Freiheit ist ein Luxus, den sich nicht jeder leisten kann Kölner Karlspreisrede von Evelyn Hecht-Galinski

Verleihung des Kölner Karlspreises, Berlin, Babylon, 14.12.2017
Freiheit ist ein Luxus, den sich nicht jedermann leisten kann
Evelyn Hecht-Galinski zu Ehren von Ken Jebsen

Liebe Freundinnen und liebe Freunde, dass wir heute Abend hier versammelt sind, haben wir nur dem Mut, der Hartnäckigkeit und der Risikobereitschaft der Veranstalter, Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann, zu verdanken. Ihnen und mir ist diese Karlspreisverleihung ein wichtiges Symbol für die Meinungs- und Pressefreiheit. Die Neue Rheinische Zeitung, die der junge Redakteur Karl Marx im Revolutions-Jahr 1848, am 1. Juni zum ersten Mal herausbrachte, nachdem die Pressezensur in Deutschland gerade gefallen war, wurde zu einem Fanal der Aufklärung gegen die Bürgerliche Presse. Die NRhZ bekam den Untertitel „Organ der Demokratie“. Leider war dieses faszinierende Experiment nach nur 301 Tagen beendet. Dieser NRhZ, die als eine Zeitung der deutschen Revolution, als Symbol der demokratischen Erneuerung konzipiert war, entzogen bürgerliche Geldgeber schon nach wenigen Tagen die Unterstützung und damit war das Ende besiegelt. Am 19. Mai 1849 erschien mit der Nr. 301 die letzte Ausgabe, ganz in rot gedruckt. Die preußische Regierung, der die Marx‘schen Texte zu aggressiv und gefährlich wurden, wies Marx schließlich aus dem Land und er musste erneut ins Exil gehen, diesmal nach London, nachdem es ihm noch gelungen war, die Druckmaschine der NRhZ zu verkaufen, um die letzten Löhne bezahlen zu können.


Evelyn Hecht-Galinski am 14.12.2017 im Berliner Babylon (alle Fotos: arbeiterfotografie.com)

Welche Parallelen gibt es von 1848 zu 2017? War es damals eine preußische Regierung, die Karl Marx ins Exil zwang, so ist es heute der rot-rote Berliner Senat mit seinem so genannten linken Un-Kultur-Senator, der mit Diffamierungen und Drohungen versucht hat, die heutige Preisverleihung zu verhindern. Dank des Berliner Amtsgerichts wurde diesem Erpressungsversuch der Erfolg verweigert. Und nachdem er also so „abgeledert“ wurde, sollte dieser Un-Kultur-Senator Lederer, der die Flagge der Freiheit einzog, endlich die überfällige Konsequenz ziehen und zurückzutreten von seinem Posten, auf dem er völlig fehl am Platze ist.

In meiner Jugend in Berlin habe ich etliche Senatoren diverser Senate kennen gelernt, aber so ein Vertreter wie dieser Herr Lederer war meiner Erinnerung nach nie dabei. Auch Willy Brandt den ich damals sehr verehrte und den ich auch persönlich kannte, wegen dem ich sogar einmal für ganz kurze Zeit in die SPD eintrat, musste ins Exil gehen und wurde später als Landesverräter in Deutschland beschimpft und diffamiert. Aber dieser aktuell misslungene Versuch des Herrn Lederer, Andersdenkende mundtot zu machen, von Berlin aus, der Stadt nach dem Mauerfall, war mehr als unverschämt. Dieser Hass gegen den glaubwürdigen – und ich meine auch deswegen erfolgreichen! – Journalisten Ken Jebsen oder überhaupt gegen Kritiker der Besatzungspolitik des „Jüdischen Staates“ ist beispiellos. Und gerade jetzt, wo das Handeln der Zivilgesellschaft so wichtig wird? 

