Norman Finkelstein – Israels Invasion in Gaza Buchbesprechung

Norman Finkelstein – Israels Invasion in Gaza –

Buchbesprechung

Der Nautilus Verlag veröffentlichte 2011 ein Buch, welches im Jahr 2018, also fast acht Jahre nach Erscheinen, in seiner analytischen Schilderung Israels grundsätzliches Vorgehen, heute ebenso Gültigkeit hat.

Einleitend lautet es in Prof. Dr. pol. Norman G. Finkelsteins vortrefflichen Buch, dass die verzweifelte Lage „in der Gaza sich heute befindet, sind viele Gräueltaten vorausgegangen“ und entspricht der erschütternden Wahrheit. Abermalig die seit dem 30. März 2018 gegen Palästinenser vollzogenen Kapitalverbrechen „von denen die meisten außerhalb Palästinas längst vergessen sind“, bei der zur deutschen Schande, diese im etablierten Medienbetrieb überhaupt auch nur ansatzweise zur Kenntnis genommen wurden.

Der Politikwissenschaftler Norman Finkelstein legt mit wissenschaftlicher Kraft und genauso kraftvollem Herzen, die -auch- im Jahr 2008 erfolgten israelischen Daueraggressionen gegen Gaza dar. Die durch Israel kontinuierlichen Provokationen, so durch das israelische Militär, das am „3. November Chan Junis [Ortsteil von Gaza] einnahmen“ und „dort Hunderte palästinensische Flüchtlinge und Ortsansässige“ erschossen. Sein Bericht >>Israels Invasion in Gaza<< zeigt klar auf, wie sehr Israel einen Grund für die bereits geplante Militärattacke mit Einmarsch vom 27. Dezember 2008 forcierte, um auf internationaler Bühne eine hervorragende PR-Maschinerie zu fahren. So wurden aus selbstgebauten „Kassam-Raketen“, ein schwerer Hamas-Beschuss aus Gaza behauptet, gegen den sich Israel und seine geängstigten Bürger schützen musste. Das Massaker „Gegossenes Blei“ (Cast Lead, hebr.: Miwtza Oferet Jetzuka) konnte in der Welt als „Recht auf Selbstverteidigung“ vermarktet werden. Israel konnte die Waffenruhe am 4. November 2008 -endlich- als gebrochen vermelden, nachdem israelische Streitkräfte „sechs militante Palästinenser durch Luftangriffe und andere Anschläge getötet hatten.“

Der Grund des abermaligen Überfalls auf Gaza, so ist ebenfalls in der mittlerweile zur Pflichtlektüre gewordenen Bericht zu erkennen, wie international bekannt, die Schmach, ja das PR-Desaster und militärische Niederlage, welche Israel mit dem Bombardement des Libanon 2006 einfuhr. Die militärisch Reputation galt es wieder aufzurichten. Es musste ein Exempel her, und Gaza lag nahe. Ein weiterer Grund war, nachdem durch die unter Palästinensern in den besetzten Gebieten durchgeführte demokratische Wahl klarer Sieg der Hamas, den unliebsamen Wahlsieger als keinen Gesprächspartner zu verunglimpfen, um so eine weitere „Zwei-Staaten-Lösung“ vollständig auf Eis zu legen.

Gleich zu Beginn des vorliegenden Berichts wird auf die bestehenden israelischen Repressionen und Taktiken wie Ausgangssperren, Wasser- und Stromsperren, Verweigerung von Lebensmitteltransporte & wirtschaftliche Strangulierung, nächtliche Hausüberfälle, Entführungen, und gleichermaßen äußerste Gewalt, wie sie auch durch Ariel Sharon verhängt wurden, hat seinen Grund in der Dehumanisierung der Palästinenser. Der Faktor der psychologischen Erniedrigung, der dauerhaft gehaltenen Entwürdigung, dabei aber von Palästina/den Palästinensern weitere, und abermals weitere Zugeständnisse abfordern, ist selbstredend ein tribalistisches Nebenprodukt israelischer Politik. Zurecht spricht Finkelstein vom „albernen Friedensprozess“.

Jedweden „zivilen Widerstand“ zu brechen, unterdessen die israelische Armee mit Hausabrisse, diese setzte „Planierraupen ein, um breite Schneisen in die Flüchtlingslager […] zu schlagen.“, dadurch aber die Zurückhaltung der Hamas zu überreizen. Folglich, so erschütternd es klingt, gleich der deutsch-faschistischen Behauptung des „polnischen Überfalls auf den Sender Gleiwitz“ einen Kriegsgrund zu schaffen.

