Vorbild „9/11“: Die Schockstrategie als einzig sinnvolle Erklärung für das Regierungshandeln Von Tom J. Wellbrock

Vorbild „9/11“: Die Schockstrategie als einzig sinnvolle Erklärung für das

Regierungshandeln

Von Tom J. Wellbrock

Vorbild „9/11“: Die Schockstrategie als einzig sinnvolle Erklärung für das Regierungshandeln

Die Frage nach dem „Warum“ zieht sich durch die gesamte Gesellschaft. Worin liegt die Motivation der Bundesregierung, einen wirtschaftlichen „Suizid“ des Landes zuzulassen – und sogar zu befördern. Als einzige Antwort kommt nur infrage: eine Schockstrategie.

Die Frage nach dem „Warum“ zieht sich durch die gesamte Gesellschaft. Worin liegt die Motivation der Bundesregierung, einen wirtschaftlichen „Suizid“ des Landes zuzulassen – und sogar zu befördern. Als einzige Antwort kommt nur infrage: eine Schockstrategie.
Vorbild "9/11": Die Schockstrategie als einzig sinnvolle Erklärung für das RegierungshandelnQuelle: www.globallookpress.com © IMAGO/Jens Schicke

Von Tom J. Wellbrock

Was braucht man, um entsprechend der neoliberalen Schule des US-amerikanischen Wirtschafts-Gurus Milton Friedman eine Schockstrategie durchführen zu können? Man braucht Extreme, am besten in Form einer wirtschaftlichen Krise oder eines Krieges, besser noch beides. Da wir genau das gerade erleben, ergibt das Handeln der hiesigen Politiker auch Sinn. Hintergrund ist eine große Umgestaltung des (faktisch zerstörten) Systems, und da diese schmerzhaft für die Menschen ist, muss die Ausgangslage so gravierend sein, dass letztlich jedwede „Rettung“ angenommen und akzeptiert wird.

Vorbild „9/11“

Unabhängig von der noch immer nicht abschließend beantworteten Frage nach den genauen Hintergründen der Anschläge vom 11. September 2001, lässt sich doch festhalten, dass die daraus folgende massiv fortgesetzte Privatisierung und zugleich Überwachung der Gesellschaft ohne dieses Attentat wohl nicht durchsetzbar gewesen wäre. Doch mit dem Argument eines angeblichen „Kampfes gegen den Terror“ ließen sich sogar staatliche Maßnahmen realisieren, die zuvor undenkbar gewesen wären.

Neben der Überwachung der Bürger, den weltweiten militärischen Aktionen der USA und der rücksichtslosen, brutalen Einmischungen in die Angelegenheiten zahlreicher anderer Länder mit unzähligen wirtschaftlichen Opfern und dem Tod von Millionen von Menschen sank auch der Wohlstand in den USA selbst. Viel Geld wurde einfach für Regime Change, Krieg und Söldner gebraucht, da blieb für die Bevölkerung nicht mehr so viel übrig.

Was damals der „Krieg gegen den Terror“ war, ist heute der „Krieg für die Demokratie“. Beides könnte heuchlerischer nicht sein, denn es sind gerade die USA und ihre Verbündeten, die auf der ganzen Welt seit Jahrzehnten Terror fördern oder selbst schaffen und in ihren Gesellschaften Autokratien statt Demokratie herrschen lassen.

Doch sowohl bei „9/11“ als auch im Ukraine-Konflikt wirken die großen Erzählungen, die uns weismachen sollen, all das sei unvermeidbar und sogar nur das Ergebnis äußerer Feinde, die unsere eigene, sogenannte „Wertegemeinschaft“ bedrohen. Faktisch sind jedoch sämtliche Opfer sowohl von „9/11“ als auch im Zuge des Ukraine-Konfliktes die Folgen der Politik derer, die sich jetzt als Opfer böser fremder Mächte darstellen.

