Dr. Michael Blume – eine Traditionslinie deutschen Wütens von Clemens Messerschmid

Dr. Michael Blume – eine Traditionslinie deutschen Wütens von Clemens Messerschmid

12. Dezember 2022

Diesen wichtigen Brief von Clemens Messerschmid möchte ich den Lesern und Unterstützern der Hochblauen Seite nicht vorenthalten.
Ich halte ihn für so brisant , wichtig und bezeichnend für die aktuellen Zustände in der Bundesrepublik Deutschland, dass ich ihn jetzt
veröffentliche, da er leider nichts an seiner Aktualität verloren hat. Im übrigen halte ich das Amt  und die Schwemme der
“Antisemitismusbeauftragten” von Bund und Ländern, für eines der unnötigsten und schädlichsten überhaupt! 

Dank an Clemens Messerschmid für seine wichtige Arbeit.  Evelyn Hecht-Galinski

 

Bild: Wikimedia Commons: Michael Blume, Beauftragter der Baden-Württembergischen Landesregierung gegen Antisemitismus

Dr. Michael Blume – eine Traditionslinie deutschen Wütens

Vorigen Monat in Heidelberg. Diesmal in Offenburg[1]. Die Volkshochschule (VHS) will eine Friedenswoche in ihrem Demokratiecampus abhalten.

Eingeladen unter anderem: Peter Kuhn von Pax Christi. Er soll dort einen Vortrag über Christen in Palästina sprechen und das Projekt „Neve Shalom – Wahat As-Salam“ (Oase des Friedens auf jeweils Hebräisch und Arabisch) in Israel vorstellen, ein Dorf in Israel, auf halbem Weg zwischen Jerusalem und Tel Aviv, in dem Juden und Palästinenser seit fast 50 Jahren exemplarisch, nämlich friedlich und gemeinsam zusammenleben! Unerhört findet Herr Blume und schreitet zur Tat – ganz offiziell als Landesbeauftragter gegen Antisemitismus. Er schickt einen amtlichen Drohbrief aus seinem Büro im Stuttgarter Staatsministerium nach Offenburg. Die Veranstaltung muß verhindert werden.

Begründung?

Ganz einfach, nämlich wörtlich: ihm wurde – in guter alter, deutsch-autoritärer Manier, nämlich anonym – „zugetragen, dass im Rahmen dieser Veranstaltung … BDS-nahe Positionen verbreitet werden könnten“.

Nun findet sich in der VHS-Ankündigung zwar kein Wort über BDS. Aber Herr Blume weiß Bescheid, er kennt sich aus; er hat exakt ein einziges Argument, nämlich wörtlich:

So wird beispielsweise im Ankündigungstext für die Veranstaltung auf einen Aufruf palästinischer Christen („Cry for Hope„) aufmerksam gemacht“.

NB: Ja, er spricht tatsächlich nicht von palästinensischen, sondern palästinischen  Christen! …

Und diese „palästinischen“ Christen wiederum haben doch tatsächlich den Staat Israel „als „Apartheidstaat“ bezeichnet“. Und nicht nur das. Die „palästinischen“ Christen haben sogar „zur aktiven Unterstützung von BDS aufgerufen“.

Das ist auch schon alles; das muß genügen!

Eine andere Begründung für die weitgehende Einschränkung des Art. 5 GG wird nicht gegeben. Verboten werden soll ein Vortrag über die Friedensoase in Israel bei der VHS in Offenburg, aus dem einzigen Grund, dass dort auch auf die weltweite Kampagne Kairos aufmerksam gemacht werden soll, in der sich verschiedenste Weltkirchen mit „palästinischen“ Christen vernetzen.

Also, was genau ist dieses Kairos, was steht in jenem „Cry for hope“?

Kairos startete 2008/09 als ökumenische, gewaltfreie Bewegung mit dem Aufruf „Die Stunde der Wahrheit“ (Moment of Truth: a word of faith, hope, and love from the heart of Palestinian suffering). Dies ist ein Aufruf palästinensischer Christen, dem sich seither immer mehr fortschrittliche christliche Organisationen und Kirchen weltweit angeschlossen haben. Im Juni 2020 erschien dort der von Blume inkriminierte Aufruf Cry for Hope.

