Nawalny versus Assange, oder die Geopolitik der selektiven Empörung Von Thomas Scripps

„Kra)-walny hat das peinliche Schmierentheater endlich beendet

Bild:Left: Alexei Navalny (Wikimedia Commons), Right: WikiLeaks founder Julian Assange [Credit: AP Photo/Matt Dunham]

Nawalny versus Assange, oder die Geopolitik der selektiven Empörung
Von Thomas Scripps

Nawalny vs. Assange – wie mit selektiver Empörung Geopolitik gemacht wird

21. 04. 2021

Die Herzen der politischen Führer in den Vereinigten Staaten und ihrer imperialistischen Verbündeten bluten für den inhaftierten russischen Oppositionsführer Alexei Nawalny. Er wurde am 2. Februar nach seiner Rückkehr aus Deutschland verhaftet, wo er wegen eines angeblichen Giftanschlags durch den russischen Staat in einem Krankenhaus behandelt wurde. Jetzt sitzt Nawalny im Straflager ein und ist seit Anfang April in einen Hungerstreik getreten.

Die Empörung über Nawalnys Haft und seinen kritischen Gesundheitszustand ist ein Musterbeispiel für imperialistischen Zynismus und Intrigen. Dieselben Politiker, die jetzt voll Inbrunst Nawalnys demokratische Rechte einfordern, verfolgen seit Jahren in viel brutalerer Weise den WikiLeaks-Gründer Julian Assange.

Links: Alexei Nawalny (Wikimedia Commons), Rechts: WikiLeaks-Gründer Julian Assange (AP Photo/Matt Dunham)

Die beiden Männer haben rein gar nichts gemeinsam – und der Vergleich fällt nicht zu Gunsten Nawalnys aus.

Assange ist ein heldenhafter Journalist, der eine führende Rolle bei der Aufdeckung einiger der schlimmsten imperialistischen Verbrechen des 21. Jahrhunderts gespielt hat – von den vertuschten Gräueltaten bei der brutalen Besetzung des Irak und Afghanistans bis hin zu US-Folterlagern und außerordentlichen Überstellungen.

Nawalny ist ein rechter nationalistischer Politiker, der Migranten aus dem Kaukasus als „Kakerlaken“ bezeichnet, die man töten sollte. Er vertritt einen Flügel der russischen Oligarchie, der sich gegen Präsident Wladimir Putin und für eine stärkere Öffnung Russlands zum westlichen Imperialismus ausspricht.

Dieser Unterschied erklärt, warum sie völlig gegensätzlich behandelt werden.

Die Arbeit des WikiLeaks-Gründers befeuerte die weltweite Antikriegsstimmung und trug zum Ausbruch von Volksaufständen in Tunesien und Ägypten bei. An Assange wird ein Exempel statuiert. Er soll für den Schaden büßen, den er den imperialistischen Interessen zugefügt hat. Die gleichen Interessen stehen hinter der Unterstützung für Nawalny, der sich den Imperialisten als Gehilfe bei der Verwirklichung ihrer Russlandpläne anbietet.

Alle Behauptungen von US-Präsident Joe Biden, dem britischen Premierminister Boris Johnson und ihresgleichen, sie würden Nawalny aus humanitären Gründen unterstützen und gegen Assange aus rechtlichen Gründen vorgehen, fallen in sich zusammen, wenn man den ungleichen Umgang mit beiden Gefangenen betrachtet.

Assanges Verfolgung begann vor mehr als zehn Jahren, als Schweden eine politisch motivierte Untersuchung wegen angeblicher sexueller Übergriffe in Gang setzte, damit er ausgeliefert werden kann. Schweden wäre nur ein Zwischenstopp auf dem Weg in die Vereinigten Staaten gewesen. Assange war 2012 gezwungen, politisches Asyl in der ecuadorianischen Botschaft in London zu suchen, wo er von der britischen Polizei rund sieben Jahre lang willkürlich festgehalten wurde.

Seit seiner illegalen Verhaftung im April 2019 sitzt er im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh in Untersuchungshaft, unter dem Vorwand einer Kautionsverletzung von 25 Wochen. Die USA haben über ein Jahr lang versucht, eine Auslieferung zu erzwingen, was aus gesundheitlichen Bedenken im Januar richterlich abgelehnt wurde. Seitdem bleibt er weiterhin Haft, während die USA in Berufung gegen die Gerichtsentscheidung gehen.

Die politisch motivierte Verfolgung Assanges ist eine einzige Abfolge von Verstößen gegen gesetzliche und demokratische Rechte, flankiert von einer Verleumdungskampagne. Weltweit haben Medien und pseudolinke Gruppen versucht, seinen Namen durch den Dreck zu ziehen und ihn psychisch zu zerstören.

Sollte Assange an die USA ausgeliefert werden, droht ihm eine Strafe von 175 Jahren unter dem Espionage Act.