Auch dieses Finkelstein Buch ist hervorragend

Auf 220 Seiten, in 6 Kapitel und 550 Hinweisnoten gibt der international renommierte Wissenschaftler die im Besonderen in den westlichen Medien bewusst verschwiegene, oder aber ideologisch umgemünzten Fakten zu Israels Modus operandi.

Es wurden durch Israel bereits 2008 Gaza und alle seine Bewohner als „Infrastruktur des Terrorismus“ propagiert. Auf der tiefergehenden Ebene zeigt dies ebenfalls, so weißt Finkelsteins brillante Analyse auf, dass Israel Palästinenser, im Besonderen die unter Dauer-Totalblockade stehenden Gazaner in ihrer Zivilgemeinschaft nicht als Menschen betrachtet. Rechtfertigungen zur gezielten Tötung von Palästinenser sind grausamer Alltag, und so erweist Israel selbst durch bekannte Aussage, dass alle Palästinenser potentielle Terroristen seien, dass wirklich jeder Palästinenser zur Tötung freigegeben ist.

„Zwischen dem 1. Januar und dem 26. Dezember 2008 töteten israelische Sicherheitskräfte 455 Palästinenser, von denen mindestens 175 nicht an Kampfhandlungen beteiligt gewesen waren“ heißt es im Buch.

Der Autor legt verifizierte Zahlen vor, das Buch ist ein zweifelsfreier, in sich geschlossener Bericht, der auch auf den Goldstone-Bericht verweist, auch wenn sich R. Goldstone, mutmaßlich durch persönliche „Erörterungen von israelischen Gesandten“ von seinem Bericht distanzierte.

Zwischen dem Beginn des Raketenbeschusses durch die Hamas im Jahr 2001 bis zum Januar 2009, 21 israelische Todesopfer zu beklagen waren. Zwischen 2005 und Januar 2009 durch die israelische Armee 1250 Palästinenser allein in Gaza [!] getötet wurden. Unter den Ermordeten befinden sich 220 Kinder.[1]

Norman Finkelstein erinnert in Hinsicht auf Massaker „Gegossenes Blei“ bewusst daran, dass gegen Palästinenser „Scharfschießen, Anschießen, Prügel, Massenverhaftungen, Folter“ sowie „Haft ohne Anklage und Prozesse“ bereits 1987 zur Zeit der ersten Intifada erfolgten. Dies zu wissen, und auch die Bedeutung dieser ganzheitlichen Strangulierung fremden Lebens zu verstehen ist bedeutsam. So zeigen sich die militaristischen Verhaltensmuster israelischer Einheiten heute identisch zu denen von vor 31 Jahren.

Von menschlichen Schutzschilden und Hasbara (Kpt. 4)

Beim Lesen wird folgendes deutlich: Provokationen, von Diskriminierung bis zu gezielten Hinrichtungen durch IDF-Bedienstete, braucht und sucht Israel. Finkelstein deutet auf das auffällige Verhalten des israelischen Staates hin, wie es Gründe zur gezielten Eskalation produziert, um für das „politische Establishment“ die „armseligen Rechtfertigungen“ zu servieren, die auch in Deutschland verbreitet werden, trotzt, oder gerade weil der „wachsende Berg von Menschenrechtsberichten“ vorliegt.

Während unabhängige Berichte von Organisationen, Journalisten, Beobachter, Wissenschaftler, Zeugen, Opfer und Hinterbliebene Zeugnis geben, so entblößt sich Israel mit Behauptungen, dass Aussagende „allzu oft zu voreiligen Schlüssen“ gelangt seien. Auf die lapidaren bis grotesken Stellungnahmen der israelischen Regierung, „dass die israelischen Soldaten in Sachen völkerrechtliche Pflichterfüllung intensiv geschult worden“ seien, wird verwiesen.

Hier muss ich als erschütterndes Beispiel der gezielten Tötung von Palästinenser, auch aus der näheren Vergangenheit, an Ibrahim Abu Thurayya erinnern! [sic]
Auch: „Die israelische Armee“, so wird der IDF-Generalstabschef G. Aschkenasi zitiert „hält sich strikt an das, was nach dem Völkerrecht erlaubt ist, und setzt keinen weißen Phosphor ein.“ (S. 38) Weltweit bekannt, der Weiße Phosphor-Beschuss einer UN-Schule während der Operation „Gegossenes Blei“.

Das Buch merkt die Relation israelischer Militärübermacht zum unbewaffnete Arm der Kampfgruppen in Gaza an. Der geradezu „lächerliche Raketenbeschuss“ aus Gaza bewirkt allein, dass Israel somit auf der PR-Basis freies Schussfeld hat.