Sehen wir ihn uns einmal etwas genauer an. Dort steht:

…we are mindful of the legacy of faith and action of those who have come before us and have faced circumstances of urgency and crisis.

  • In 1933 German pastor and theologian Dietrich Bonhoeffer declared that the Nazi regime’s denial of the rights of Jews and the interference of the state into matters of religion placed the church in status confessions. The Barmen Declaration of 1934 reinforced the church’s obligation to stand up to injustice and to unequivocally oppose ideologies of tyranny.

Anmerkung: Es war 1934, da erschienen die Barmer Thesen – eine absoluten Minderheitenposition im deutschen Kirchenkampf und gegenüber der amtlichen „Deutschen Evangelischen Kirche“ (DEK). Die Thesen wandten sich gegen den Ausschluss der „Judenchristen“, betrieben von den protestantischen Nazis der sog. „Deutschen Christen“ (DC) und gegen die Einführung des „Arierparagraphen“ durch die DEK, und gegen die „Entjudung“ der Bibel, so gefordert vom DEK im Berliner Sportpalast, Sep. 1933, etc. …

Heute, 2022, hat Herr Blume, die  deutsche Amtsperson aus Stuttgart, aus der Geschichte gelernt: „Nie wieder!“, ruft er; nie wieder dürfen deutsche Christen solch freche Thesen wie die aus Barmen oder die Friedrich Bonhoeffers vertreten. Wer sich auf ihn beruft, so wie es Kairos Palestine in seinem CRY FOR HOPE tut, muß verboten werden!

Übrigens, Bonhoeffer selbst endete im KZ Flossenbürg und wurde dort am 9.4.1945, unmittelbar vor dessen Räumung durch die SS und genau zwei Wochen vor dessen Einnahme durch die 3. US-Armee, erschlagen. Vorbild für Herrn Blume!

  • In 1964 the first General Secretary of the World Council of Churches (WCC), Willem Visser ‚t Hooft, stated that racism, like apartheid, constitutes a status confessionis for the churches. The WCC followed this word with action in 1969 in implementing its courageous and far-reaching Program to Combat Racism.

Anmerkung: Es war 1964, da wurde Nelson Mandela zu lebenslanger Haft verurteilt… Hingegen Deutschland – will heißen: West-Deutschland – schloss sich dem Urteil der weißen Rassisten in ihren Richterroben an und behandelte Mandela als “schuldig” im Sinne der Anklage; überführt und schuldig befunden, des Kampfes gegen die Apartheid! Herr Blume vom Staatsministerium Baden-Württembergs verfolgt diese Linie noch heute – oder heute wieder: BDS gegen Apartheid gehört staatlich sanktioniert. Mandela hinter Gitter!

  • In 1977 the Lutheran World Federation (LWF) declared that “apartheid created a status confessions for the church” and in 1984 suspended the white Lutheran Churches in Southern Africa who practice  apartheid. In 1982 the World Alliance of Reformed Churches (WARC) declared apartheid incompatible with Christian belief, and suspended the member churches practicing racial separation.

Anmerkung: Es steigerte sich langsam, über 7 Jahre hinweg, von 1977 bis 1984, da endlich folgten auf die Worte erste Taten. Apartheid sei mit dem christlichen Glauben nicht kompatibel, vertrat der Lutherische Weltbund auf seiner 7. Vollversammlung in Ungarn und schritt zur Tat. Er schloss jene beiden südafrikanischen weißen Lutherischen Kirchen, die aktiv Apartheid betrieben, aus seinen Reihen aus. Ein Boykott! Eine Sanktion! Das ist ja BDS!, erregt sich Herr Dr. Blume fast vierzig Jahre später in seiner Amtsstube, in offizieller staatlicher baden-württembergischer Funktion und mit offiziellem Briefkopf, als amtlich bestallter „Beauftragter der Landesregierung gegen Antisemitismus“…

  • The World Communion of Reformed Churches (WCRC) in 2017 affirmed “that with respect to the situation of injustice and suffering that exists in Palestine, and the cry of the Palestinian Christian community, that the integrity of Christian faith and praxis is at stake” and directed the General Secretary to initiate six direct action steps. Since 2009, Kairos documents from ecumenical organizations from around the world have appeared in response to the Kairos “Moment of Truth” document of the Palestinian Christians, pledging action and providing theological affirmation of this prophetic call by the Palestinian churches.