Alle Regierungen rund um den Globus haben sich hinter diese imperialistische Verschwörung gestellt. Assange, der von Biden als „Hightech-Terrorist“ denunziert wurde, müsse sich „vor Gericht verantworten“, so der britische Premier Johnson. Der deutsche Regierungssprecher Steffen Seibert brachte die Haltung der europäischen Mächte 2019 auf den Punkt, als er bei einer Pressekonferenz erklärte, der Fall Assange „ist eine Angelegenheit, die nicht deutsches Regierungshandeln betrifft und jetzt ganz und gar in den Händen der britischen Justiz liegt“. Auch Assanges Heimatland Australien wusch seine Hände in Unschuld.

Im Gegensatz dazu entdeckte diese Verbrecherbande auf wundersame Weise ihr demokratisches Feingefühl, als Nawalny in diesem Jahr verhaftet und zu zwei Jahren und acht Monaten Straflager verurteilt wurde. Er war ebenfalls wegen eines Verstoßes gegen Bewährungsauflagen im Zusammenhang mit einem Urteil von 2014 wegen Veruntreuung festgenommen worden.

Johnson lobte den „tapferen“ Nawalny und erklärte, dass das russische Gerichtsurteil „die grundlegendsten rechtlichen Standards nicht erfüllt“. Der nationale US-Sicherheitsberater Jake Sullivan verurteilte die „Menschenrechtsverletzungen“. Merkels Sprecher sagte, das Nawalny-Urteil sei „fernab jeder Rechtsstaatlichkeit“. Der französische Präsident Emmanuel Macron erklärte, „die Achtung der Menschenrechte wie die demokratische Freiheit sind nicht verhandelbar“.

Besonders scharf verurteilten sie den „ungeheuerlichen Angriff auf sein Leben“, als Nawalny angeblich von russischen Geheimdiensten vergiftet wurde. Sie schwiegen hingegen, als bei einer Untersuchung der spanischen Sicherheitsfirma UC Global, die die ecuadorianische Botschaft überwachte, ein Komplott der CIA aufgedeckt wurde, die Assange entführen oder vergiften wollten.

Seit sich Nawalnys Gesundheit aufgrund des Hungerstreiks verschlechtert hat, fordern die Politiker unablässig seine Freiheit und warnen, dass er in Lebensgefahr schwebt. Biden bezeichnete die Behandlung Nawalnys als „völlig unfair und unangemessen“, seine Regierung drohte mit „Konsequenzen“, falls er stirbt. Josep Borrell, der Hohe Vertreter der Europäischen Union für auswärtige Angelegenheiten, forderte: „Die russischen Behörden müssen ihm sofortigen Zugang zu medizinischen Experten gewähren, denen er vertraut.“ Ähnlich äußerte sich das britische Außenministerium in einer Stellungnahme: „Herr Nawalny muss sofort Zugang zu unabhängiger medizinischer Versorgung erhalten.“

Genau diese Forderung wurde von der Kampagnengruppe „Doctors for Assange“ und dem UN-Sonderberichterstatter für Folter, Nils Melzer, erhoben, aber von der britischen Regierung mit Verachtung quittiert. Assange wurde wiederholt eine Freilassung auf Kaution verweigert, obwohl seine psychische Gesundheit und sein Leben aufgrund der Pandemie ernsthaft gefährdet sind.

Die britische Richterin Vanessa Baraitser begründete ihre Entscheidung gegen seine Auslieferung an die Vereinigten Staaten damit, dass dies sein Leben gefährden und ihn in den Selbstmord treiben könnte. Die Biden-Regierung reagierte genau wie ihr Vorgänger Trump: „Wir bemühen uns weiterhin um seine Auslieferung.“

Die kriminelle Agenda der herrschenden Klasse wird von ihren bezahlten Lakaien in den Medien vorangetrieben. Sie haben eifrig Überstunden gemacht, um für Nawalny ein progressives Image zu erdichten, während sie Assange verrotten lassen.

Seit Januar hat der Guardian, Großbritanniens führende nominell liberale Zeitung, 78 Artikel und Videos über Nawalny veröffentlicht – über Assange hingegen nur 16, davon nur einer seit Februar. Der Guardian sprach sich erst im November 2019 in einem Leitartikel gegen die Auslieferung Assanges aus, nachdem er eine jahrzehntelange Hetzkampagne gegen ihn geführt hatte. Ansonsten folgten nur noch ein Leitartikel im Dezember 2020 und dann wieder im Januar dieses Jahres. Über Nawalny erschienen allein in diesem Jahr drei Leitartikel.

