Rede auf der Mahnwache in Karlsruhe am 25. Oktober: #Deutschland – wohin geht die Reise?

Als mich eine junge Deutsch/Palästinenserin fragte, ob ich nicht zu dieser Demonstration verschiedener Mahnwachen aus diesem Raum, also aus Baden Württemberg, meinem Heimat-Bundesland kommen würde, sagte ich spontan zu. Als dieser Termin feststand, freute ich mich auch, dass Ken Jebsen und Pedram Shayar dabei sein würden. Nun sind wir also alle hier und fragen uns jeder auf seine Weise: Wohin geht die Reise?

EvelynKarlsruhe

Wofür stehen Sie, wir hier? Für Frieden, für den sind wir alle! Aber was und welche konkreten Ziele vertreten Sie auf diesen Mahnwachen? Ich jedenfalls habe ein Ziel und verfolge das seit vielen Jahren, ich möchte nicht mehr diese schreckliche Außenpolitik, speziell gegenüber dem „Jüdischen Staat“ Israel mittragen! Oder noch schlimmer – für diese Politik in Mithaftung genommen werden!

Für mich persönlich sind diese Friedensmahnwachen immer noch etwas fremd, obwohl ich an Berlin, wo ich auf dieser Wahnsinns-Demo eine Rede hielt, eine wunderbare Erinnerung habe. Damals, am 19. Juli in Berlin, war der schreckliche Gaza-Völkermord der „Jüdischen Verteidigungsarmee noch in vollem Gange, und es war mir ein großes Anliegen, für Solidarität mit dem hilflosen und abgeriegelten Volk im Konzentrationslager Gaza einzutreten

Heute, drei Monate später, hat sich die Situation für die eingesperrten Menschen in Gaza nicht zum Besseren gewendet, nein, die Menschen leben dort in den Trümmern ihrer von der „Jüdischen Verteidigungsarmee“ zerstörten Existenzen. Über 2100 Palästinenser wurden ermordet, über 550 Kinder, traumatisierte Waisen und Überlebende in diesem Elend. Gaza ist wie vieles andere aus den deutschen Medien verschwunden.

Fast täglich werden Palästinenser von jüdischen „Verteidigungssoldaten“ verhaftet, oder schlimmer noch ermordet. Warum werden in deutschen Medien stets nur die Opfer auf der jüdischen Seite thematisiert, während palästinensische, von der jüdischen „Verteidigungsarmee“ ermordete Palästinenser unterschlagen werden? So wie auch die palästinensischen Jungen, 13- und 14-Jährige, die brutal von der „Jüdischen Verteidigungsarmee“ ermordet wurden! Oder was ist mit dem kleinen Mädchen, das von einem jüdischen Siedler überfahren und tödlich verletzt wurde? Ihre kleine Schwester wurde dabei lebensgefährlich verletzt!

Groß herausgebracht wird dagegen der angebliche Terroranschlag eines Palästinensers, der angeblich in eine Fußgängergruppe raste, wodurch ein jüdisches Baby getötet wurde. War es nicht in Wirklichkeit ein tragischer Unglücksfall, der aber leider von der Netanjahu-Regierung sofort dazu benutzt wurde, die Paläsinenser-Regierung in Haftung zu nehmen und harte Gegenmaßnahmen anzudrohen?

Ein ebenso trauriges Kapitel ist die Verlogenheit der deutschen Politik, wenn es um die Sicherheit des „Jüdischen Staates“ geht. Außenminister Steinmeier hatte völlig recht mit seiner Aussage: „Nicht nur mit Tun, sondern auch mit Unterlassen können wir uns schuldig machen“. Aber nach welchen Kriterien wird das von der Politik entschieden? Warum wurden keine Lazarettschiffe, oder andere humanitäre Hilfe in das abgeriegelte Gaza geschickt? War das nicht unterlassene Hilfeleistung, jenseits jedes zivilisierten Handelns?

Was passiert stattdessen? Deutschland liefert diesmal zwei Korvettenschiffe im Wert von einer Milliarde an den „Jüdischen Staat“, mit einem großzügigen Rabatt von 300 Millionen Euro, gesponsert von uns, den deutschen Steuerzahlern! Was könnte man mit 300 Millionen Euro alles machen, in Afrika zur Ebola-Bekämpfung beitragen, sie für die vielen Flüchtlingsströme benutzen, an denen auch wir eine Schuld tragen? Es gäbe jede Menge wichtiger Aufgaben für diese verschleuderten Gelder, stattdessen aber – nein – erneut wird der jüdische Staat von der schwarz-roten Koalition mit Geschenken für Völkerrechts und Kriegsverbrechen auch noch belohnt.

Dieser Deal ist eine weitere Aktion der Merkel- und Steinmeier-Freundschaftsabmachung mit den israelischen Freunden, nachdem der berüchtigte israelische Außenminister Lieberman und der israelische Finanzminister Lapid extra nach Berlin gereist waren, um mit beiden darüber zu verhandeln. Merkel hat also wieder einmal Israels Sicherheit als deutsche Staatsräson zur philosemitschen Herzensangelegenheit gemacht. Philosemitismus, also die übersteigerte Judenliebe, ist genauso verwerflich wie Antisemitismus. Ich weiß wovon ich spreche!

