Gespräch eines „Brunnenvergifters mit einer „Antisemitin“ Clara S. mit Gilad Atzmon (Tei l7 und 8 NRhZ)

NRhZ Online Flyer vom 14.Februar 2018

Gespräch eines „Brunnenvergifters“ mit einer „Antisemitin“
  Auf der falschen Seite der Geschichte?
Gespräch von Clara S. mit Gilad Atzmon (Teil 7 und 8)

Am 20.12.2017 erschien bei Rubikon der Artikel mit dem Titel „Der Brunnervergifter Gilad Atzmon“ von Elias Davidsson, in dem der Philosoph Gilad Atzmon vernichtend kritisiert wird. Als Rubikon es Gilad Atzmon verweigerte, sich gegen die Vorwürfe der Holocaust-Leugnung und des Antisemitismus zu verteidigen, hat das vielfach großes Unverständnis hervorgerufen. Es waren zunächst Evelyn Hecht-Galinski und die NRhZ, die Gilad Atzmon Gelegenheit gaben, sich zu verteidigen. Inzwischen haben Muslim-Markt und Daily Sabah Interviews mit ihm geführt und deutschsprachig veröffentlicht. Und nun hat Clara S., nachdem sie ihren Diskussionsbeitrag „Gilad Atzmons ‚The Wandering Who‘, die Meinungsfreiheit und ich“ veröffentlicht hatte, ein umfangreiches, achtteiliges Gespräch mit Gilad Atzmon geführt (1. Erwachsenwerden, 2. Ist das Opfer selber schuld? 3. Geschichtsschreibung als Prozess, 4. Antisemitismus, Rassismus und kulturelle Identität, 5. Prä-traumatisches Belastungssyndrom, Zionismus und Imperium, 6. Jüdische Macht und Identitätspolitik, 7. Globale Stammesverbände und nationaler Überschwang, 8. Auf der Suche nach dem Weg nach Hause). Es ist – wie Gilad Atzmon es sieht – ein furchtloser Austausch zwischen der deutschen linken Stimme Clara S. und dem ex-israelischen Jazz-Künstler, bei dem sie tief in Themen wie Israel, Palästina, den Holocaust, Frieden und Wahnvorstellungen, links und rechts, die Bedeutung der Vergangenheit und unsere Zukunftsaussichten im Kontext der gegenwärtigen identiäteren Dystopie eintauchen. Dem Gespräch über die Banalität des Guten, die Bedeutung der Vergangenheit, die Pornographie des Horrors und Humanismus vs. Tribalismus sind zwei Zitate vorangestellt: „Frieden kann nicht mit Gewalt erhalten werden; man kann ihn nur durch Verständnis erreichen.“ (Albert Einstein) Und: „In Zweifelsfällen kohärent bleiben.“ (Kurt Fasch – deutscher Philosophiehistoriker). Es folgen die Gesprächsteile 7 und 8.


Die Banalität des Guten (Montage von Gilad Atzmon)

7. Globale Stammesverbände und nationaler Überschwang

Clara: Ich habe mir gerade dieses Canadian Jewish news bulletin angesehen und alle typischen ‚Stammesmerkmale‘ darin entdeckt: gesellschaftliche Ereignisse, bei denen koscheres Essen serviert wird, die privaten Sonntagsschulen, auf deren Lehrplänen jüdische Kultur, jüdischer Glaube und der Holocaust stehen, ein Kommentar zum Thema, warum man mit den palästinensischen Kindern kein Mitleid haben sollte und eine Reise nach Israel für junge Erwachsene, bei der jede/r von ihnen herausfinden soll ‚was Israel für mich bedeutet‘. Meines Erachtens ist eines der Denkfehler biologisch orientierter Identitätspolitik, dass ’die Unterschiede zwischen den verschiedenen Identitätsgruppen größer sind als die Unterschiede innerhalb der Gruppe‘ wie der ‘Saker’ Rassismus definiert. Ich bin gar nicht so sicher, ob es wirklich den Interessen kanadischer (US-amerikanischer, britischer oder deutscher) Juden oder sogar denen der Israelis selbst entspricht, die heutige Politik Israels zu unterstützen. Aber als Stammesangehörige sitzen sie alle in einem Boot. Ist es das, was Du meinst, wenn Du behauptest, dass Identitätspolitik ein Werkzeug der Globalisierung ist und dass die verschiedenen ‘identitären Stämme’ dafür ausgenutzt werden, die Politik der Neocons / Zionisten zu unterstützen?
 
