Schluss mit der deutschen Scheinheiligkeit und Doppelmoral!

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Kommentar vom Hochblauen  für Daily Sabah

AFP

Schluss mit der deutschen Scheinheiligkeit und Doppelmoral!

 Von EVELYN HECHT-GALINSKI

Ständig wird in Deutschland darüber diskutiert, wer dazu gehört und wer nicht. Wer integriert ist und wer nicht. Wer „unsere“ Werte vertritt und wer nicht. Dabei gäbe es doch viel wichtigere Probleme zu bewältigen – die wir nur alle zusammen lösen können.

Nehmen wir den Fall der beiden deutsch-türkischen Fußballspieler, Ilkay Gündoğan und Mesut Özil, beide in Gelsenkirchen geboren. Was war geschehen? Beide Spieler hatten es gewagt, sich während des Staatsbesuchs von Präsident Erdoğan in Großbritannien, mit ihm im Londoner Four Seasons Hotel zu treffen. Özil und Gündoğan überreichten Erdoğan Trikots ihrer englischen Vereine FC Arsenal bzw. Manchester City. Das führte zu einem politischen und medialen Erdrutsch, das seinesgleichen sucht. Beide Spieler wurde von DFB-Chef Grindel attackiert, er twitterte sofort, dass der Fußball und der DFB für Werte stehen, „die von Herrn Erdoğan nicht hinreichend beachtet werden“.

Hoppla dachte ich, der DFB und Werte? Hat nicht gerade der DFB keinerlei Berührungsängste, wenn es darum geht, sich mit Diktaturen gut zu stellen? Gerade das Fußballgeschäft sollte sehr vorsichtig sein, wenn es um den Begriff „Werte“ geht. Fisch stinkt immer vom Kopf her und es stinkt schon viel zu lange in diesem Geschäft. Wie sieht es denn aus, wenn deutsche Fußballfunktionäre und Vereine in den „Jüdischen Staat“ fahren und eine immer tiefere Verbundenheit pflegen? Zu einem zionistischen Besatzerstaat, der nicht davor zurückschreckt, viele junge Fußballhoffnungen aus Gaza gezielt in die Beine zu schießen, um so ihre Karrieren zu zerstören. Wie sieht es mit den „Werten“ aus, wenn sich der DFB dazu niemals kritisch äußert? Stattdessen unablässig die Freundschaft betont und auch vor Fotos mit israelischen Politikern nicht zurückschreckt? Im Gegensatz zu Netanjahu hält Erdoğan kein anderes Volk über Jahrzehnte besetzt und betreibt auch nicht das einzige Freiluftgefängnis in der Welt. Alles wird in Deutschland mit unerträglichen Doppelstandards behandelt. Wenn es Muslime und speziell Präsident Erdoğan betrifft, dann werden alle Schleusen des Hasses geöffnet.

Was ist denn so verwerflich daran, wenn sich deutsche Nationalspieler mit türkischen Wurzeln mit Präsident Erdoğan ablichten lassen? Der DFB irrt gewaltig, wenn er meint, dass „unsere“ beiden Spieler der Integrationsarbeit keinen Dienst erwiesen haben. Völlig falsch! Was gibt es besseres für die Integration, als wenn sich diese zwei Fußballidole mit dem türkischen Präsidenten treffen, und damit den türkischen Bürgern und Fans in Deutschland zu zeigen, dass sie, auch wenn sie für Deutschland spielen, stolz auf sie sein können? Ist dies etwa keine Integration? Übrigens, als die deutsche Bundeskanzlerin Merkel sich 2010, nach dem EM-Qualifikationsspiel gegen die Türkei, in Berlin zusammen mit Özil und dem in Polen geborenen Miroslav Klose fotografieren ließ, da war das ein Beispiel für Integration einer Nationalmannschaft. Niemand regte sich darüber auf. Aber Merkel war jetzt sofort mit dabei, als es um die Kritik an diesem Treffen ging. Sie ließ über ihren Regierungssprecher Seibert mitteilen, es sei eine Situation gewesen, die zu Missverständnissen einlud und beide hätten als Nationalspieler Vorbildfunktion. Tatsächlich haben die beiden diese „Vorbildfunktion“ mit Bravour gemeistert. Als sie dann auch noch vom deutschen Bundespräsidenten Steinmeier im Schloss Bellevue empfangen wurden, war der Proporz wiederhergestellt, was für ein peinlicher Sturm im Wasserglas.