Anmerkung: Seit 2009 schließen sich immer mehr ökumenische Organisationen dem Aufruf palästinensischer Christen, „Stunde der Wahrheit“ an und verpflichten sich, angesichts des Leidens und der Zuspitzung, aktiv zu werden und zu handeln. So auch die Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen (WGRK) in Genf. So schrieb z.B. Bischof Desmond Tutu Desmond Tutu 2015 an den Deutschen Evangelischen Kirchentag und erinnerte an die dringliche Mahnung von Kairos Palestine „to stand alongside the oppressed and preserve the word of God as good news for all rather than turn it into a weapon with which to slay the oppressed“. Hierbei spielte Tutu auf die schmähliche Rolle der EKD gegenüber der Apartheid an, als diese noch – wie Israel heute – mächtig und in vollem Gange war:

I remember how, in the 1980s, you struggled with your consciences over taking “a clear stand” against apartheid“.

Und genau wie 1934 war es auch damals, vor 40 Jahren, eine kleine Minderheit von ökumenischen Bewegungen, evangelischen und Freikirchen, die sich dem herrschenden Trend der gültigen Staatsräson und ihrer Ausprägung durch die offiziellen staatlichen und kirchlichen Organe entgegenstemmte. Auf besonderen Zorn stieß damals bei der EKD – genau wie heute bei Herrn Blume  – der Appell Tutus über die Nutzlosigkeit und Verlogenheit von Sonntagsreden:

Please tell your government that mere words of concern are insufficient. They don’t change anything. The appropriate response when confronting injustice is to take real steps to confront and eradicate it.“ (D. Tutu)

Stimmen wie die Tutus müssen zum Schweigen gebracht werden!

„Bitte teilen Sie Ihrer Regierung mit, dass bloße Worte der Besorgnis nicht ausreichen. Sie ändern nichts. Die angemessene Reaktion gegenüber der Ungerechtigkeit besteht darin, echte Schritte zu unternehmen, um ihr entgegenzutreten und sie zu beseitigen.“

(D. Tutu, 2015; zit. n. „Cry for Hope“)

 

Als amtlicher Vertreter der Regierung fühlt Dr. Blume sich angesprochen. Das also sind jene gefährlichen Christen, die er bekämpft und deretwegen er den Vortrag in Offenburg verhindern will.

Der „Schrei nach Hoffnung“ ist Blumes Verdruss, Kairos seine Zielscheibe.

  • Denn diese Christen erinnern heute an die wenigen deutschen Christen – wie Bonhoeffer – die sich vor 90 Jahren als kleine Minderheit dem Naziterror, nicht nur der Botschaft, sondern der Praxis des Völkermords entgegenstemmten, hierfür von ihrer Amtskirche – Blumes EKD – bekämpft und verlassen wurden und mit dem Leben zahlten.
  • Sie erinnern heute an jene wenigen deutschen Christen – wie der LWF und WARC – die sich vor 40 Jahren als kleine Minderheit der Barbarei der Apartheid entgegenstellten und dafür von ihrer Amtskirche – Blumes EKD (und seiner CDU) – bekämpft wurden.
  • Und sie mahnen und klären heute gegen die rassistische Ideologie und Praxis des amtlichen Israels auf und fordern Taten gegen seine bereits 55 Jahre währende Militärdiktatur in der West Bank (sowie Gaza und Ost-Jerusalem) und die hierfür von den furchtbaren Juristen und amtlich bestallten Zensurbeauftragten im Stuttgarter Staatsministerium verleumdet, bekämpft und mundtot gemacht werden sollen. Die Hoffnung zu zerstören ist das Anliegen Blumes.

Blume weiß, was er tut.