Gilad: Es ist eigentlich viel einfacher. Die Herausbildung von mehr und mehr Ghetto Mauern zwischen uns, den Menschen, demontiert unsere Fähigkeit, für universelle Bedürfnisse zu kämpfen bzw. das Universelle überhaupt zu erkennen. Im Namen der Vielfalt, schaffen wir eine fragmentierte menschliche Landschaft, die nur noch ihre Fragmente sieht. Die Stammeskonstruktion ist tatsächlich das ideale Umfeld für Neocons, Diener des Mammons und unsere korrumpierten Politiker.

Clara: Im ‘Wandernden Wer’ schreibst Du, dass das Mitgefühl aus dem jüdischen Denken verschwunden sei. Ich denke oft, dass es in Deutschland nicht anders ist: wir haben keinerlei Mitgefühl für das griechische Volk und dessen Armut im Zusammenhang mit der Einführung des Euro, wir denken sie sollten dafür bestraft werden, dass sie ’faul sind, über ihre Verhältnisse gelebt und ihre Hausaufgaben nicht gemacht haben‘. Ähnliches denken wir auch über die Armen in unserem eigenen Land. Und wir betrauern die Terroropfer in Deutschland und Frankreich, interessieren uns aber nicht wirklich für die in St Petersburg, Beirut oder für das entsetzliche Leiden im Jemen. Und das einzige Mal, an dem unsere Politiker tatsächlich Mitgefühl zu zeigen schienen, und die Grenzen für Flüchtlinge öffneten, mussten die Deutschen, die, wie ich, diese Chance begrüßt hatten, sehr schnell die Doppelstandards dahinter zur Kenntnis nehmen: die Kriege und Wirtschaftspolitik, die die Menschen aus ihrer Heimat vertrieben hatten, wurden nicht infrage gestellt, und die durch den Zustrom der Flüchtlinge entstandenen sozialen und Sicherheits-Probleme im eigenen Land wurden nicht angemessen angegangen. Hat dieses Fehlen von Mitgefühl vielleicht mit der ‚Unfähigkeit zu trauern‘  zu tun, die wir am Anfang unserer Unterhaltung angesprochen haben, und die eine Gemeinsamkeit jüdischen und deutschen Mainstream-Denkens zu sein scheint? 

Gilad: Fehlendes Mitgefühl ist ein Symptom von Auserwähltsein und Exzeptionalismus. Beides gehört zum Jüdisch-Sein dazu aber nicht nur dazu. Es ist ja kein Geheimnis, dass egoistisches Denken in das kapitalistische Denken eingebettet ist. Als nächstes möchtest Du Dich vielleicht fragen, wie der Zusammenhang zwischen jüdischer Kultur und Kapitalismus ist. Das ist selbstverständlich wieder eine sehr belastete Frage, auf die es viele Antworten gibt. Marx glaubte, dass beides zusammengehört. Werner Sombart sah das auch so. Max Weber nicht.  Meine Meinung ist, wie immer, dass man diese Dinge offen diskutieren können muss.