Allerdings waren der Grüne Özdemir und die Linken-Abgeordnete Dagdelen auch wieder an vorderster Front, als es darum ging, die beiden Fußballer mit einem „Foul“ zu maßregeln – lassen diese beiden doch keine Möglichkeit aus, wenn es darum geht, gegen Erdoğan zu hetzen. Allerdings vermisse ich bei den Beiden die Kritik an Netanjahu und seinem Regime, dazu schweigen sie lieber!

Als Erdoğan und seine Frau zur Teestunde bei Königin Elisabeth im Buckingham Palast eingeladen waren und dieses schöne Bild der Privataudienz bei der Monarchin um die Welt ging, da regte sich niemand darüber auf – warum auch? Oder muss sie jetzt abdanken, weil sie ihrer königlichen Vorbildfunktion nicht gerecht geworden ist und gegen „britische Werte“ verstieß? Noch ein interessanter Punkt: Nach dem Putschversuch in der Türkei im Juli 2016 waren die Briten mit die ersten, die den Putsch verurteilten. Als dann noch Ministerpräsidentin May im Januar 2017 nach Ankara flog, um Solidarität zu zeigen, war das die richtige Reaktion. Präsident Erdoğan ließ May wissen, dass er diese Geste nie vergessen wird. Daran hätte sich die Empathie-arme Merkel ruhig einmal ein Beispiel nehmen sollen.

Das allerdings wirft die Frage auf, was gibt diese Kanzlerin für ein Vorbild ab, wenn sie damals Sanktionen gegen Russland unterstützte, weil Putin nach ihrem Wortlaut das Völkerrecht verletzte – aber das zionistische Besatzer Regime, das seit seiner Gründung 1948 das Völkerrecht mit Füßen tritt, mit Solidarität und dem Vorwand des „Rechts auf Selbstverteidigung“ unterstützt? Dabei aber jegliches Mitgefühl gegenüber den Palästinensern vermissen lässt. Wenn die Nato auch noch die neue Nato Eingreiftruppe von 30.000 Soldaten aufbaut, mit „führender Rolle“ für Deutschland, dann läuft es mir kalt über den Rücken runter. Hatten wir nicht schon einmal eine „Führer-Rolle“ gegen Russland?

Während Frau Merkel die Türkei dafür benutzt, dass sie uns mit dem Flüchtlingsabkommen die Flüchtlinge abnimmt, hat sie es auf der anderen Seite sehr gut verstanden, die Türkei sprichwörtlich draußen vor der Tür zu lassen, und einen EU-Beitritt zu verhindern. Merkel und ihre Doppelstandards – sind das die „christlichen-jüdischen Werte“, von denen sie immer so gern spricht?

Jerusalem – Gaza-Massaker und Iran-Konflikt

Mich hat es auch sehr beeindruckt, dass Präsident Erdoğan der einzige Staatsmann war, der handelte und nach dem Gaza-Massaker, ausgeführt durch die „zionistischen Verteidigungssoldaten“, die mit Scharfschützen gezielt unschuldige Palästinenser, auch Kinder und Frauen erschossen haben (129) und tausende verletzten, einen Sondergipfel islamischer Staaten (OIC) einberufen hat – auf dem er eine internationale Truppe zum Schutz der palästinensischen Bevölkerung forderte. Diese versucht verzweifelt auf ihr Elend im Konzentrationslager von Gaza hinzuweisen. Mit dem „Marsch der Rückkehr“ demonstrierten sie für ihr legales Rückkehrrecht, dass ihnen bis heute – obwohl legal – illegal verweigert wird. Während Juden aus aller Welt dieses Recht besitzen, so wie gerade der russisch-jüdische Oligarch Abramowitsch, der sofort nach seiner Ankunft in Tel Aviv die israelische Staatsbürgerschaft und Papiere überreicht bekam und dann wieder mit seinem Privatjet entschwand. Im Gegensatz dazu werden schwarze Flüchtlinge aus Afrika im „Jüdischen Staat“ als „Infiltranten“ bezeichnet, so wie kürzlich von Netanjahu – und werden entweder in Gefängnisse gesteckt oder ausgewiesen.

