Leserbrief F.A.Z. Doppelstandards Evelyn Hecht-Galinski

Mein Leserbrief, wurde am 10.März 2022 leicht gekürzt  in der F.A.Z. abgedruckt.

Evellyn Hecht-Galinski

 

Doppelstandards

Zu Gergiev und Putin „Der Lärm unserer Zeit“ von Jan Brachmann (F.A.Z. vom 26. Februar): Unglaublich, einem der besten und international geschätzten Dirigenten der Welt, Valery Gergiev, zu drohen und Forderungen nach Distanzierung von Russlands Politik zu stellen, die mehr als dreist sind. Hatten wir das nicht schon einmal, dass „nicht genehme“ Künstler, wenn sie nicht „spurten“, ihren Job verloren? Wen es wohl morgen trifft? Unter den vielen eilfertigen „Hauptakteuren“ ist der Münchner Oberbürgermeister, Dieter Reiter, besonders hervorzuheben. Wahrlich kein gutes Renommee für München und Deutschland. Werden demnächst auch russische Musik und weitere russische KünstlerInnen auf den Index kommen? Wurden solche Forderungen nach Distanzierung jemals von US-Künstlern nach dem Beginn des unter Lügen-Propaganda begonnenen Irak-Kriegs oder deutschen Künstlern nach dem völkerrechtswidrigen Jugoslawien-Krieg verlangt? Dazu, bei Nichterfüllung, mit Kündigung und Ultimatum gedroht? Was für ekelhafte heuchlerische Doppelstandards! Sieht so westliche „Werte“-Politik aus? Evelyn Hecht-Galinski, Malsburg-Marzell

 

Auf dem Weg zur antirussischen Volksgemeinschaft

Brandanschläge auf eine deutsch-russische Schule in Berlin und Lebensmittelgeschäfte in Nordrhein-Westfalen, zahlreiche Drohungen und Beleidigungen, teilweise auf offener Straße, Hausverbot in einer Gaststätte, Mobbing in Schulen, Betrieben und Sportvereinen. Die Liste ließe sich lange fortsetzen. Nicht nur russische Staatsbürger, sondern auch russischstämmige und russischsprachige Menschen si …

Die Realität bestätigt meinen Leserbrief

Doch Stichwortgeber für diesen antirussischen Mob waren neben der Politik vor allem etablierte Kulturinstitutionen wie Opernhäuser, Konzertveranstalter, Museen. Zu einer Art Initialzündung wurden dabei die spektakulären Rauswürfe von zwei prominenten Musikern. Waleri Gergiev, Chefdirigent der Münchener Philharmoniker, wurde als „Freund von Putin“ gebrandmarkt und von ihm wurde ultimativ ein bereits weitgehend vorformuliertes Bekenntnis gegen Putin abverlangt. Da er dem nicht nachkam, verlor er unter anderem seine Stelle in München und vereinbarte Engagements in Hamburg, Luzern, Riga und Mailand.

Auch die berühmte Sopranistin Anna Netrebko steht in der Schusslinie des antirussischen Furors. Ihr Statement („Ich möchte, dass dieser Krieg aufhört und Menschen in Frieden leben können“) reichte den Kulturinstitutionen nicht aus. Zumal Netrebko auch noch erklärte: „Ich möchte allerdings anführen, dass es nicht richtig ist, Künstler oder irgendeine öffentliche Person zu zwingen, ihre politischen Ansichten öffentlich zu machen und ihr Vaterland zu beschimpfen.“ Jedenfalls hagelte es Konzertabsagen, und mittlerweile hat die in Wien lebende Sängerin angekündigt, sich zunächst komplett aus dem Konzertbetrieb zurückzuziehen. Es bleibt festzuhalten, dass weder von Gergiev noch von Netrebko Äußerungen bekannt sind, in denen sie den Krieg gegen die Ukraine unterstützen.

Russische Kultur kann weg

Doch längst geht es nicht mehr nur um einzelne, der „Putin-Nähe“ verdächtigte Künstler, sondern gegen „das Russische“ an sich. Die Warschauer Nationaloper setzte die geplante Aufführung der 1870 entstandenen Oper „Boris Godunow“ von Modest Mussorgski nach Motiven von Alexander Puschkin ab. Nicht etwa wegen eines „suspekten“ Dirigenten oder Solisten, sondern weil es eine russische Oper ist. „We express our admiration for the heroism of the Ukrainians fighting to defend their Homeland“, hieß es zur Begründung. Bei der Cardiff Philharmonic musste Tchaikovsky dran glauben, natürlich auch als Zeichen der Solidarität mit der Ukraine. An der Mailänder Universität wurde ein Seminar über den russischen Schriftsteller Dostojewski gecancelt.

Im Vergleich dazu agierte das Berliner Konzerthaus fast schon feinsinnig. Die Konzertreihe mit Werken des russischen Komponisten Dmitri Schostakowitsch wurde zwar nicht abgesetzt, aber inhaltlich „angepasst“. Die 7. Symphonie „Leningrad“, die dem Leid der Menschen in der 1941 von der deutschen Wehrmacht abgeriegelten Stadt und ihrer späteren Befreiung gewidmet ist, musste weichen. Dirigent Krzysztof Urbańsky erklärte dazu: „Als Mensch bin ich solidarisch gegen die schreckliche Gewalt in der Ukraine. Als Künstler denke ich, dass es heute notwendig ist, sensibel zu handeln. Deshalb haben wir zusammen mit dem Konzerthausorchester Berlin sorgfältig über das Programm unseres Konzerts gesprochen. Unter den gegenwärtigen Umständen mag es unangemessen erscheinen, Schostakowitschs Symphonie Nr. 7 ‚Leningrad‘ aufzuführen. Passend zum Thema der Schostakowitsch-Hommage schlug ich die Symphonie Nr. 5 vor, die meiner Meinung nach wahrscheinlich sein persönlichstes Werk ist und sich auf den Kampf des Komponisten (gegen den Stalinismus, der Verf.) konzentriert.” Also Schostakowitsch ja – aber bitte kein antifaschistisches russisches Heldenwerk.

1 Kommentar zu Leserbrief F.A.Z. Doppelstandards Evelyn Hecht-Galinski

  1. Es ist bemerkenswert, das ausgerechnet, seitdem „Die Grünen“ mit an der Bundesregierung beteiligt sind und unsere Aussenministern mit ihrem persönlichen Hass auf Russland, North Stream 2 und vor allem auf Putin selber (und das alles weit vor dem Ukraine- Krieg), eine immer mehr um sich schlagende Gewalt auch in Deutschland bemerkbar ist. Wie eine linksrorientierte Zeitung in ihrer gestrigen Ausgabe durch diverse Leserbriefe berichtet, wird mittlerweile auf vielen von den „Die Grünen“ und „Friday for Future“ organisierten Demonstrationen und anderen Veranstaltungen Redner*innen das Wort abgeschnitten und das Mikrophon aus der Hand gerissen, wenn diese sich erdreisten, moderate Töne für eine Deeskalation des Krieges zu sorgen. Ich frage mich, wes geistes Kind eigentlich diese „Die Grünen“ und andere Öko- Spinner sind, wenn Personen, die nicht 100% ihrer Meinung, einfach das Rederecht entzogen und/oder das Mikro aus der Hand gerissen wird. Und da beklagen unsere Politik, unsere Politiker*inen und unsere Medien „Zensur“ in Russland? Leute, werdet mal wach, besser heute als Morgen!!

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