Clara: Einverstanden. Und es ist ja eigentlich eine Art selektiven Mitgefühls mit Doppelstandards. Aber es gibt natürlich auch den Aspekt, dass wir im Zusammenhang mit identitären Weltsichten kollektiv in einem durch die Opferrolle geprägten Selbstbild feststecken. Wie auch immer, lass uns doch noch ein wenig konkreter werden. In einer Rede in Berlin sagtest Du, dass z.B. die internationale feministische Bewegung dazu benutzt wurde, Kriege für die Rechte muslimischer Frauen zu bewerben. Gerade vor kurzem posierte Angela Jolie für die NATO, genau zu dem Zweck! Das Thema der Rechte von Homosexuellen war ein anderes von Dir erwähntes Beispiel. Wenn Russland angegriffen werden soll, zeigen Schwule aus vielen Ländern ihre Besorgnis über die Behandlung Homosexueller dort. Wir werden eigentlich von einer fragmentierten Kampagne zur anderen gehetzt und vergessen die wichtigeren Themen. Aber welche Alternative gibt es? In Deiner Rede schienst Du die Rückbesinnung auf nationale Interessen zu befürworten. Du schienst das Konzept ‚identitärer Stämme‘ durch die Idee starker Nationalstaaten und klarer Grenzen ersetzen zu wollen. Ist das nicht eine sehr gefährliche rechte Vorstellung? Führt das nicht wieder zu neuem Chauvinismus, der Verfolgung ethnischer Minderheiten und ähnlichem?
 
Gilad: Gute Frage. Erstens einmal bin ich kein politischer Aktivist, ich liefere keine Lösungen oder Alternativen. Wie schon erwähnt, entwickele ich als Philosoph Fragen und wiederhole keine vorgefertigten Antworten.  Tatsächlich behaupte ich oft, dass wenn der globale Kapitalismus ein Problem ist (und er ist ein Problem), dann wäre es vielleicht sinnvoll in Betracht zu ziehen, ob Gleichheit innerhalb von Grenzen eine mögliche Antwort wäre.
Lass uns jetzt über Nationalismus und Nationalstaaten sprechen. Ich bleibe dabei, dass Nationalismus nicht unbedingt ein Problem ist, es sei denn er wird auf Kosten anderer betrieben. In den 1940ern wurden die Menschen im Namen von Lebensraum  abgeschlachtet, im Globalen Universum der Neocons tun wir das gleiche im Namen von Coca Cola, den Rechten Homosexueller und falscher Demokratie. Aus meiner Sicht ist dagegen ethisches Denken die richtige Kur, etwas was im athenianischen Denken grundsätzlich angestrebt wird.   

Clara: Wenn es eine Definition von ‘links’ gibt, dann sind doch wesentliche Elemente der Einsatz für soziale Emanzipation und der Antiimperialismus. Viele Menschen sind der Meinung, dass man für eine Politik, die sich darum kümmert, einen starken Nationalstaat braucht, z.B. Bill Mitchell  (Geldpolitik), Paul Steinhardt (Sozialstaat – paywall) und Professor Michael Hartman (nationale Eliten sind immer noch stark). Während andere nach ‘mehr EU’ rufen, um soziale Themen international anzupacken, sagen diese Leute, das ein solches Projekt scheitern muss, selbst wenn es versucht würde, was ja zurzeit gar nicht der Fall ist; die EU ist kein soziales Projekt. Die rechten Parteien wollen ebenfalls ‘weniger EU’, unterstützen aber eher eine neo-liberale Politik. Als Sarah Wagenknecht von der Links-Partei Merkels Politik der offenen Grenzen kritisierte, wurde sie bezichtigt, mit der AfD gemeinsame Sache zu machen. Sehr oft ersetzen Angriffe, dass man mit den Rechten zusammenarbeitet (Querfront!), einen offenen, inhaltlichen Gedankenaustausch. Ich sehe das als sehr gefährliche Entwicklung an.

Gilad: Du sprichst hier wieder die jerusalemistische Tendenz an, diese Tyrannei  der Korrektheit, die uns vorschreibt, wie wir zu reden haben und welche Gedankenmuster korrekt sind, Newspeak eben. Orwell erkannte, dass diese Tendenz Teil linker Politik ist, was faszinierend ist angesichts der athenianischen, dialektischen Natur des Marxschen Denkens. Wir leben in einer Welt, in der alles auf den Kopf gestellt ist: die Antifaschisten sind häufig in ihrem inneren Kern Faschisten, Die Anti-Zionisten sind meistens Anti-Zionisten-Zionisten und die Athenianer, die das alles erkennen, werden kontinuierlich fertig gemacht. Trotzdem, die Menschen akzeptieren diese Realität nicht. Brexit zeigt, dass die Briten sich eine Änderung wünschen, Trump  gewann, weil die Amerikaner frustriert sind (ganz gewiss sind sie jetzt noch frustrierter). Die Popularität von Corbyn in Großbritannien und Sanders in den USA kann als ähnliches Symptom der Frustration mit der gegenwärtigen Dystopie gewertet werden. Beide Führungspersonen sind nostalgische, anti-identitäre Charaktere. Was das bedeutet, ist einfach zu erklären. Wir bewegen uns auf eine Sphäre zu, in der das links/rechts Schema überwunden wird. Auf der Höhe der Zeit zu sein, heißt diesen post-politischen Zustand zu verstehen.