Mit dem völkerrechtswidrigen Umzug der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem hat sich die US-Regierung unter Trump, vollkommen einseitig und isoliert, auf die Seite des Netanjahu-Regime geschlagen. Was allerdings nichts an der Tatsache ändert, dass Jerusalem die ewige Hauptstadt Palästinas ist und bleibt!

Dann wäre da noch Trumps einseitige Aufkündigung des Atomabkommen mit dem Iran und die Ankündigung eines Boykotts – dies wird uns alle negativ betreffen.

Diese US-Willkür und Rücksichtslosigkeit ist eine gefährliche Entwicklung, der man sich mit allen Möglichkeiten widersetzen sollte. Trump hat uns alle in einen transatlantischen Trümmerhaufen gestürzt. Jeden Tag erwartet uns eine neue Bedrohung, die durch unseren„Verbündeten“ verursacht wird.

Wenn sich das Netanjahu-Regime damit brüstet, mit dem neu gelieferten, (einmalig in der Welt) US-F35 Kampfjets über dem Libanon und und sonst wo Flüge auszuführen, dann ist das ein weiterer Beweis für die Bedrohung und Kriegsgefahr, die von diesem aggressiven Staat ausgeht. Derweil wird in den USA darüber spekuliert, dem Nato-Mitglied(!) Türkei die Lieferung von 30 F-35 Kampfjets zu verweigern, deren Auslieferung eigentlich am 21. Juni erfolgen sollte. Wer wohl dahinter steckt?

Erdoğan hat vollkommen recht, wenn er das Vorgehen des Netanjahu-Regimes gegen die Palästinenser mit dem grausamen Vorgehen der Nationalsozialisten vor 75 Jahren gegen Juden vergleicht. Mich erinnern die fatalen Zustände in Gaza an die Schilderungen meiner Mutter über die Vorgänge im Warschauer Ghetto in Polen, das die Nazis damals betrieben haben. Diese Art von Gewalt, die von Israel ausgeht, definiert man als Völkermord – denn es ist eine ethnische Säuberung!

Voll zu unterstützen ist auch der Aufruf von Erdoğan zur Geschlossenheit der Muslime in aller Welt. Dies war ein Appell an die islamische Welt, endlich zu erwachen und sich gegen die Ungerechtigkeit zu erheben.

Mich macht es zutiefst besorgt, wenn sich heute wieder, angetrieben durch eine neue Rechte, in Deutschland vertreten durch die AfD, Ausländerhass und Islamhass breit macht, von dem natürlich primär die Muslime in unserer Gesellschaft betroffen sind. Während der AfD vorgeworfen wird antisemitisch zu sein – obwohl sie doch immer bekundet an der Seite der Juden zu stehen – ist doch das wirkliche Problem nicht der Antisemitismus in Deutschland, sondern die Islamophobie. Vor allem in Zeiten, wo ein Hetzer wie Böhmermann, der doch tatsächlich meint Satiriker zu sein, immer weiter auf Kosten der Gebührenzahler durch alle Instanzen dafür prozessieren kann, dass sein beleidigendes Gedicht nicht endgültig verboten wird. Dafür wird er dann noch mit Preisen und Ehrungen überhäuft und mit noch mehr Sendezeit belohnt.

Ganz im Gegensatz dazu, wird einer der angesehensten deutschen Karikaturisten, Dieter Hanitzsch, bei der Süddeutsche Zeitung nach jahrzehntelanger Zusammenarbeit rausgeworfen. Der Grund: Er hatte eine mehr als treffende Karikatur über Netanjahu verfasst, die sofort als antisemitisch diffamiert wurde – obwohl rein politisch. Während auf der anderen Seite Charlie Hebdo und dänische Mohammed Karikaturen, die klar islamfeindlich und hetzerisch sind, medial gefeiert werden – oder eine feministische Islam und Kopftuch Feindin wie Alice Schwarzer umschmeichelt und für ihre anti-islamischen Ausfälle und Bücher auch noch mit Preisen überhäuft wird. Ich protestierte gegen die Gutedel-Preisverleihung im badischen Müllheim an sie, worüber sie sich enorm aufregte – wenigstens etwas. Ich empfehle dazu auch meine Hochblauen-Website, die alle diese Themen immer aktuell aufgreift.