Die für November geplante VHS-veranstaltung hatte den Titel: „Könnt ihr uns helfen, unsere Freiheit zurückzuerlangen? – Christen in Palästina“. Dr. Blume, der Deutsche Christ und Landesbeauftragte, ist fest entschlossen aktiv dabei mitzuhelfen, dass seine palästinensischen Glaubensbrüder und -schwestern ihre Freiheit NICHT zurückerlangen!

Blume weiß, was er tut.

Dem amtlichen Theologen Herrn Blume ist das bestens bekannt. Er ist seit seiner Jugend und Schulzeit politisch aktiv (Junge Union) und ein Spezialist für genau diese Fragen. Nach einer in eigenen Worten, „religionssoziologischen, am Zeitgeschehen orientierten Magisterarbeitpromovierte er über „Chancen und Grenzen aus religionswissenschaftlicher Perspektive”. Bis 2020 war er Referatsleiter für nichtchristliche Religionen im Staatsministerium Baden-Württemberg. Und ist heute Beauftragter der baden württembergischen Landesregierung gegen Antisemitismus.[2]

Blume weiß, was er tut.

Er weiß es genau; er erinnert sich bestens an die Kämpfe in seiner Deutschen Evangelischen Kirche über die Frage der deutschen Staatsräson und der Staats- und Kirchentreue gegenüber der Apartheid, damals in Südafrika (und an die Seite, auf die er schon damals sich stellte). Er stellt sich heute völlig bewusst in die Tradition jener amtlich-deutschen Apartheid-Befürworter aus den 80er Jahren und jener DEK von 1934, welche durch ihre Mischung aus  tiefsitzendem Antisemitismus und Staatstreue zum Deutschen Reich den Triumph des deutschen Nationalsozialismus und seine Verankerung unter deutschen Christen erst möglich gemacht hatten. Seine EKD lieferte einen Pastor Bonhoeffer politisch an die Schergen der SS aus. Blume stellt sich heute bewusst und aktiv in die Fußstapfen jener „Deutschen Christen“, die dem Hitlerstaat die Treue schworen – und hielten!

Blume weiß, was er tut.

Michael Blume hat seine Seite gewählt. Er weiß, wo er steht, wenn er die heutigen Kämpfer gegen Apartheid verleumdet und mit der Macht – nicht Autorität – seiner Amtsvollmachten kalt stellen will.

Und er aktualisiert diese alte Linie heute, durch die Kriminalisierung einer Bewegung, die im Geiste Desmond Tutus handelt.

Wer heute Israels Militärdiktatur und Apartheid bekämpft, ist sein Feind. Und der wird mit amtlichen Ukas aus dem Staatsministerium drangsaliert und mundtot gemacht – kaltgestellt und kriminalisiert. Blume ergreift damit ganz bewusst, gezielt und systematisch Partei, gegen all diejenigen, die, wie Tutu schrieb, „an der Seite der Unterdrückten stehen und das Wort Gottes als gute Nachricht für alle bewahren“. Und er stellt sich in die Fußstapfen derer, die den Schrei nach Gerechtigkeit ersticken wollten – und heute wieder dieses „Wort Gottes“ missbrauchen und es nach Desmond Tutus Worten „in eine Waffe verwandeln, mit der die Unterdrückten abgeschlachtet werden“.

Das ist wahrlich eine Traditionslinie!

Bonhoeffer ins KZ. Mandela hinter Gitter. Tutu geknebelt. Und palästinensische Christen unter die Militärstiefel der israelischen Besatzung. Das ist der spirit unserer Staatsräson und ihrer Antisemitismus-Beauftragten…

 

 

Clemens Messerschmid

geschrieben in Ramallah, besetzte Gebiete

im November, 2022.

 

 

PS:

Die VHS Offenburg ließ sich, anders als die GEW Heidelberg! – das sollte betont werden – von dieser urdeutschen, schwarzbraunen Version des McCarthyismus bei der Durchführung ihres Demokratie-Campus nicht einschüchtern… Der Vortrag fand statt. Es bleibt noch viel zu tun – in Groß-Israel und in Blumes Deutschland.

 

[1] https://shirhever.com/wp-content/uploads/2022/11/2022.11.02-Blume-Michael-3434_001.pdf

[2] https://stm.baden-wuerttemberg.de/de/themen/beauftragter-gegen-antisemitismus/

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