Die Ukraine als irreführendes Argument

Auch die steigenden Preise werden uns als Naturkatastrophen verkauft. Russland im Allgemeinen und Putin im Besonderen werden für das verantwortlich gemacht, was wir derzeit erleben. Doch natürlich ist es nicht so. Die Katastrophe, die über uns hereinbricht, ist hausgemacht. Sie ist das Ergebnis einer Sanktionspolitik, die im krassen Widerspruch zu jedem Ansatz des gesunden Menschenverstandes steht. Selbst wenn man sich von russischen Gaslieferungen unabhängig machen wollte, wäre das nur mit einem entsprechend langen Atem möglich. Kurzschlussreaktionen, wie wir sie heute erleben und erdulden sollen, widersprechen jeder planvollen und sinnvollen Umsetzung eines solchen Zieles.

Die Tatsache, dass der Ausbau alternativer Energiequellen und -erzeugung bisher kaum zu erkennen war, hängt im Wesentlichen mit der Bequemlichkeit der Deutschen zusammen. Die verantwortlichen Politiker der vergangenen Jahrzehnte hatten kein Interesse daran, auf russisches Gas zu verzichten, weil es jahrzehntelang stets verlässlich und vertragsgemäß geliefert wurde und Deutschlands Wirtschaft in eine komfortable Lage versetzte. Zudem war es ziemlich preisgünstig. Die gesamte wirtschaftliche Struktur und der Großteil des deutschen Wohlstandes basierte auf der beiderseits vorteilhaften Zusammenarbeit mit Russland.

Es kann nicht mit den vermeintlichen Werten des Westens, der Demokratie und den Menschenrechten zusammenhängen, sich nun plötzlich von all dem zu verabschieden. Schließlich finden auch nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs überall auf der Welt militärische Auseinandersetzungen und Kriege statt (auch solche, an denen die Sowjetunion, später Russland beteiligt waren), und keine dieser Auseinandersetzungen hat zu ähnlichen Sanktionen geführt wie die aktuelle in der Ukraine. Viele der zurückliegenden oder der aktiven Kriege und der daraus folgenden humanitären Katastrophen sind sogar  nüchtern betrachtet wohl sehr viel größer und schlimmer als das, was in der Ukraine derzeit geschieht. Handlungsbedarf sah die Politik im Westen aber deswegen nicht (was vermutlich primär an der eigenen Beteiligung lag).

Und es kommt etwas hinzu: Nur mit Scheuklappen, die einem selbst das komplette Sichtfeld verbergen, kann man noch an das Märchen glauben, heute werde in der Ukraine die Demokratie verteidigt oder für Menschenrechte gekämpft. Das Land ist korrupt bis in die Zehenspitzen, und nicht zuletzt auch sein derzeitiger Präsident stand noch bis kurz vor dem Beginn des Konfliktes mit Russland im Februar 2022 in der Kritik wegen seiner korrupten Politik, und zwar in nahezu jedem Mainstream-Medium. Die faschistischen Strömungen in der Ukraine waren seit langem und sind bis heute ebenfalls offenkundig, längst sind zudem auch deren Verbindungen zum Westen bekannt.

Unverblümt betrachtet gibt es also nicht den geringsten Grund, die Ukraine zu unterstützen und mit dieser Begründung in demselben Atemzug die eigenen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Strukturen schlicht gegen die Wand zu fahren. Die Motivation muss also aus einer anderen Ecke kommen.

Vor dem Schock ist nach dem Schock

Die Einschnitte, die die Corona-Politik mit sich brachten, drängten nicht wenige Menschen und Unternehmen in einen Abgrund, aus dem es für viele keine Befreiung gab. Pleiten, Psychosen und Suizide waren die Folge. Die Verantwortungslosigkeit, mit der die Corona-Maßnahmen dennoch (oft auch mit Gewalt) durchgesetzt wurden, lässt sich auch heute noch kaum in Worte fassen. Und auch die Vorstellung, dass für den kommenden Herbst schon wieder weitere diesbezügliche Maßnahmen geplant sind, lässt manch einen ratlos zurück.