Ich wünschte, die Empathie hätte sie einmal für das Rückkehrrecht der Palästinenser und das Ende der Besatzung und Besiedlung Palästinas gewonnen. Aber Gaza und der Landraub, der ständige Siedlungsbau, werden einfach vergessen, genauso wie die Besatzung und Kriegsverbrechen. Dieses falsche und sehr teure Mitleid, das erneut auf uns Steuerzahler zukommt, empfindet sie leider nur, wenn es um die Ukraine geht, ein Land das laut Human Rights Watch nicht davor zurückschreckt, international geächtete Streubomben einzusetzen, so wie es Israel im Libanonkrieg und Kriegsgebieten vorgemacht hat.

Ich habe das ewige Putin- und Russland-Bashing satt, das die deutschen Medien in immer neue Höhen treiben. Dabei wird vergessen, was immer in Erinnerung bleiben sollte, nämlich das Elend, das die Russen durch uns erlitten haben, mit über 27 Millionen Kriegstoten. Deshalb bekenne ich, ich bin eine Putin-Versteherin und, ja, ich bin eine Russland-Versteherin und lehne Sanktionen gegen Russland vehement ab.

So wird gern der Faschismus und Antisemitismus in der Ukraine kleingeredet, den will man uns vorenthalten, während der Antisemitismus in Deutschland als neues Kampfwort instrumentalisiert wird, um so von anderen Dingen abzulenken. Es ist eben kein Antisemitismus, wenn junge Muslime, die mit ansehen müssen, wie ihre Brüder und Schwestern in Palästina ermordet werden, dagegen protestieren! Ich weiß, was Antisemitismus ist und möchte eben nicht, dass dieser Begriff zu einem inflationären Schimpfwort verkommt. Warum leben inzwischen schon über 30.000 Israelis in Berlin und emigrierten aus dem „Jüdischen Sonnenstaat“, warum kommen so viele israelische Touristen in das „so antisemitische“ Deutschland?

Der „Jüdische Staat“ wird also wieder als Garant der Stabilität gesehen und mit offenen Armen in der christlich/jüdischen Wertegemeinschaft aufgenommen und belohnt. Waffenlieferungen in Krisenregionen, warum nicht, wenn es um die Sicherheit Israels geht, dann wird uns dieses Geschäft noch als milliardenschweres wichtiges Geschäft für unsere angeschlagene Marineindustrie verkauft. Erst waren es die Dolphin-U-Boote, die wir Steuerzahler schon einmal mitfinanzieren durften, jetzt also die Korvetten, mit denen der „Jüdische Staat“ angeblich seine neuen Gasfelder im Mittelmeer schützen will.

Wie ist aber die traurige Wirklichkeit? Israel setzt seine Marine regelmäßig dafür ein, um besetzte Palästinenser von See aus zu beschießen, wie auch beim letzten Gaza-Massaker geschehen. Noch während dieses Massakers lieferten wir Rüstungsgüter in den „Jüdischen Staat“, als der Wirtschaftsminister vollmundig über weniger Waffenausfuhren unter seiner Regie prahlte! Demnächst werden Bundeswehrsoldaten zur „Tunnelkampf- und Häuserkampfausbildung in den „Jüdischen Staat“ geschickt – von Israel lernen, heißt Besatzung und Unterdrückung lernen. Vergessen wir nie: Wir haben eine Verantwortung gegenüber den Palästinensern, als letzte vergessene Opfer.

Außerdem erwägen das Bundesverteidgungsministerium und das Auswärtige Amt, Bundeswehr-Ausbilder ins nordirakische Erbil zu schicken. Diesmal sollen allerdings von Bundeswehrsoldaten kurdische Kämpfer gegen die sogenannte IS-Terrormiliz geschult werden, und natürlich soll das alles am Bundestag vorbei geschehen.

Afghanistan, Afrika, demnächst werden wir wieder überall dabei sein, ganz im Sinne von Gauck und Co. Wir sind wieder wer! Aber was sind wir in Wirklichkeit? Ein Vasall der US- Hegemoniepolitik, und wir die Bürger müssen draußen bleiben! Es ist furchtbar, wenn diese Springernde und Graumannisierende Republik (1) nicht endlich dagegen opponiert, und ich appelliere an Sie, mutiger zu sein, auch und gerade, wenn es um Kritik an den Verbrechen des „Jüdischen Staates“ geht.

Wir sind keine Antisemiten und lassen uns auch nicht dazu machen, nur weil wir aussprechen, was unausgesprochen bleiben soll, ganz im Sinne der jüdischen Lobby.

Ich weiß, wovon ich spreche und verabscheue es, wenn deutsche Politiker den Begriff Auschwitz instrumentalisieren, um ihre eigenen Ziele zu verfolgen. Die deutsche Außenpolitik sollte endlich unabhängig von USA- und NATO-Interessen nach demokratischen Richtlinien laufen, ohne die NATO-Ost-Erschleichung, ohne pastorale Kriegslaune und ohne grüne Bodentruppen.