8. Auf der Suche nach dem Weg nach Hause

Clara: Während sich heutzutage nicht viele Menschen mit der Scholle verwachsen fühlen, sind sicher viele der Meinung, dass es nicht genügt, eine spirituelle Heimat zu haben. Das sehe ich auch so. Identitäre Gruppierungen scheinen ja da eine Lösung zu sein. Aber, wie Du richtig schreibst, aus einer identitären Weltsicht, kann man kein universelles Weltbild ableiten, besonders wenn es mit einer Opferrolle verknüpft ist. Für andere Menschen ist Heimat immer noch ein bestimmter Ort, den es gegen die Invasion von Ausländern und Windrädern zu verteidigen gilt. Auch kein guter Ausgangspunkt für eine universell gültige Weltanschauung. Steht deswegen nicht eine universell gültige Moral im grundsätzlichen Widerspruch zum Konzept Heimat? Und wenn nicht, wie finden wir den Weg dorthin?
 
Gilad: Keineswegs. Die Verbindung zur Scholle, die Liebe zum Land und sogar biologischer Identitarismus können universell werden, wenn sie für jeden gelten. Es ist ja bekannt, dass ich anti-identitär bin, aber ich akzeptiere, dass wenn Juden, Lesben, Transsexuelle und Schwarze sich politisch mit ihrer Biologie identifizieren, dass die Weißen es dann auch tun dürfen.  Wenn Juden sich mit ihrem imaginären ‘gelobten Land’ identifizieren dürfen, dann müssen doch die Palästinenser, die alteingesessenen Bewohner dieses Landes, sicherlich auch das Recht dazu haben und tatsächlich in ihre Heimatorte zurückkehren dürfen. Kurz gesagt, jede egoistische Idee kann zur universell gültigen Haltung werden, sobald sie vom Prinzip des Exzeptionalismus befreit wurde.  Und um Deine Frage zu beantworten, ‘Heimat’ kann auch eine universelle Vorstellung sein, solange wir universell gültige Bedingungen schaffen, um so eine Idee umzusetzen. Der Israel / Palästina Konflikt ist ein großartiger Testfall. Momentan ist Israel ein chauvinistischer jüdischer Staat. Damit Israel ein universelles Abenteuer werden kann, muss es sich in einen ‚Staat seiner Bürger‘ verwandeln. Dies wurde von dem palästinensisch-israelischen Knesset-Mitglied Azmi Bishara vorgeschlagen; kurz nachdem er dieses geniale Motto geprägt hatte, musste er um sein Leben rennen.

Clara: Du hast erklärt, dass der Zionismus das Versprechen war, die Diaspora Juden zu zivilisieren, indem sie nach Hause kommen, und dadurch Menschen ‚wie alle anderen‘ werden konnten, als eine Gemeinschaft von Menschen, die mit der Scholle verbunden waren und mit den Nachbarn in Harmonie und Frieden lebten. Bedeutet also Heimat für Dich, mit Dir selbst und dem Universum im Einklang zu leben?
 
