Leserbrief an die Süddeutsche Zeitung

LeserbriefZu „Falsche Richtung“ von Reinhard J. Brembeck vom 26.05.2014 und
“Ich bin doch nur ein Musiker“ von Rainer Erlinger vom 02.06.2014

Ich habe den Eindruck, bei der SZ läuft die Kritik völlig aus dem Ruder, denn zunehmend erscheint es mir, als ob man die Leser in eine bestimmte Richtung drängt, die Kunst und Politik in unerträglicher Weise vermischt. Künstler werden für ihre abweichende politische Einstellung nicht mehr sachlich bewertet. Ein Unding!

Dass Trifonov, dem wie ich meine derzeit genialsten Pianisten weltweit, als Pumuckl bezeichnet wird, ist empörend und erfüllt den Tatbestand der Beleidigung. Weil ein bayerischer, besoffener Fußballfan so eine Polizistin bezeichnet hat, wurde er von einem Regensburger Gericht zwei Monate Haft auf Bewährung verurteilt. Zwei Monate Schreibverbot für Herrn Brembeck für diesen unerhörten Vergleich wäre hier das Mindeste!

Auch das Gergiev-Bashing, das wegen dessen Unterstützung für Putins Krim-Politik einsetzte, kann man nicht als objektive Kritik bezeichnen. Was Brembeck hier über das Konzert von Gergiev schrieb, von Strawinsky, bis zu den Zugaben, war unter der Gürtellinie und wurde dem Künstler Gergiev nicht gerecht.

Ich selbst war im Konzert in Freiburg und habe selbst erlebt, dass das ganze Konzerthaus hingerissen war vom Solisten Trifonov, dem Orchester und dem Dirigenten.

Werden US-Künstler auch nach ihrem Verhältnis zu Obama, zur Drohnen-Politik und den unzähligen US-Interventionen befragt und danach bewertet? Werden israelische Dirigenten nach ihrem Verhältnis zum israelischen Besatzungs-Regime und zu Netanjahu befragt? Nicht dass ich wüsste!

Leider hat der transatlantische Medien-Virus inzwischen auch den Bereich der Kunst und Musik erreicht und schreckt nicht davor zurück, besorgte Mitmenschen als „Putin Versteher“ zu diffamieren!Das ist Deutscher Takt für einen russischen Taktstock! Ich meine, das Orchester und die Stadt München haben eine ausgezeichnete Wahl getroffen. Sicher wird das Publikum in München das genauso sehen. Und Grüne die gar ein Berufsverbot für Gergiev forderten, sollte man ein Hausverbot bei seinen Konzerten geben!

Der beleidigende Artikel von R. Erlinger von heute setzt der Infamie noch die Krone auf, indem er vorschlägt, Gergiev mit Pussy Riot auftreten zu lassen. Dies ernsthaft zu kommentieren, ist schon abwegig. Aber Gergiev mit „Mephisto“, Heinrich Manns Hendrik Höfgen, alias Gustav Gründgens und seinem anbiedernden Verhalten in der Nazizeit mit Gergiev und seiner Haltung zu Putin in einem Atemzug zu nennen, ist einfach nur niederträchtig,es erinnert mich in diesem seitenlangen Denunziationseifer an übelste Zeiten!

Evelyn Hecht-Galinski

Lesen Sie hierzu auch Deutscher Takt für russischen Taktstock

1 Kommentar zu Leserbrief an die Süddeutsche Zeitung

  1. Verehrte liebe Frau Hecht-Galinski!
    Ich habe diesen Ihren Leserbrief (wurde er abgedruckt? Wohl kaum)mit entschiedener, ja dankbarer Zustimmung gelesen. Welche Dimensionen der mit „Niedergang“ noch zurückhaltend bezeichnete Niveau- und sogar Kenntnisverlust im SZ-Feuilleton – wie ja in der SZ allgemein (denken Sie nur an den „Rauswurf“ des wunderbaren karikaturisten Dieter Hanitzsch von gestern und dessen Begründung) – mit immer noch offenen Steigerungsoptionen erreicht hat, lässt sich allein am Beispiel des sog. „Experten für Kunstgesang“ und Musikrezensenten Brembeck ausweisen, den Sie hier unter Beschuss genommen haben. Was dessen Kompetenz angeht, erlaube ich mir, Sie auf meine Website „ostinato“ hinzuweisen:

    http://www.ku-spiegel.de

    In der Menüsäule links bitte auf „Nachträge“, darin auf „Attacken“ und weiter auf Brembeck 2011 und noch mehr Brembeck 2012.

    Ich nutze die Gelegenhei, Ihnen für Ihr kämpferisches Wirken in Combattantschaft mit Zuckermann, zu danken. Ich suche ständig nach Texten von Ihnen, verbreite sie an einen vor allem kulturell orientierten (in der Grundrichtjng „linken“) Freundeskreis. Wünsche Ihnen weiterhin Kraft, Motivation, Standing, Gesundheit und bin ganz herzlch grüßend: Ihr K U S

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