Mit „Fake News“ in den Krieg von Klaus Hartmann

Verleihung des Kölner Karlspreises, Berlin, Babylon, 14.12.2017
Mit „Fake News“ in den Krieg
Von Klaus Hartmann

Liebe Preisverleihungsgäste, eine Vorbemerkung: Was den Appell des letzten Spontanredners (David: „wir sind doch bei einer Preisverleihung, das ist doch ein freundlicher Akt, da zieht man sich schick an“) angeht: mit dem schick Anziehen habe ich mich etwas bemüht; was den Vorredner (Gilad Atzmon) angeht: die Tonlage (der Jazzklarinette) treffe ich natürlich nicht, aber wer mich kennt, weiß, ich treffe ohnehin selten den richtigen Ton. (Ende der Vorbemerkung) Mir wurde aufgegeben, ich soll etwas über „Fake News“ erzählen, das hat in diesen Tagen natürlich Konjunktur, andererseits soll es dabei darum gehen, ob es sich bei der Gegnerschaft gegen die „Fake News“ um einen Kampf um die Wahrheit handelt.


Klaus Hartmann im Babylon (alle Fotos: arbeiterfotografie.com)

Ich muss sagen, das Wort steht in einer Reihe mit dem, das schon einmal ein paar Tage vorher zum „Unwort des Jahres“ erkoren wurde, von einer ehemals sprachkritischen Jury, nämlich der „Lügenpresse“; was uns ja eingeträufelt wird, dass man es nicht benutzen kann oder darf, weil es ein „rechtes Wort“ sei. Ich beziehe mich lieber auf Eckart Spoo, der meinte: „Die Presse muss einfach aufhören, zu lügen. Und ich lasse mir dieses wahre, dieses allzu wahre Wort nicht verbieten.“

Und genauso geht es uns jetzt mit den „Fake News“, was ja eigentlich eine merkwürdige Veranstaltung ist, dieser „Anglizismus des Jahres 2017“, dafür hatten wir vorher schon mal klare Begriffe, die hießen, glaube ich, Falschmeldung oder auch Desinformation. Warum es jetzt so neu erfunden werden musste? Wahrscheinlich weil es „cool“ klingt – und wahrscheinlich auch, weil damit bestimmte Absichten verbunden sind.

Was für ein Skandal!

Und die Absichten, die damit verbunden sind, richten sich – wenn ich mal so offen sein darf – eigentlich massiv gegen uns, weil: die Europäische Union im September 2015 eine „Arbeitsgruppe zur Verfolgung und Analyse von aus Russland nach Europa strömenden Desinformationen“, eine „East StratCom Task Force“ eingerichtet hat, da die aus Russland kommenden Nachrichten, und das ist jetzt ein Zitat, „hier für Unruhe sorgen und Zweifel an der etablierten Politik säen sollen“, haben sie auf ihren eigenen Homepages dazu veröffentlich. (1) Ja, was für ein Skandal! Wo kommen wir dahin: Unruhe! Wo doch Ruhe die erste Bürgerpflicht ist. Und gar „Zweifel an der etablierten Politik“! Das ist ja mindestens Majestätsbeleidigung, wo doch die NATO-Deutung der Wirklichkeit sakrosankt ist.


Klaus Hartmann im Babylon

„Fake News“? Wir kennen vielleicht Fake Fur – das ist Kunstpelz, Fake Fistol – ist keine Waffe, sondern eine Attrappe, und Fake Painting ist einfach ein gefälschtes Gemälde. Was aber das Abwehrzentrum gegen Desinformation, das die Bundesregierung im Vorfeld des Bundestagswahlkampfs extra eingerichtet hat, dann noch soll? „Fake News“ – offenbar handelt es sich um einen Kampfbegriff gegen alles, was einem nicht in den Kram passt, da ähnelt es dem „Verschwörungstheoretiker“, der ja heute diesen Preis bekommen hat. Der „Verschwörungstheoretiker“ ist eigentlich auch einer, den die CIA erst in Umlauf gebracht hat – als der Kennedy ermordet wurde, und niemand die Story von der CIA glauben wollte. Und wie es mit der „Lügenpresse“ eben auch ist – ich komme noch mal ganz kurz darauf zurück, dem angeblichen „Kampfbegriff der Rechten“.

Ich will sagen: Er stammt aus den 1920er Jahren, da hat ihn die KPD immer gebraucht, gegen die „Hugenberg’sche Lügenpresse“. Und von daher sind wir, glaube ich, in einer guten Gesellschaft, wenn wir den Nachfolgern des Hugenberg-Konzerns, die Namen wurden hier heute schon genannt (Springer, Burda, Bertelsmann, Funke etc.), diesen Ehrentitel weitergeben.