Amnesty International weigerte sich jahrelang, Assange als „gewaltlosen politischen Gefangenen“ anzuerkennen, war aber sehr schnell dabei, Nawalny diesen Status zu verleihen. Doch schon ein paar Monate später sah sich Amnesty wegen seiner vielen „Hassreden“ zu einem peinlichen Rückzug gezwungen. Auch Bernie Sanders, US-Senator der Demokratischen Partei, hat fast völliges Schweigen über Assange bewahrt. In einem einzigen Tweet gegen seine Anklage im Mai 2019 schaffte Sanders es sogar, den WikiLeaks-Gründer nicht namentlich zu erwähnen. Diesen Montag twitterte er aber: „Sagen wir klar, was hier passiert: Der Aktivist Alexei Nawalny wird von Wladimir Putin vor den Augen der Welt ermordet, weil er Putins immense Korruption aufgedeckt hat. Nawalnys Ärzte müssen sofort Zugang zu ihm erhalten.“

Phrasen wie „Menschenrechte“ und „demokratische Freiheit“ verwandeln sich im Mund von Sanders, Biden, Johnson und Konsorten in Staub und Asche. Ihre Unterstützung für den politisch dubiosen Nawalny ist eine kalkulierte Provokation gegen Russland. Sie wollen Nawalnys Schicksal als Vorwand nutzen, um ihre militärische Aggression gegen Moskau zu verschärfen. Assanges demokratische Rechte wurden im Einvernehmen aller Großmächte mit Füßen getreten, um jeden Widerstand gegen diese imperialistische Kriegspolitik zu unterdrücken.

Die internationale Arbeiterklasse ist die einzige soziale Kraft, die weltweit die demokratischen Rechte verteidigen kann. Das erfordert aber einen gemeinsamen Kampf gegen die imperialistischen Regierungen, ihren Handlanger Nawalny und die russische Oligarchie unter Putin. Im Mittelpunkt dieses Kampfs muss die Forderung nach der sofortigen und bedingungslosen Freiheit von Julian Assange stehen.

https://snanews.de/20210422/westen-gefangene-doppelstandards-1811271.html
22.4.2021
Der Werte-Westen bangt um einen russischen Hungerstreikenden – andere Gefangene sind ihm egal
Westliche, vor allem auch deutsche Medien sorgen sich in täglichen Meldungen und anklagendem Tonfall über den Gesundheitszustand eines verurteilten russischen Strafgefangenen. Andere Gefangene waren und sind sowohl dem Werte-Westen als auch Deutschland herzlich egal. Sie taugten und taugen nicht für antirussische Hetze, vermutet unser Kommentator.
von Andreas Peter

Der Kreml-Kritiker Alexej Nawalny verbüßt derzeit eine Haftstrafe in Russland. Gegen seine von ihm als ungerecht und Willkür empfundene Strafe und angeblich nicht angemessene medizinische Behandlung eines Rücken- und Beinleidens versucht er mit Hilfe eines Hungerstreiks zu protestieren. Er ist nicht der erste Häftling in der Geschichte, der dieses radikale, weil lebensbedrohliche Protestmittel gewählt hat. Er ist auch nicht der erste Häftling in der Geschichte, der sich als unschuldiges Opfer der Justiz eines oder seines Staates darstellt. Nawalny fordert, dass ihn Ärzte seiner Wahl behandeln und nicht das medizinische Personal seines Gefängnisses bzw. des russischen Strafvollzugsystems. Weiterlesen auf SNA

Zum gleichen Thema ein Standpunkt von Michael Lüders vom 10.03.2021
https://www.deutschlandfunkkultur.de/nawalny-und-assange-die-doppelmoral-muss-ein-ende-haben.1005.de.html?dram:article_id=493784

1 Kommentar zu Nawalny versus Assange, oder die Geopolitik der selektiven Empörung Von Thomas Scripps

  1. Die „selektive Empörung“ hat nun auch die Landeshauptstadt von NRW – Düsseldorf – erreicht. Wie die Printausgabe der „Rheinische Post“ am heutigen Donnerstag, 22.04.2021, berichtet, finden in naher Zukunft regelmäßig Demonstrationen und Mahnwachen für die Freilassung Navalny statt. Mit von der Party ist natürlich Jacques Tilly, eher bekannt als Karneval- „Wagenbauer“, der seit Jahren schon durch seine anti-iranischen und anti-russischen Karnevalswagen auffällt und somit ganz auf Linie der hiesigen Politik und Medien ist (Geld stinkt ja bekanntlich nicht!). Und einer dieser Wagen soll nun als Unterstützung für die in Düsseldorf stattfindenden Demos und Mahnwachen herhalten. Die Politik und Medien wird’s freuen, das dadurch offen die Unterstützung für einen rechtsextremen oder zumindest für einen, der Kontakte bis in hohe rechtsextreme Kreise i.d. Ukraine hat, zutagstritt, scheint niemanden zu interessieren, weder die dubiosen Gestalten, bzw. die Initiatoren, die sich selbst als „Freies Russland“ bezeichnen noch die Stadt Düsseldorf und erst recht nicht Jacques Tilly.

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