszenierungen sehe, die weder ohne Hakenkreuz oder KZ auskommen. Wagner wird  so immer wieder zu DEM Antisemiten per se abgestempelt, ohne den Hitler seine Ideologie nicht hätte verbreiten konnen. Das die Nationalsozialisten Wagner missbrauchten ist furchtbar, aber sicher nicht Wagners Schuld, schließlich war Wagner schon 1883, sechs Jahre vor Hitlers Geburt gestorben. Gerade in Israel, dem Land, dass als Besatzungsstaat so viele Verbrechen begeht, sollte man sich zurückhalten  mit unsachlicher Kritik.

https://www.rowohlt.de/buch/alex-ross-die-welt-nach-wagner-9783498001858

Daniel Barenboim geht da einen ganz anderen Weg mit Wagner umzugehen, er spielte ihn  einfach. Nachdem er schon 2001 mit einer Wagner Ouvertüre in Israel eine Zugabe gab, sagte er : Zitat-Spiegel: Barenboim selbst verteidigte seine Aktion. Es sei künstlerisch wichtig, Wagner in Israel zu spielen, sagte er der israelischen Zeitung „Haaretz“. Er könne verstehen, dass Israelis schlimme Assoziationen mit Wagner verbinden. „Aber ich glaube nicht, dass sie das Recht haben, andere daran zu hindern, Wagner zu hören.“ und schrieb einen sehr informativen Aufsatz über Wagner. https://danielbarenboim.com/wagner-israel-und-die-palastinenser/

Bernd Weikl, der berühmte Kammersänger und Wagner Kenner, der selbst diverse Bücher über Wagner schrieb, besonders beeindruckend für mich sein “ Freispruch für Richard Wagner“,  indem er Assoziationskette von Wagner und Vordenker des Nationalsozialismus heftig widerspricht und diese widerlegt. Ein Buch dass ich unbedingt empfehlen möchte. Weikl  schreibt über das Ross Buch:

„Man kann schlechterdings auch nicht, wie dies Ross leider tut, den amerikanischen Rassismus zur Zeit der Sklavenhaltung mit dem deutschen Antisemitismus des 19. Jahrhunderts gleichsetzen, der nicht mit Sklaverei, sondern – im Gegenteil – mit der allmählichen Gleichstellung der Juden in Deutschland einhergeht. Das hat Wagner gepredigt und war umgeben von jüdischen Freunden, die ihm – überzeugt davon – Recht gaben

Zutreffend schreibt Ross, dass es in Wagners Opern keine Juden gebe. Keinen Fagin wie in „Oliver Twist“, keinen Svengali wie in George de Mauriers „Trilby“ und keinen hakennasigen Börsenmakler wie in Degas‘ „Portraits à la Bourse“. Doch spätestens seit Adornos „Fragmente über Wagner“ von 1939 wird man in Mime und Alberich „Judenkarikaturen“ sehen, ebenso Beckmesser in den „Meistersingern“. Auch die „Nibelungen“-Zwerge werden oft in diesem Zusammenhang genannt, nicht zu vergessen die düstere Verführerin Kundry im „Parsifal“.

Wagner verlangte, dass die Meistersinger im 16. Jahrhundert spielen sollen. Und wäre ein Jude niemals ein hochangesehener Stadtschreiber in Nürnberg geworden.

In Zukunft werden auch noch Hänsel und Gretel Judenfiguren werden. Immerhin war der Komponist Humperdinck ein Bayreuth Besucher“.
https://www.univerlag-leipzig.de/catalog/bookstore/article/1322-Freispruch_fuer_Richard_Wagner

 

Ganz besonders möchte ich nochmals das wichtige Buch von Moshe Zuckermann, empfehlen, „Wagner ein deutsches Ärgernis“, indem er sich mit seiner “ lebenslangen Faszination“ zu Wagner Wagner bekennt. Nur ein für mich mehr als aussagekräftiger Satz, aus der „Schlussbetrachtung“, schreibt er über Wagner und Israel: „In Fragen der politischen und diplomatischen Hilfe für das Land, das seit Jahrzehnten ein brutales und völkerrechtswidriges Okkupationsregime betreibt, kann sich Israel auf niemanden in Europa so verlassen, wie auf Deutschland“ und weiter „Der „israelische Fall Wagner“ ist ein peinliches Zeugnis der Degeneration des Shoah- Gedenkens im zionistischen Staat, eine der absurdesten unter unzähligen offiziellen Erscheinungen der Instrumentalisierung dieses Gedenkens für fremdbestimmte Zwecke“.

https://www.westendverlag.de/buch/wagner-ein-ewig-deutsches-aergernis/

https://www.buchkomplizen.de/blog/autoren/zwischen-zwei-laendern/wagner-in-israel/

 

Mit dieser Gegenüberstellung von Alex  Ross “ Die Welt nach Wagner“,  Bernd Weikl und Peter Bendixen „Freispruch für Richard Wagner“ und Moshe Zuckermann „Wagner ein ewig deutsches Ärgernis“, ist eine Trilogie über Wagner entstanden, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnte und das macht Wagner bis zum heutigen Tag so spannend.

Evelyn Hecht-Galinski

 

 

Ich danke dem Komponisten und Kenner der Materie, Johannes Klier ausdrücklich für diesen kenntnisreichen Kommentar

Kommentar zu „Die Welt nach Wagner“ von Alex Ross Rowohlt“ von Evelyn Hecht-Galinski – 14.01.2021 auf www.www.sicht-vom-hochblauen.de

 

Einen großen Dank an Evelyn Hecht-Galinski für Ihre kluge, differenzierte und gerechte Beurteilung des musikalischen Werkes von Richard Wagner, der man nur zustimmen kann! Es ist eine Freude und auch Erleichterung, dass es solche objektiven Meinungen über diesen Komponisten heute noch gibt. Vergessen wir nicht: Richard Wagner behandelt in seinem 1852 begonnenen Hauptwerk – der Tetralogie „Der Ring des Nibelungen“ – den Niedergang des gesamten germanischen Götterhimmels aufgrund eigener Gier und Verrats. Das ist das Thema von Wagners Opern und nicht antisemitische Hetze, die auch in keiner seiner anderen Opern zu finden ist. Oder irre ich mich? Jedenfalls habe ich in der Ouvertüre zu seiner Oper „Tannhäuser und der Sängerkrieg auf der Wartburg“ oder im sog. „Bacchanale“ (Venusberg) keinen antisemitischen Takt und Text gefunden. Ebenso wenig im Vorspiel zu „Tristan und Isolde“ und dem berühmten „Isoldes Liebestod“. Man kann Wagners Musik mögen oder nicht, aber bitte bleiben wir bei den Fakten und damit bei der Wahrheit!

Johannes Klier

 

Hier eine Biografie über Richard Wagner, von Sylvia Schreiber, die zwar für Kinder gedacht ist, die mir  aber ausnehmend gut gefällt, im Gegensatz zu vielen Hass und Häme Rezensionen

https://www.br.de/kinder/hoeren/doremikro/wagner-richard-komponist-leben-musik-lexikon-100.html

 

Hier noch ein paar  Rezensionen zum Buch von Alex Ross über Richard Wagner:

https://dieterdavidscholz.de/buchbesprechungen/die-welt-nach-wagner.ross.html

https://oe1.orf.at/artikel/678416/Die-Welt-nach-Wagner-von-Alex-Ross

https://www.sueddeutsche.de/kultur/wagner-alex-ross-1.5163167

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