Tsipi Livni – mutmaßliche Kriegsverbrecherin am Kamin Von Helag Suleiman NRhZ


Globales
Besuch der ehemaligen Außenministerin Israels Tsipi Livni in Wien blieb aus
Tsipi Livni – mutmaßliche Kriegsverbrecherin am Kamin?
Von Helga Suleiman

Tzipi Livni wurde eingeladen, im Vorfeld des Wiener Kongresses com.sult (29.1.2019) bei einem Kamingespräch ihre Sicht der Situation im Nahen Osten zu schildern und Perspektiven für die Beziehungen zwischen Europa und Israel zu erörtern: Nach angekündigter Protestkundgebung blieb ihre Teilnahme offenbar aus. Für Tsipi Livni, ehemalige Außenministerin Israels, wurde in Großbritannien ein Haftbefehl erlassen. Wegen ihrer Funktion als Mitglied im Kriegskabinett des Krieges gegen Gaza 2009 hatten Opfer aus dem Gazastreifen Klage wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen erhoben. Frau Livni verzichtete daraufhin auf ihren Besuch in GB 2009. Mitte 2016 wurde sie bei einem Aufenthalt in London von Scotland Yard vorgeladen. [1] Livnis Aussage dazu: „Ich bin stolz auf meine Entscheidungen als Kabinettsministerin.“ [2] Wegen dieser Entscheidungen mussten rund 1400 PalästinenserInnen ihr Leben lassen, mehr als 5000 wurden verletzt. Auch in Belgien haben Strafverfolgungsbehörden mit Festnahme und Bestrafung gedroht. Sie musste den für Jänner 2017 angesetzten Besuch streichen. In der Schweiz haben Opferverbände ebenfalls Klage eingereicht.

Im Hintergrund der Anklage steht der Goldstone-Report [3], laut dem die Militäroffensive der israelischen Armee und die Blockade auf eine Kollektivbestrafung der Bevölkerung von Gaza abzielte, Waffen und Munition völkerrechtswidrig einsetzte und ZivilistInnen trotz weißer Fahne beschossen hat. Livnis Reaktion auf den Report spricht Bände: „Israel demonstrierte kürzlich während der Operation wahren Hooliganismus, wie ich es verlangt habe.“ [4]

Warum Livni den Rechten gefällt

Doch Wien, UN-Sitz und Sitz zahlreicher Menschenrechtsorganisationen, aber Hauptstadt eines Staates, dessen Regierung sich weit nach rechts außen lehnt, fand offenbar nichts dabei, die Dame einzuladen. Im Gegenteil. Diese Politik entspricht vollkommen den Ambitionen der FPÖ, sich der Netanjahu-Regierung anzubiedern. Vollzieht sie doch vorbildlich, was den Rechten auch an Israel so gut gefällt: Ethnische Homogenität im Land durch Exklusion und diskriminierende Gesetzgebung bis hin zu Vertreibung, unterfüttert durch Schüren von Rassismen – alles das zur Machtsicherung bei gleichzeitiger medialer Beschallung der Bevölkerung über angebliche Bedrohungen, die einen permanenten Opferstatus beschwören.

Auch mit anderen als militärischen Druckmitteln, solches zu erreichen, hat Frau Livni Erfahrung. 2006 lies sie verlauten, dass Zolleinnahmen und Steuergelder nicht an die Palästinensische Autonomiebehörde ausgezahlt werden, sollte diese nicht alle israelischen Forderungen erfüllen. Das war die Reaktion auf den Sieg der Hamas bei den ersten demokratischen Parlamentswahlen. Nicht nur, dass das Zoll- und Steuereinkommen, welches den PalästinenserInnen zusteht, von der Besatzungsmacht geraubt und als kollektives(!) Druckmittel eingesetzt wurde, sondern zudem der entscheidende Keil zur Spaltung der Besetzten eingesetzt.

Obwohl die Teilnahme der Hamas an den Wahlen von der EU ausdrücklich gewünscht wurde, spielte diese dann das israelische Spiel zynisch mit. Doppelbödig bediente Österreichs VP- Außenministerin Ursula Plassnik das Feindbild Islam: „Gewalt und Terror sind nicht vereinbar mit einem demokratischen Prozess“ [5] Und sie war nicht die einzige europäische Politikerin, welche die Rechte der PalästinenserInnen in die Hände der einstigen Mossad Agentin legte.