Dieser links blinkende, aber rechte Herr Lederer hat alle, die sich der Tradition von Karl Marx und Friedrich Engels verpflichtet fühlen, und die gegen den öffentlichen oft so verlogenen Mainstream schwimmen, tief getroffen. Dass ausgerechnet ein rot-rotes Bündnis sich von dieser Tradition so völlig abgewendet hat, zeigt doch nur, wie angepasst die gesamte Politikszene heute geworden ist. Lederer führt sich auf wie ein Inquisitor, der Ken Jebsen als „Israelhasser mit antisemitischem“ Denkmuster diffamiert, allerdings ist das eine mehr als abstruse und unwahre Behauptung, die so falsch ist , dass ich mich frage, wer ihm diese Hetze wohl eingeflüstert hat.


Evelyn Hecht-Galinski am 14.12.2017 im Berliner Babylon

Was ist nur aus Berlin geworden, der Stadt von Ernst Reuter, dessen Ausspruch, „schaut auf diese Stadt“ mich immer begleitete? Wenn ich heute auf meine Geburtsstadt schaue, dann bin ich wütend und traurig. Werden wir demnächst Bücherverbrennungen erleben und die totale Israelisierung? Wenn aufrechte Journalisten und Schriftsteller, die ihre Arbeit ernst nehmen und nichts anderes tun als Sachverhalte kritisch beleuchten, von Politikern in vorauseilendem Gehorsam mit Zensur belegt werden und als Antisemiten und Judenhasser verleumdet werden, dann müssen wir uns wehren.

Deshalb ist es mir ganz wichtig, heute Abend auf die gewaltlose BDS-Kampagne hinzuweisen, die ich vorbehaltlos unterstütze. BDS steht für Boykott, Desinvestition und Sanktionen und wurde 2005 von 170 palästinensischen Organisationen gegründet, um zu einem Boykott gegen Israel aufzurufen, bis die Besatzung beendet ist. BDS-Aktivisten weltweit fordern Politiker, Unternehmer, Künstler, Wissenschaftler, Firmen und Sportler dazu auf, Auftritte, Investitionen oder wissenschaftliche Kooperationen abzusagen oder zu beenden, bis der „Jüdische Staat“ die Verwirklichung der Grundrechte und die Einhaltung des Völkerrechts umsetzt und bis die illegale Besatzung und Kolonisation Palästinas beendet ist. Wohlgemerkt, dies alles im Einklang mit dem Völkerrecht. Deshalb fühle ich mit meiner Unterstützung der BDS-Kampagne in bester Gesellschaft, beispielsweise mit Judith Butler, Naomi Klein, Ken Loach, Steven Hawking, Kate Tempest und Roger Waters, dem legendären Gründer von Pink Floyd. Diesem begnadeten Künstler wurde gerade von mehreren ARD-Anstalten – angeführt vom WDR-Intendanten Tom Buhrow – die Ausstrahlung eines Konzertes verweigert, und das nur, weil er gegen die Besatzung Palästinas ist und deshalb die, ich wiederhole es noch einmal: gewaltlose – BDS-Kampagne unterstützt. Dreimal dürfen Sie raten, wer Druck auf Buhrow ausgeübt hat: Eine kleine jüdische Lobbyistin, die „Frau tapfer im Nirgendwo“ mit armseligen 1.500 „Unterstützern“, hat es mühelos geschafft, dass der WDR-Intendant ganz feige eingeknickt ist vor dieser seltsamen „Übermacht“ von schäbigen, lügnerischen Lobbyisten – ohne eigene Recherche selbstverständlich. Gegen solche Absurditäten müssen wir uns wehren.


Evelyn Hecht-Galinski am 14.12.2017 im Berliner Babylon – auf der Leinwand Peter Kleinert, 2016 verstorbener Herausgeber der Neuen Rheinischen Zeitung