Merke: Wenn die Israel-Lobby „zweimal klingelt“ und vor der Tür steht, dann stehen die deutschen Medien und Politiker stramm – fast gleichgeschaltet.

Gedenken an den Brandanschlag von Solingen 1993

25 Jahre nach dem schrecklichen und mörderischen Brandanschlag von Solingen, wo von Hass getriebene vier junge Solinger Rechtsextreme fünf türkische Frauen ermordeten – nachdem sie ihre viel zu kurzen Jugendhaftstrafen verbüßt haben, sich längst wieder in Freiheit befinden, ohne jemals eine Spur von Reue für ihre Verbrechen gezeigt zu haben, wird die Familie Genç dagegen für ihr ganzes Leben in Trauer daran zurückdenken. Es war 1993 – die Zeit, wo in Rostock Lichtenhagen, Mölln und Hoyerswerder Flüchtlingsheime angegriffen wurden und der damalige Kanzler Kohl es ablehnte, an der Trauerfeier für Solingen in einer Kölner Moschee an der Beisetzung teilzunehmen – mit der unglaublichen Begründung, er wolle nicht in „Beileidstourismus“ ausbrechen.

Ich bewundere Mevlüde Genç, diese starke Frau, die bei diesem Anschlag zwei Töchter, zwei Enkelinnen und eine Nichte verlor und schon unmittelbar nach dem Anschlag zur Versöhnung zwischen Türken und Deutschen aufrief – was für eine unglaubliche Großherzigkeit. Sie, die Deutsche wurde, hat die „Werte“ gelebt, die von jenen, die immer am meisten davon sprechen, missbraucht werden. Frau Genç hatte sich gewünscht, dass der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu bei der Gedenkfeier im Düsseldorfer Landtag spricht, was tatsächlich von Linken und Grünen kritisiert und verhindert wurde. Daraufhin musste die Gedenkveranstaltung in die Düsseldorfer Staatskanzlei verlegt werden. Die Gedenkfeier in Solingen musste leider, verursacht durch ein schweres Gewitter, abgebrochen werden, d.h. weder der deutsche Außenminister Maas, noch Çavuşoğlu konnten ihre Reden halten. Aber die würdige Gedenkfeier in der Staatskanzlei, mit der Teilnahme von Merkel, Ministerpräsident Laschet und Çavuşoğlu sowie Mevlüde Genç konnte stattfinden.

Vergessen wir nie – der Ausländerhass ist wieder unter uns und hat sich in Islam-Hass umfunktioniert. Was sich früher mit dem unsäglichen Spruch „das Boot ist voll“ artikulierte, spitzt sich heute in „Obergrenzen“ und Anschlägen gegen Moschee und Flüchtlingsheime zu. Während Islam-Verbände unter Vorurteilen zu leiden haben, wird der Zentralrat der Juden solidarisch unterstützt. Aber ist es nicht gerade dieser Zentralrat, der immer wieder Vorurteile gegen muslimische Migranten und deren angeblichen Antisemitismus schürt.

Ich kann es nur immer wiederholen, wir brauchen einen Rassismusbeauftragten und keinen Antisemitismusbeauftragten – und wir brauchen keine „Kippa-Tage“, sondern „Kopftuchtage“ als Warnung vor dem neuen Muslim-Hass in Zeiten des Philosemitismus.

Nehmen wir uns ein Beispiel an der Türkei, die es in vorbildlicher Weise schaffte, etwa 3,6 Millionen syrischen und etwa 360.0000 nicht syrischen Flüchtlinge eine Heimat zu geben und sie nicht gegen ihren Willen zur Ausreise zwang. Weniger als 6% der Flüchtlinge leben in Lagern. In der Türkei gab es noch keine ausufernde Gewalt gegen Wohnheime für Flüchtlinge, was ein Beweis für die Toleranz der muslimischen Gesellschaft ist.
Nicht der Islam und die Muslime sind unsere Feinde, sondern es sind die Rassisten, die unsere mühsam erworbene Vielfalt in Deutschland zerstören und uns eine „Leitkultur“ der Intoleranz aufzwingen wollen.

Schluss mit der deutschen Scheinheiligkeit und Doppelmoral!

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