Oft hört und liest man, „Corona“ sei nur ein Testlauf gewesen, um die Katastrophe, die uns jetzt ereilt, vorbereiten zu können. Vielleicht ist das so. Fakt ist aber sicherlich, dass alles, was in der Corona-Politik funktioniert hat, zu einem neuen Selbstverständnis bei den agierenden Politikern geführt hat. Vermutlich war jede weitere Steigerung von absurden Maßnahmen stets auch von der Überraschung der verantwortlichen Politiker begleitet, mit welcher Leichtigkeit sie ohne größere Gegenwehr umgesetzt werden konnte. Man konnte bei diesem soziologischen Großversuch mit Menschen analysieren, wie weit man gehen kann, ohne zu viel Widerstand zu riskieren. Und es stellte sich heraus: Man konnte viel weiter gehen, als man es für möglich gehalten hätte.

Der Feind war das Virus. Er war gesichtslos, unsichtbar und folgte keiner Ideologie. Und das Virus war und ist – so wurde uns eingeredet – tödlich. Und obwohl die tatsächlichen Todeszahlen sehr unkonkret waren und sind (es wurde mal an, mal mit oder durch Corona gestorben) und die Datenlage kontinuierlich desaströs blieb (und es sicher auch so sein sollte), verfing das Argument der Todesgefahr, um verbreitet Ängste zu schüren. Man konnte die meisten Menschen damit einfangen und zusätzlich die anderen diffamieren, die an dieser Gefährlichkeit des Virus ganz zweifelten oder sie einfach als etwas harmloser einschätzten.

Beim Ukraine-Konflikt ist der Versuchsaufbau ähnlich, aber noch subtiler. Erneut lauert die Todesgefahr für Menschen in jeder Meldung, die wir lesen oder hören. Da jedoch der Tod im Falle der Ukraine nicht uns selbst betrifft, musste die Geschichte gehörig ausgeschmückt werden. Kriegstote in vielen fremden Ländern bewegen die Deutschen mittlerweile nur noch in sehr übersichtlichem Maße dazu, sich für die Opfer einzusetzen. Hier und da wird gespendet, vielleicht werden Patenschaften abgeschlossen und beim abendlichen Treffen mit Freunden ein betroffenes „Das ist ja so schrecklich“ in die Runde geworfen, woraufhin viel Zustimmung erfolgt. Doch das reichte diesmal natürlich nicht aus.

Also wurde die Bedrohung noch etwas größer gemacht. Aus einem Konflikt direkt „vor unserer Haustür“ wurde ein Szenario entwickelt, das uns als Gesellschaft schlechthin bedroht. Hätte Putin jetzt Erfolg, würde er beliebig andere Länder überfallen, sich immer weiter ausdehnen wollen und letztlich den finalen Angriff auf Berlin oder gleich ganz Westeuropa planen. Wie absurd diese Szenarien sind, spielt keine große Rolle mehr, denn man hat ja bereits gelernt, dass die Deutschen viel mit sich anstellen lassen und durch ausreichende Wiederholungen eines bestimmten Narrativs recht leicht in eine gewünschte Richtung zu bewegen sind. Die Unwissenheit der meisten Bürger über handfeste Fakten machte es noch leichter, die hanebüchene Geschichte der „demokratischen Ukraine“ zu erzählen.

Nach der erfolgreichen Realisierung zahlreicher gravierender Maßnahmen in der Hochzeit der Corona-Episode folgt nun also der nächste Schock. Und der Umgang mit diesem Schock hat nun nicht das Ziel, irgendetwas zu verbessern. Er zielt vielmehr auf das Einverständnis mit einer weiteren Eskalation der Verschlechterung.

Die „Reform“ nach dem Schock

Inzwischen ist es offensichtlich, dass die Sanktionen Deutschland in eine tiefe wirtschaftliche Krise führen. Schon jetzt geben erste Unternehmen auf, andere hoffen auf Besserung, brauchen ihre Rücklagen auf und quälen sich über die trostlose Zeit. Die „Entlastungspakete“ sind nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein, sie werden den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Absturz nicht verhindern können. Die Bürger investieren kaum noch in Konsum, entsprechend schlecht geht es Unternehmen, die genau damit ihre wirtschaftliche Rentabilität sichern.