Gilad: Erstens bin ich kein Zionist und, mich in einen Menschen wie alle anderen zu verwandeln, ist keineswegs mein Ziel. Ich denke auch, dass es für andere Menschen, die nicht wie alle anderen sein möchten, ein problematisches Motto ist, die Juden zu Menschen wie alle andere Menschen machen zu wollen. In Frieden zu leben und meine Nachbarn zu lieben, ist kein Lebensziel für mich sondern meine Art zu leben. Trotzdem, meine Beziehung zu mir selbst, ist etwas vollkommen anderes. Ich lebe tatsächlich in Frieden mit meinen Nachbarn, trotz meiner Erziehung und früher Indoktrinierung: trotz des Goy-Hasses, des Auserwähltseins und der ständigen Schoah Gehirnwäsche. Von all dem musste ich ‚mein System säubern‘. Und genau so wird Selbsthass eine positive Kraft auf dem Weg zu  Harmonie und Versöhnung.

Clara: Ich muss zugeben, dass ich, als Du erstmals von Selbsthass als Weg zum Universellen sprachst, sehr stark ablehnend reagiert habe. Ich dachte, dass dieser genau zum Gegenteil, zu hunderten Atombomben, die die Welt bedrohen, führen müsse. Aber ich habe eigentlich gar nicht verstanden, was Du damit sagen wolltest. Es geht um diesen ‘Erkenne-Dich-selbst Moment in Deinem Leben, als Du entdecktest, dass Du ‚hier der Nazi warst‘, der für Dich alles verändert hat, oder? Deswegen gebe ich Dir recht, wenn Du Selbsthass als die Fähigkeit definierst, sich selbst kritisch und mit Abstand zu betrachten und Selbstliebe als das Gegenteil davon. Man braucht diesen speziellen Moment im Leben, um diese Fähigkeit zu entwickeln. Auch in meinem Leben gab es solche Momente. Aber Selbsthass allein kann nicht der Weg zur Harmonie sein. Ich finde, man muss sich auch selbst lieben können, um andere lieben zu können. Und, nebenbei gesagt, bezeichnest Du Dich zwar als einen Selbsthasser, ich habe aber nicht den Eindruck, dass Du Dich selbst so sehr hasst; Du scheinst mir vielmehr ziemlich in Einklang mit Dir selbst und Deiner Umgebung zu stehen (wenn nicht wieder einmal eine Schmierkampagne in Sicht ist).

Gilad: Da hast Du schon recht. Ich werde Dir humorvoll antworten: Wenn Du Jüdischsein als intensive Form der Selbstliebe definierst, dann kann man jüdischen Selbsthass als ‚sich lieben, indem man sich hasst‘  beschreiben. Wir akzeptieren, dass Selbsthass ein metaphorischer Begriff ist, nicht unbedingt ein universell gültiger Weg, aber ein anerkannter jüdischer Weg zum Universellen. Es ist eine Methode, um aus intellektueller und spiritueller Stagnation auszubrechen. Ich gebe lieber zu, dass ich mich liebe, wenn ich mich selbst hasse; das ist vermutlich das, was von dem Juden in mir übrig ist. Aber ich liebe es auch, Texte anderer Selbsthasser zu lesen, und mich mit ihnen auszutauschen. Für mich sind die so genannten Selbsthasser, Jesus, Spinoza, Weininger, Marx Whistleblower, wie wir sie heute nennen, sie haben Bereiche der Harmonie geschaffen.

Clara: Wir sprechen hier von einem schmerzhaften individuellen Prozess. Kann eine Gruppe so einen Prozess durchlaufen? Du sagtest vorhin, dass ‚wenn sich die Juden retten möchten, […,] sie alleine in der Nacht ausbrechen und darauf hoffen [müssen], dass sie bei Tagesanbruch dem Universellen begegnen‘.

Gilad: Ja, genauso sehe ich das. Es gibt keine kollektive Heilung für die Juden. Warum? Weil Menschen, die so durch eine fantasierte, exzeptionalistische Auffassung von Rasse, Biologie und Blut verbunden sind, immer wieder in die gleiche, chauvinistische Rassenfalle tappen werden. Das passierte mit dem Zionismus, der versprach, die Juden von sich selbst zu emanzipieren, aber damit endete, die größten Ghettomauern der Welt zu bauen. Das ist auch genau die Falle, in die die Anti-Zionisten getappt sind. Sie versprachen, die Juden vom Zionismus zu befreien und endeten damit, innerhalb privilegierter, rassistisch orientierter politischer Ghettos zu agieren, die mit Zion identisch sind.