Kurz und gut, was können wir von Deutschland aus tun?

Dass die Bundesregierung nichts gegen die Verletzung des Völkerrechts und der Menschenrechte durch den „Jüdischen Staat“ unternimmt, ist hinreichend bekannt. Aber wir haben eine starke Waffe – statt über unsere Hilflosigkeit zu lamentieren, sollten wir boykottieren. Die Internationale BDS-Bewegung (Boykott – Desinvestment – Sanktionen) ist weltweit aktiv und wirksam. In Deutschland lahmt sie allerdings noch etwas. Die Gegner jeglicher Boykottaufrufe kontern stets mit dem Totschlagargument „KAUF NICHT BEIM JUDEN“, um uns einzuschüchtern. Dieser Vergleich ist falsch, denn es geht darum, Waren aus dem jüdischen Besatzerstaat zu boykottieren, solange dieser das Land der Palästinenser raubt, eine Apartheidmauer durch palästinensisches Gebiet zieht, dort Siedlungen baut, Gaza als Ghetto abriegelt und ein ganzes Volk unter Besatzung und Demütigung hält.

Boykottmaßnahmen sind gewaltfrei und demokratisch, weil jeder und jede daran teilnehmen kann. Wer Vorbehalte gegen Boykottaktionen hat, sollte erklären, welche anderen wirksamen Maßnahmen und Aktionen sinnvoller sind, um internationales Recht durchzusetzen.

Ich zitiere den südafrikanischen Bischof Desmond Tutu: „Wenn du dich in Situationen der Ungerechtigkeit neutral verhältst, hast du dich auf die Seite der Unterdrücker gestellt!“

Ich hoffe, ich habe Sie kurz aufrütteln können, für ein gemeinsames Ziel, für das es sich lohnt zu demonstrieren, nämlich für Zivilcourage.


(1) Dieter Graumann ist seit dem 28. November 2010 Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland und seit dem 6. Mai 2013 Vizepräsident des Jüdischen Weltkongresses.


Reaktionen auf Evelyn Hecht-Galinskis Rede
Statt der im Vorfeld angekündigten Störung der Veranstaltung gab es viel Beifall für die Ansprache der Hauptrednerin Evelyn Hecht-Galinski. Die ganz überwiegende Zustimmung der ca. 350 Anwesenden kam auch in der positiven Reaktion auf den von mir erstellten Flyer zum Ausdruck, von denen über 300 Exemplare verteilt wurden. Der Flyer enthielt zwei NRhZ-Artikel mit der Laudatio von Peter Kleinert zur Verleihung des Kölner Karls-Preises an Frau Hecht-Galinski (nach Karl Marx so benannt) und der bescheidenen und tiefschürfenden Antwort der Geehrten. Dieser Flyer war ausdrücklich als Gegengewicht gegen die Herabsetzungen von Frau Hecht-Galinski gedacht.
Im Bericht der Badischen Neuesten Nachrichten (BNN), der Karlsruher Regionalzeitung, wird die Zustimmung sehr wohl gewürdigt. Kritik wurde dem BNN-Autor gegenüber an der Überschrift mit dem Begriff „Galinski-Auftritt“ geäußert. Das ist eine nicht zufällige Verfälschung des Familien-Namens. Ebenso wird ihr fälschlicherweise unterstellt, Kritik an den Veranstaltern wegen deren „Hang zum Populismus“ geübt zu haben. Tatsächlich hatte sie mit kritischem Unterton erklärt, dass ihr unklar sei, welche konkreten Ziele diese Friedensmahnwachen verfolgen.
Dem BNN-Autor wurde diese Kritik vorgetragen. Er erklärte, dass die Namensänderung nicht korrekt, aber von der BNN-Redaktion zu verantworten sei. Die Abänderung der Kritik an den Veranstaltern sah er als weniger gravierend an, sagte aber zu, die Bitte um Korrektur in beiden Punkten an die BNN-Redaktion weiter zu geben. Der vom BNN-Autor formulierten Kritik am namentlich benannten Karlsruher Mahnwachen-Häuptling kann ich voll zustimmen. Die Feststellung im BNN-Bericht, der Redner Ken Jebsen habe wegen antisemitischer Aussagen seine Anstellung beim RBB verloren, ist jedoch nicht korrekt. Tatsächlich hatte Jebsen gegen den RBB geklagt und sich außergerichtlich mit dem RBB auf Nichtfortsetzung des Arbeitsverhältnisses geeinigt. Über Details der Übereinkunft war Stillschweigen vereinbart worden. Es ist demnach nicht fair, lediglich den Arbeitgeber-Standpunkt zu verbreiten.
Das Video mit der Rede von Evelyn Hecht-Galinski, der BNN-Bericht, der Flyer und eine Bildcollage zu den drei RednerInnen Evelyn Hecht-Galinski, Ken Jebsen und Pedram Shayar können in meiner WebDoku unter Datum 25. Oktober nachgelesen werden: http://www.stattweb.de/files/DokuKITcivil.pdf

Dietrich Schulze

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