Sofern kein baldiges Umdenken stattfindet, wird die hausgemachte Katastrophe ihren Lauf nehmen, und keine noch so blumig formulierten Statements der dafür verantwortlichen Politiker werden das verhindern können. Man muss – bei aller individuellen Inkompetenz unseres derzeitigen Führungspersonals – davon ausgehen, dass die Folgen durchaus schon bekannt sind oder wenigstens erahnt werden. So war etwa die massive Preissteigerung des Strompreises für Endkunden hinsichtlich der geltenden Preisbildungsregularien gänzlich systembedingt und somit absehbar. Dagegen unternommen hat trotzdem niemand etwas, obwohl man als gesichert bezeichnen kann, dass wenigstens die zahlreichen fachlich kompetenten Berater die Politiker darauf hingewiesen haben sollten.

Wenn man all das ausblendet, was offenkundig keinen Sinn ergeben kann, kann das Ziel der derzeitigen Politik nur der bewusst herbeigeführte Schock sein. Doch der Neoliberalismus hat für derartige Schocktherapien immer ein Ass im Ärmel, und das wird dann ganz harmlos daherkommend „Reform“ genannt. Wenn alles so schlimm geworden ist, dass sich Ausweglosigkeit und Hoffnungslosigkeit breitmachen, gibt es immer noch Retter in der Not, die mit einer Idee für die Lösung daherkommen, durch die man sich doch noch aus der Katastrophe hinausmanövrieren kann. Diese Idee ist schon geboren, die Frage ist nur, wie sie genau aussieht.

Der Unterschied zu Chile und anderen Ländern

Dank Milton Friedman wurde in Chile die Katastrophe schon vor 50 Jahren geprobt, und die daraus resultierenden „Reformen“ wurden dort eingeführt. Was folgte, war eine erneute Katastrophe, und um die schlimmen Nebenwirkungen wie Privatisierung und Abbau des Sozialstaates abzufedern, lautete das Rezept: noch mehr von dem, was schon bisher nicht funktioniert hat.

Im Falle des Jahres 2022 muss man einen Unterschied feststellen. Wir sind schon recht lange in den Klauen des Neoliberalismus gefangen. Heute kann und braucht es also nicht mehr um dessen Einführung zu gehen. Die auf uns zukommenden „Reformen“ werden aber der neoliberalen Idee folgen, dass man Privatisierung, Überwachung, Militarisierung und den Abbau weiterer Sozialleistungen als gegeben akzeptieren müsse. Aber an dem Prinzip der Schockstrategie hat sich nichts geändert. Die verantwortlichen Politiker sorgen dafür, dass sich die Ausgangslage für die meisten Menschen im Land weiter verschlechtert. Dahinter stehen mächtige Wirtschaftsinteressen, die unauffällig, geduldig und skrupellos auf die Chance warten, die „große Reform“ in die Wege zu leiten. Vermutlich wird das am Ende dieses oder am Beginn des nächsten Jahres der Fall sein.

Wir müssen uns wohl darauf einstellen, dass wir einem völlig neuen Wirtschaftssystem unterworfen sein werden, einem Wirtschaftssystem, das von den Interessen der Menschen vollständig abgekoppelt wurde. Das Leid wird wachsen, viele werden auf der Strecke bleiben, nur wenige werden sich behaupten können. Uns steht das bevor, was Naomi Klein „Katastrophenkapitalismus“ nennt.

Die im Moment nicht leicht zu beantwortende Frage lautet also: Wohin wird uns dieser katastrophale Weg führen? Darauf gibt es viele Antworten, und unter allen diesen Möglichkeiten ist sicherlich auch eintretende Variante dabei, die sich heute noch als Spekulation und später als weise Vorhersagen herausstellen wird. Eine Antwort aber kann schon jetzt als unmöglich ausgeschlossen werden: Dass es auf dem jetzigen Weg besser wird.

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