Clara: Bedeutet das nicht das Ende jedes kollektiven Versuchs, für eine friedlichere und gerechtere Welt zu kämpfen?

Gilad: Im Gegenteil, das ist der Punkt von der wir die Suche nach den ethischen Werten in uns selbst starten. An dieser Stelle verlassen wir Jerusalem (die Stadt der mitzvoth / Gebote) und etablieren endlich wieder Athen (die Hauptstadt der Vernunft). Wir tauchen ein in die Bedeutung des Menschseins, unabhängig von unserem Geschlecht, unserer Rasse oder Hautfarbe. Wir lassen das Stammesdenken hinter uns und machen uns auf zu einer Expedition in das Universelle.

Das Gespräch erscheint parallel im opablog – beginnend am 23. Januar 2018 mit Folge 1

Die acht Folgen:

1. Erwachsenwerden
2. Ist das Opfer selber schuld?
3. Geschichtsschreibung als Prozess
4. Antisemitismus, Rassismus und kulturelle Identität
5. Prä-traumatisches Belastungssyndrom, Zionismus und Imperium
6. Jüdische Macht und Identitätspolitik
7. Globale Stammesverbände und nationaler Überschwang
8. Auf der Suche nach dem Weg nach Hause

Siehe auch:

Gespräch eines „Brunnenvergifters“ mit einer „Antisemitin“
Auf der falschen Seite der Geschichte?
Gespräch von Clara S. mit Gilad Atzmon (Teil 1 und 2)
Teil 1: Erwachsenwerden
Teil 2: Ist das Opfer selber schuld?
NRhZ 644 vom 24.01.2018
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=24509

Gespräch eines „Brunnenvergifters“ mit einer „Antisemitin“
Auf der falschen Seite der Geschichte?
Gespräch von Clara S. mit Gilad Atzmon (Teil 3 und 4)
Teil 3: Geschichtsschreibung als Prozess
Teil 4: Antisemitismus, Rassismus und kulturelle Identität
NRhZ 645 vom 31.01.2018
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=24545

Gespräch eines „Brunnenvergifters“ mit einer „Antisemitin“
Auf der falschen Seite der Geschichte?
Gespräch von Clara S. mit Gilad Atzmon (Teil 5 und 6)
Teil 5: Prä-traumatisches Belastungssyndrom, Zionismus und Imperium
Teil 6: Jüdische Macht und Identitätspolitik
NRhZ 646 vom 07.02.2018
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=24565

Ich will nicht in einem Land leben, das jemand anderem gehört
Gilad Atzmon – interviewt von Burak Altun
NRhZ 644 vom 24.01.2018
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=24508

Gilad Atzmons „The Wandering Who“, die Meinungsfreiheit und ich
Ein Diskussionsbeitrag zur Versachlichung
Von Clara S.
NRhZ 643 vom 17.01.2018
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=24486

Inzwischen sind wir alle Palästinenser
Gespräch über die Ideologie des Auserwähltheit-Seins, Israel, Palästina und den Holocaust
Gilad Atzmon – interviewt von Muslim-Markt
NRhZ 642 vom 27.12.2017
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=24454

Wie weit geht die Freiheit der Gedanken?
Elias Davidsson und Gilad Atzmon debattieren über Palästina, Israel und Holocaust
Aufbereitet von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann
NRhZ 642 vom 27.12.2017
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=24453

Einwurf in eine kontroverse Debatte
Alles bekannt über den Holocaust?
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann
NRhZ 642 vom 27.12.2017
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=24469

Ein Umdenken ist erforderlich:
Die westliche „Rasse“ muss menschlich werden!
Von Yavuz Özoguz
NRhZ 646 vom 07.02.2018
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=24570

Kampagne gegen Lisa Fitz: ein neues Beispiel für die Strategie der Macht
Schutzschild der Hochfinanz
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann
NRhZ 646 vom 07.02.2018
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=24553

Online-Flyer Nr. 647  vom 14.02.2018

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