Als am 15. August 2005 die erste Ausgabe der Neuen Rheinischen Zeitung erschien, war es allein meinem leider viel zu früh vor einem Jahr verstorbenen Freund Peter Kleinert zu verdanken, dass diese traditionsreiche Zeitung zu neuem Leben erwachte. Es war sein finanzielles Engagement und sein Einsatz Tag und Nacht, dass dieses wichtige Projekt erfolgreich wieder belebt wurde. Ohne ihn wäre dieses Projekt niemals möglich geworden. Sein ganzes Streben war es, diese Zeitung zu einer Plattform für politischen Einspruch und Einflussnahme zu machen, ohne Scheu vor kontroversen Auseinandersetzungen über aktuelle Themen, die keinen Eingang in Mainstream-Medien finden. Hier schreiben alle Autoren ohne Honorar, die sich ganz der Sache verpflichtet fühlen. So hatte es sich Peter Kleinert zur Lebensaufgabe gemacht, denen die Möglichkeit zu geben zu publizieren, die auf dem größtenteils einseitigen monopolisierten Medien-Markt keine Chance haben. Nachdem der schleichende Verlust der Meinungs- und Informationsfreiheit dieser Mainstream-Medien immer offensichtlicher wird und sich diese nur noch als Sprachrohre der offiziellen Politik erweisen, sind es eben gerade die alternativen Medien, die diesem Treiben der staatlichen Einflussnahme entgegenwirken. Peter Kleinert, der emphatisch war mit den Benachteiligten, und der sich gegen Willkür und Ungerechtigkeit einsetzte, war ein mutiger, aufrechter, nicht gläubiger Mensch, mit dem ich mich auf Anhieb verbunden fühlte, mit dem mich eine „Chemie“, ein tief freundschaftliches Verhältnis verband. Unsere langen Telefonate und E-Mails vermisse ich noch heute sehr. Seit Dezember 2009 schreibe ich nun meine Kommentare für die NRhZ und seit 4 Jahren auch für meinen Blog, aus der „Sicht vom Hochblauen“, unseres „Hausberges“.


Evelyn Hecht-Galinski am 14.12.2017 im Berliner Babylon – auf der Leinwand Walter Herrmann, 2016 verstorbener Initiator der Kölner Klagemauer für Frieden, Völkerverständigung und Menschenrecht

Peter Kleinert, der mit seinem Kaos-Filmteam zahlreiche Preise, wie unter Anderem den Grimme-Preis in Gold gewann, sah sich als Kämpfer, ebenso wie seine Nachfolger Anneliese und Andreas, gegen die Willkür der Staatsmacht. Gemeinsam unterstützten wir Walter Herrmann, den leider ebenso zu früh verstorbenen Gründer der Kölner Klagemauer. Auch er war mir ein Freund, der sein ganzes Leben für Gerechtigkeit und die Freiheit Palästinas einsetzte. Er lebt weiter in der NRhZ, die ihm wöchentlich einen Artikel widmet, damit sein Lebenswerk nicht in Vergessenheit gerät.

Beide wünschten sich eine Welt frei von Faschismus und Krieg, eine gerechte und friedliche Welt. Eine Welt frei von Nationalsozialismus, Zionismus und andere Formen des Rassismus, und Peter war sich immer so sicher, dass der Tag kommen wird, an dem seine Vision von Freiheit Wirklichkeit wird. In diesem Punkt allerdings bin ich pessimistisch.

Ich meine den Rassismus, den wir momentan gerade gegen Muslime und den Islam erleben, den vergifteten Zionismus mit der illegalen Besatzung Palästinas, der sich täglich verschlimmert, die Diffamierungsversuche gegen BDS-Unterstützer gegen Israel, den Versuch der Staatsorgane von Berlin, Frankfurt, München, jüdischen und israelischen Referenten nur 72 Jahre nach der Auschwitz-Befreiung wieder Redeverbot in öffentlich finanzierten Räumen zu erteilen. Trotzdem wollen wir Peter Kleinerts Vermächtnis fortführen in dieser düsteren Zeit, wo sich Kriege und Flüchtlinge weltweit vermehren und uns mahnen, niemals dieses Ziel einer gerechten Welt aufzugeben.

Mein persönliches Anliegen ist es, für ein freies Palästina, und gegen die illegale jüdische Besatzung zu kämpfen, für ein Palästina, das alle demokratischen Werte für alle seine Bürger in einem Staat verwirklicht. Das legale Rückkehrrecht der vertriebenen Palästinenser und ihrer Nachfahren muss endlich verwirklicht werden, damit auch sie endlich ein lebenswertes Leben in Freiheit genießen können. Für dieses Ziel muss endlich vor allem auch die deutsche Politik Verantwortung übernehmen, um den Palästinensern, als auch Leidtragenden des Holocaust endlich Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Auch in diesem Punkt zogen Peter Kleinert und ich immer an einem Strang.