Natürlich geht der mitreißender Bericht, dieses vorzügliche Buch darauf ein, dass der rudimentär bewaffnete Arm in Gaza sich zur Wehr setzt, obwohl er doch weiß, dass die israelischen Attacken zu noch mehr Tötungen gegen Gaza, gegen Palästinenser führen. Beim nochmaligen Lesen des Buches erinnerte ich mich an Berichte über den Aufstand im Warschauer Getto. Die Getto-Häftlinge wehrten sich im April 1943 gegen ihre beschlossene Deportation und Hinrichtung. Die Getto-Insassen wehrten sich gegen ihre Hinrichtung!

Beeindruckend an diesem Faktenbuch ist, dass Finkelstein auf die weltweit bekannte israelische Taktik der Verzögerung, Verschleppung und Gesprächsabbrüche verweist. Unterdessen erfolgen israelische Provokationen, um die Hamas und oder Einzelpersonen zur Gegenwehr anzustacheln. Unterdessen, das Buch belegt es glänzend, die Palästinenser zu „erheblichen Zugeständnisse“ weiter genötigt werden, immer wieder durch Israel und ihre Vermittler und Systempartner erniedrigt, zu weiteren Geständnissen ja wahrhaft gedückt werden.

Und das Buch klärt auf, und hier ist ein bemerkenswerter, ausnehmend wichtiger Punkt zu verstehen, weshalb seit der nicht mehr personellen Belagerung des Gaza-Streifens, gleichwohl um so härter abgeriegelt, seit dieser Zeit Israels Regenten nicht mehr mit der PLO und oder solitär mit der Fatah „Verhandlungen“ führen, sondern die Hamas als Gesprächspartner negieren.

Norman Finkelstein, der Humanist von beispielhafter Größe, ist ein hervorragender Kenner, Analytiker, bemerkenswerter Wissenschaftler und Autor. Als Student von Noam Chomsky erfuhr auch er, wie bspw. Ilan Pappe oder Moshe Zuckermann, dass in Deutschland der philosemitische Antisemitismus aus den etablierten Reihen ganz schnell aufkocht, sobald auch und im Besonderen Juden die Stimme zur Vernunft erheben, Aufklärung geben, ja freie Meinungsbildung einbringen, dass eben das, was in Deutschland als Judentum vermarktet wird, nur Zionismus ist.

Norman Finkelsteins Buch >>Israels Invasion in Gaza<< stellt ein analytisches Standardwerk dar mit klarer und mit ebenso brillanter Sprache löst er die Perfidität der israelischen Akteure auf, zeigt so deutlich, dass seit dem israelischen Massaker 2006, die nach dem libanesischen Städtchen Dahya, benannte Doktrin, so viel Gewalt, so viel und unverhältnismäßig hohe Gewalt, mit der radikalen Zerstörung palästinensischer Marginalstrukturen und Versorgungseinrichtungen einhergeht.

Der vorliegende, gar nicht nüchterne, gleichfalls sachliche Bericht ist für alle die, die sich mit dem sogenannten „israelisch-palästinensischen Konflikt“ ernsthaft beschäftigen wollen bindend. Folgerichtig Menschen mit Vernunft und Herz, gleich dem Autoren, für Menschenrechte, endlich und zwar auch für Palästinenser zu arbeiten. Finkelstein stellt dar in welch eklatanten Missverhältnis die israelische Militärübermacht gegenüber der geradezu lächerlichen Bewaffnung von Widerstandskämpfern in Gaza steht. Seine Arbeit ist zum Verstehen Israels Politik zweifellos Pflichtlektüre. >>Israels Invasion in Gaza<< verweist auf Berichte von Breaking the silence, B`Tselem, Gideon Levy, International Crisis Group, Tom Segev, Ziv Berel; um nur einige zu nennen.

Dieses Buch ist hervorragend! Die daraus folgende Einsicht beim Leser ist selbstredend. Wer die Arbeit des bewundernswerten Norman Finkelstein ansatzweise kennt, der fühlt im Herzen die erfahrene Einsicht. „Die Bewohner und Bewohnerinnen im Gaza-Streifen – übrigens mehr als die Hälfte der Bevölkerung dort sind Kinder und Jugendliche – brauchen unsere moralische und aktive Unterstützung, damit sie ihre Freiheit gewinnen.“[2] Es geht „darum, mitzuhelfen beim Zerreißen der dem palästinensischen Volk angelegten Ketten.“

[1] Bilderdokumentation über Offensive „Gegossenes Blei“: https://nevercastleadagain.wordpress.com/in-pictures/
[2] Evelyn Hecht-Galinski; >>Das 11. Gebot – Israel darf alles<< (TZ-Verlag)

Eine Buchbesprechung von Fariss Wogatzki; Autor von „Möge keiner sagen, er hätte es nicht gewusst!“ mit einem Vorwort von Evelyn Hecht-Galinski (Zambon Verlag 2017/2018)

https://faresfalastin.wordpress.com/



	

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