Ansonsten ähnelt die Kampagne der Situation „Haltet den Dieb!“ – denn „Fake News“ sind ja ehrlicherweise solche Begriffe wie „Humanitäre Missionen“. Na ja, Krieg ist gemeint. „Schutz der Zivilbevölkerung“. Dazu wirft man Bomben ab. Dass die Staatschefs von allen „ungehorsamen“ Staaten grundsätzlich „Verrückte“, Schlächter“, „Diktatoren“, „Mörder des eigenen Volkes“ oder gar „neue Hitler“ seien – da haben wir die Originalausgabe von „Fake News“.

Oder wenn wir feststellen, die NATO-Aggression gegen Jugoslawien, da soll laut dem Fantasten Scharping ein „KZ in Priština“ gesehen worden sein, oder es soll ein Racak-Massaker“ stattgefunden haben; oder der Saddam Hussein hätte „Massenvernichtungswaffen“ gehabt; als der erste Irak-Krieg losging, hat eine Werbeagentur die „Brutkasten-Lüge“ erfunden, nach der die irakischen Soldaten die Frühchen auf den Boden gefeuert hätten. Solche Lügen sind Legion – dass die „Weißhelme“ in Syrien eine „humanitäre Organisation“ seien, gehört dazu ebenso wie die von unserem Zensursenator Lederer vor dem Brandenburger Tor platzierten drei aufrecht stehenden Busse, die angeblich der syrischen Zivilbevölkerung als Kugelfang dienen sollten. Wobei der vermeintliche Künstler in den letzten Jahren nie in Damaskus oder Aleppo gewesen ist, und jeder, der dort war, wie zum Beispiel die Karin Leukefeld, genau weiß, dass die Menschen dort Plastikplanen über die Straßen hängen, um Kugeln zu fangen; wohingegen die Busse, (auf dem den „Künstler“ inspirierenden Presse-Foto) dekoriert mit der Flagge einer Terror-Organisation (2), die in den deutschen Medien in der Regel abgeschnitten wurde, damit sie nicht identifiziert wird, diese Busse wurden dort als Barrikaden, als Schießscharten benutzt. Doch das ist für unsere Lügenpresse und ihren gläubigen Zensursenator natürlich kein Thema.

Was für ein NATO-höriger Atlantikbrückengänger!

Und dass sich die Menschen in Frankreich, in England darüber aufregen, dass mit Mitteln des Kultursenats Berlin in Kreuzberg so genannte Bilder von „Märtyrern“ ausgestellt werden, und dabei tatsächlich ein veritabler Attentäter des Bataclan-Attentats in Paris als „Märtyrer“ präsentiert wird (3), das stört unseren NATO-hörigen Atlantikbrückengänger Lederer natürlich überhaupt nicht.

Wir können ihm zwar dankbar sein, dass er dieser Veranstaltung eine solche, von uns nicht zu bezahlende Publicity verschafft hat; wir können ihm auch dafür dankbar sein: ich habe ja jahrelang darauf gewartet, dass endlich diese Zensurbemühungen von „antideutschen“ Stoßtrupps, von zionistischen Propaganda-Einheiten gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung, z.B. auch von antizionistischen Juden in Deutschland, endlich mal auf Widerstand stoßen. Jahrelang haben wir vergeblich gewartet, jetzt sehe ich gewisse Zeichen der Hoffnung, dass sich dieses Blatt wendet. Und dazu trägt auch bei, dass bestimmte Typen und Schreiberlinge im Vorfeld und begleitend zur heutigen Veranstaltung nochmal so richtig ihre – pardon – Hose runtergelassen haben.

Ich meine den Bommarius von der „Frankfurter Rundschau“, einst vom Antifaschisten, dem Lagerältesten des Judenblocks im KZ Buchenwald, Emil Carlebach mitbegründet, Bommarius bemüht sich heute, dem Diether Dehm ans Zeug zu flicken, weil der behauptet, seit 1933 ff ist der Begriff „Antisemitismus“ untrennbar mit dem Massenmord verbunden. Daraus macht Bommarius: „Sollten Juden eines Tages wieder gezwungen werden, mit einem gelben Stern durch die Straßen zu laufen, könnte Dehm darin keinen Antisemitismus erkennen, selbst Konzentrationslager erregten in ihm keinen einschlägigen Verdacht.“ (4) Weil – das sei ja noch kein Massenmord. Dabei ging es Diether Dehm mit diesem Satz nur um Eines: Dass nämlich die Trivialisierung des Begriffs Antisemitismus für jeden Scheiß – pardon, für jede Kritik an der israelischen Regierungspolitik, ein Freispruch für den mörderischen Judenhass, für die Judenvernichtung vor 1945 bedeutet, und deshalb man diesen Begriff nicht verplempern darf, nur um den Schwerverbrecher Netanjahu und seine Kompanie freizusprechen. Darum ging es.