Jerusalem ist das Symbol Palästinas, daran kann der schreckliche Deal-Maker und „Koscher Nostra“-Wahnsinnige Trump aus dem Weißen Haus nichts ändern. Ich sage der Tradition entsprechend „nächstes Jahr in einem freien Palästina“!

An dieser Stelle möchte ich meinen Freund und wunderbaren Künstler Gilad Atzmon ganz besonders herzlich begrüßen. Ich freue mich sehr, dass der berühmte Jazz-Musiker es sich nicht nehmen ließ, zwischen seinen vielen Konzert-Terminen in aller Welt, heute Abend dabei zu sein, um den 5. Kölner Karlspreisträger Ken Jebsen zu feiern. Danke Gilad, Du bist ein Freund und besonderer Mitstreiter für ein freies Palästina. Du, als ehemaliger Israeli und Soldat der „jüdischen Verteidigungsarmee“ weißt, wovon Du sprichst und schreibst, wenn Du über Palästina berichtest. Allen Verleumdungen zum Trotz, wirst Du, wird Deine Musik und Deine Bücher in die Geschichte eingehen, im Gegensatz zu Senatoren und Politikern, die kommen und gehen und in der Versenkung der Geschichte verschwinden.

Nun zu Dir, lieber Ken, über deine Nominierung für den Karlspreis habe ich mich sehr gefreut und Dich – nach Werner Rügemer, Wolfgang Bittner, Rolf Gössner und mir – Dich als Fünften im Bunde und genau der Richtige Preisträger zu würdigen und zu feiern. Ken Jebsen und KenFm ist so erfolgreich, dass es ganz natürlich Neid auf sich zieht, ich sage aus jahrelanger eigener Erfahrung, lieber Ken, „Neid muss man sich erwerben“, Mitleid bekommt man geschenkt. Also ein Hoch auf die Neider. Als ich Dich vor Jahren, nach Deinem erzwungenen Abgang bei rbb kontaktierte, da war mir und meinem Mann sofort klar, dass Du ein besonderer Mensch und Journalist bist, den es sich zu unterstützen lohnt. Du bist ein Besessener, einer, der in seinem Kampf für einen unabhängigen Journalismus alles gibt. Keine Strapaze ist Dir zu groß. Unbeirrt hast Du Deinen Weg gemacht und gehörst heute zu den erfolgreichsten crowd-finanzierten Medienportalen Deutschlands, wie man sie sonst nur aus den USA kennt. Du bist ein gut ausgebildeter Voll-Profi, ein Pionier dieser Gattung. Wenn einer diesen Preis für engagierte Literatur und Publizistik verdient hat, dann bist Du das. Schade, dass Peter Kleinert, der Dich ebenfalls sehr geschätzt hat, den heutigen Abend nicht erleben kann, vielleicht schaut er uns von oben zu und gratuliert Dir. Du hast eine humanistische Grundhaltung, Du scheust Dich nicht, gegen Willkür und Terror auf die Straße zu gehen, Du duckst Dich nicht weg, sondern schaust genau hin und berichtest und klärst auf. Das spüren die tausende Menschen und Fans deiner Arbeit. Auch deshalb wirst Du vielen „Lederers“ zu gefährlich, und das ist gut so! Herzlichen Glückwunsch Ken!

Freiheit ist ein Luxus, den sich nicht jedermann leisten kann. Karl Marx

Evelyn Hecht-Galinski, Tochter des ehemaligen Zentralratsvorsitzenden der Juden in Deutschland, Heinz Galinski, ist Publizistin und Autorin. Ihre Kommentare für die NRhZ schreibt sie regelmäßig vom „Hochblauen“, dem 1165 m hohen „Hausberg“ im Badischen, wo sie mit ihrem Ehemann Benjamin Hecht lebt. (https://www.sicht-vom-hochblauen.de/) 2012 kam ihr Buch „Das elfte Gebot: Israel darf alles“ heraus. Erschienen im tz-Verlag, ISBN 978-3940456-51-9 (print), Preis 17,89 Euro. Am 28. September 2014 wurde sie von der NRhZ mit dem vierten „Kölner Karls-Preis für engagierte Literatur und Publizistik“ ausgezeichnet.

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