Gezielte Tötungen in Europa in Tzipis Mossad-Zeit

Als solche war Tsipi Livni in den 80iger Jahren in Europa aktiv, um in einer Serie von Einsätzen Palästinenser aus dem Widerstand zu liquidieren. 1983 wurde Mamoun Meraish, ein hohes PLO-Mitglied von einem Motorrad aus erschossen, 1986 folgten Khalid Nazzal und Munther Abu Ghazaleh als weitere Opfer von Mossad-Morden, alle in Athen. [6]

Livni wandelte schon damals auf den blutigen Spuren ihres Vaters, einer der Kommandeure der zionistischen Terrorgruppe „Irgun“, die Anschläge gegen PalästinenserInnen und die britische Besatzungsmacht durchführte. Auf seinem Grabstein prangt eine Karte von Groß-Israel, große Teile des heutigen Jordanien inbegriffen. [7]

Am com.sult Kongress in Wien hätte man von den völkerrechtlich geächteten und den Menschenrechten zuwiderlaufenden gezielten Tötungen[8] und den Militärattacken auf den Gaza-Streifen nicht gesprochen. Man hätte Frau Livni gemütlich am Kamin ihre Sicht der Dinge über „die Situation im Nahen Osten“ ausbreiten lassen.

Zwei Staatenlösung als Chiffre für Groß-Israel

Was wäre ihre Erzählung gewesen? Die Präsentation Israels „wehrhafter Sicherheit“, mit Mauer, Drohneneinsatz, Massenabschiebungen und -lager für alle, die nicht im Land sein dürfen und gleich gar nicht ins Land kommen sollen, hätte der FPÖ-Mannschaft gefallen. Geschäftemacher, die sich an kolonialökonomischen Konzepten ergötzen, hätten aufgehorcht, wenn Frau Livni von start-ups, florierenden Rüstungs -, getarnt als ‚Sicherheits’geschäften schwärmt.

Menschenrechtsheuchlern hätte ihr Posieren als Friedensengel beeindruckt, mit dem sie nichts anderes als die alte 2-Staatenlösung nach Sharons Rezept präsentiert: einseitige Grenzziehung Israels u.a. durch Sperrwall, völlige Entmilitarisierung der PalästinenserInnen, kein Rückkehrrecht, völlige Überwachung und Kontrolle.

Mittlerweile ist es Allgemeinwissen, dass es eine Zweistaatenlösung nicht mehr geben kann. Mit der Räumung des Beduinendorfs Khan Al Ahmar zerfällt das Westjordanland endgültig in kleine unzusammenhängende Bantustans. Es ist einfach kein Boden mehr da für einen palästinensischen Staat.

Ein zahnloses Protektorat, in dem die PalästinenserInnen vollständig der israelischen Willkür ausgeliefert sind, bedeutet nichts anderes als die Verwirklichung des Groß-Israels auf der Grabplatte von Livnis Vater. PalästinenserInnen sollten als Arbeitskräftereservoir dienen, ihre Bodenschätze und Ressourcen würden von israelischen Konzernen ausgebeutet. Als folkloristische DarstellerInnen für ein westliches Touristenpublikum dürften sie ihre nationalen Embleme verehren, freilich Gefahr laufend, dass sie damit am nächsten Morgen im Gefängnis sitzen.

Was die PalästinenserInnen dazu sagen? Träum weiter Tsipi Livni! Mit Töten und Vertreiben macht ihr euch zum Opfer eurer eigenen Politik. Irgendwann werden eure Nachkommen fragen: „Gegossenes Blei“? – wie konntet ihr nur den Massenmord an den PalästinenserInnen in Gaza nach einem jüdischen Kinderlied benennen..? [9] Und unzählige Fragen werden folgen.

Dass Livni nicht nach Wien gekommen ist, demonstriert ihre – und die Angst der Besatzer – vor der Konfrontation mit der Wahrheit und mit der Realität der PalästinenserInnen. Diese wurden in so viele Exile vertrieben, dass Leute wie Tsipi Livni überall damit rechnen können, von ihnen und den mit ihnen solidarischen Kräften niemals aus der Verantwortung für ihre Verbrechen entlassen zu werden.

Fußnoten:

[1] https://www.haaretz.com/israel-news/british-police-summoned-tzipi-livni-over-suspected-gaza-war-crimes-1.5404813
[2] https://www.haaretz.com/israel-news/british-police-summoned-tzipi-livni-over-suspected-gaza-war-crimes-1.5404813
[3] https://en.wikipedia.org/wiki/United_Nations_Fact_Finding_Mission_on_the_Gaza_Conflict
[4] Am 19.1.2009 im Fernsehsender Channel 10
[5] https://www.news.at/a/israelische-aussenministerin-tzipi-livni-besuch-wien-hamas-134337
[6] https://www.haaretz.com/1.4987152
[7] https://diepresse.com/home/innenpolitik/nahost/414893/Tzipi-Livni_Die-kuehle-Sa auberfrau-aus-dem-Mossad
[8] 1966 ratifizierte Israel den internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte, der Hinrichtungen ohne rechtskräftige Urteile verbietet.
[9] https://de.wikipedia.org/wiki/Operation_Gegossenes_Blei

Helga Suleiman ist Mitglied der Steirischen Friedensplattform/Palästina Solidarität Steiermark

Online-Flyer Nr. 691  vom 06.02.2019
 

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