Es wird dem Ken Jebsen und anderen, auch in der „jungen Welt“ vorgeworfen, sie würden „links“ und „rechts“ einebnen, gleichsetzen, „links“ oder „rechts“ sei ihnen egal. Dazu will ich sagen. Ich setze „links“ und „rechts“ nicht gleich, mir ist die historische Entstehung bewusst: „links“ war immer gegen die Privilegierten, gegen die Machthaber, gegen den Krieg etc. Ist das heute bei der Betrachtung der Wirklichkeit, wie wir sie erleben, aber noch zu erkennen? Wo ist denn „links“ und „rechts“? Ist es denn besser, Bomben auf Belgrad, geworfen von SPD- und Grünen, als wenn es Rechte machen täten? Oder umgekehrt gefragt: Sind dann Schröder und Fischer und Scharping denn überhaupt noch links?

Was für ein verbrecherischer Satz!

Von daher stellt sich die Frage – echte Kriegsgegner sind für mich persönlich natürlich links, aber wenn ein Peter Gauweiler von der CSU gegen diesen Krieg war, ja, mit und in seiner Partei ist er natürlich rechts; und wenn der Willy Wimmer z.B. entschieden gegen die NATO-Politik auftritt, wenn er sagt, „Panzer vor die Tore der leidgeprüften Stadt Leningrad zu platzieren, ist das Perverseste, das man sich in Europa vorstellen kann“ (5), – dann ist der Mann weiterhin in der CDU, aber was bringt uns in der praktischen Bündnisarbeit diese schwachsinnige Unterscheidung? Und genau in diesem Sinne meint – meiner Ansicht nach und nach meinen Gesprächen – auch Ken Jebsen diese Frage „links oder rechts“, aber Bratanovic und Carlens schreiben heute in der „jungen Welt“: Für Jebsen sei der Unterschied zwischen Faschisten und Antifaschisten also ein rein konstruierter, sei für ihn also egal. Wie verkommen oder wie bescheuert muss man sein, um so einen verbrecherischen Satz hinzuschreiben? Das gehört alles zu „Fake News“.

Dazu gehört natürlich auch die Frage: Hier sind alles „Trump-Fans“ – das konnte man schon in einer Bemerkung des Chef-Kommandanten der „jungen Welt“ vor vierzehn Tagen lesen, und genauso wird ja die Arbeiterfotografie und andere der „Trump-Fanschaft“ geziehen. Ich sage: Auch das gehört in das Kapitel „Fake-News“. Dass wir einen US-Präsidenten für besonders bejubelnswert halten, das habe ich ehrlich gesagt in meinem ganzen politischen Leben noch nie erfahren; aber wenn ein angeblicher Linker wie der Clinton die Bomben wirft, und andererseits dann der George Bush sen. Bomben wirft, und der George W., sein Sohn Bomben wirft, und der Obama Bomben wirft, dann waren sie alle aus verschiedenen Parteien, aber sie waren alle aus der Kriegspartei. Mir geht es da eher so wie Willy Wimmer, der hat gemeint, die Welt, in der wir leben, sei „vom politischen Wahnsinn geprägt“, weil der US-Präsident sagte, er wolle bessere Beziehungen zu Russland, scheiterte er am parteiübergreifenden Establishment. Und Wimmer folgert noch: dass in den USA nur bejubelt würde, wer den Krieg will.

Und insofern hat Wimmer auch damals nach der Präsidentenwahl „eine Flasche Sekt geöffnet“, nachdem der Trump gegen die Clinton gewonnen hat: „Ich war so erleichtert, wie lange nicht in meinem Leben, denn ich hatte heute Morgen das Gefühl, diese Wahlentscheidung bewahrt uns vor dem großen Krieg.“ (6) Und in diesem Sinne hat auch Ken Jebsen diese Wahlentscheidung begrüßt. Und in diesem Sinne hat sich gerade eben vor vierzehn Tagen die Schauspielerin Susan Sarandon geäußert, sie sagte „Hätten wir die Clinton gewählt, wären wir schon im Krieg“. (7)

Das sind offensichtlich die Dinge, die unsere mehr oder weniger „Linken“ von der „Kinder-FAZ“ oder von der „Kinder Welt“ nicht zur Kenntnis nehmen, weil ansonsten müssten sie mit aller Kraft für die Kriegsverhinderung eintreten, und nicht die publizistische Kompanie der NATO-Kriegstreiber spielen, was sie zumindest objektiv tun.

In diesem Sinne wünsche ich, dass Ken so weiter macht, aber insbesondere Ihr so weiter macht: dass wir uns bei Rosa und Karl auf dem Weg zu den Gräbern im Januar genauso treffen, wie im Juni bei der nächsten Kampagne „Stopp Airbase Ramstein“ und bei entsprechenden Veranstaltungen.

Vielen Dank.


Klaus Hartmann ist Bundesvorsitzender des Deutschen Freidenker-Verbandes.

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