Warum betreibt Europa eine Hexenjagd gegen den „politischen Islam“? Von Farid Hafez

Merkel tanzt nach der Pfeife von Frankreichs Präsident Macron und dem österreichischen Kanzler Kurz

Why is Europe on a witch hunt against ‚political Islam‘?

Germany is following in the footsteps of France and Austria, with increasingly oppressive proposals to target Muslim communities

Bild: German Chancellor Angela Merkel speaks at a CDU parliamentary event in 2019 (AFP)

Warum betreibt Europa eine Hexenjagd gegen den „politischen Islam“?


Von Farid Hafez


25. Mai 2021


Deutschland tritt in die Fußstapfen von Frankreich und Österreich mit zunehmend repressiven Vorschlägen gegen muslimische Gemeinschaften

Ein Gespenst geht um in Europa: das Gespenst des politischen Islam. Von Frankreichs Kampf gegen den „Islamo-Linkismus“ bis hin zu Österreichs Kampf gegen den „politischen Islam“ geraten Muslime und muslimische antirassistische Gruppen der Zivilgesellschaft immer mehr unter Druck der staatlichen Behörden.

In beiden Ländern haben die Regierungen unter dem Vorwand des „Kampfes gegen den Terror“ NRO und Moscheen geschlossen, die Meinungsfreiheit eingeschränkt sowie Hausdurchsuchungen und Razzien in Einrichtungen durchgeführt. Diese Maßnahmen wurden nach den Terroranschlägen im vergangenen Jahr verschärft.

In Deutschland scheint die Christlich-Demokratische Union (CDU) von Bundeskanzlerin Angela Merkel in die Fußstapfen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron und des österreichischen Bundeskanzlers Sebastian Kurz zu treten. Während Macron wegen seiner antimuslimischen Gesetzgebung international heftig kritisiert wurde, blieben die Initiativen von Kurz fast unbemerkt. Aber sie scheinen alle dem gleichen Schema zu folgen: Sie behaupten, die Mehrheit der friedlichen und gesetzestreuen Muslime zu schützen, während sie nur die „gefährlichen“ Muslime ins Visier nehmen.

Diese Kreuzritter-Rhetorik ist nicht aus der Luft gegriffen. Aussagen wie diese bauen auf einer langen und problematischen Geschichte der „Bekämpfung des gewalttätigen Extremismus“ auf.

In Wirklichkeit erweitern sie die Gruppe der potenziell „gefährlichen Muslime“ dramatisch.

So heißt es in einer aktuellen Veröffentlichung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion: „Der Islamismus beschränkt sich nicht auf eine bestimmte Anzahl von Gewalttätern. Die dahinter stehende Ideologie ist Gift für unsere liberale Gesellschaft. Sie gefährdet Integration und gesellschaftlichen Zusammenhalt, indem sie Muslime gegen unsere Demokratie aufhetzt.“

Diese Kreuzritter-Rhetorik ist nicht aus der Luft gegriffen. Aussagen wie diese bauen auf einer langen und problematischen Geschichte der „Bekämpfung des gewalttätigen Extremismus“ und der „Deradikalisierungsprogramme“ auf, die nach dem Beginn des „Kriegs gegen den Terror“ vor zwei Jahrzehnten entstanden sind.

Staatliche Überwachung

Eine neuere Entwicklung ist die Ausweitung des Begriffs der „Bekämpfung des gewalttätigen Extremismus“ auf die Bekämpfung des „gewaltlosen Extremismus“. Der letztgenannte Begriff impliziert, dass gewaltlose muslimische Gruppen die gleichen Ziele verfolgen wie gewalttätige Gruppen und sich nur in ihrer Methodik unterscheiden, wie in einem Bericht des bayerischen Geheimdienstes festgestellt wurde.

Dieser Begriff wird verwendet, um muslimische Organisationen aus der Zivilgesellschaft auszuschließen, indem muslimische Verbände ins Visier genommen werden, die im Rahmen der westlichen demokratischen politischen Ordnung arbeiten und Gewalt ablehnen. Zu diesen legalen, gewaltfreien Mitteln gehört dem Bericht zufolge das Betreiben von „Kulturvereinen und Moscheen, die zum einen der Mitgliederwerbung und zum anderen der Verbreitung ihrer Ideologie dienen. Über ihre Dachverbände versuchen sie, sich dem Staat als Sprachrohr der Muslime anzubieten“.

Dieses Konzept zielt auf etablierte muslimische Gruppen ab und nicht auf subversive Bewegungen, die sich im Schatten verstecken. Die meisten muslimischen Verbände des Mainstreams sind in Deutschland seit Jahren staatlicher Überwachung ausgesetzt. Diesem Diskurs liegt ein Generalverdacht zugrunde, der Muslimen mit Misstrauen begegnet und ihre Integrität zynisch in Frage stellt.

Der Begriff „politischer Islam“ wird allgemein verwendet, aber nicht in der Weise, wie Wissenschaftler ihn verwenden würden, um zwischen verschiedenen Erscheinungsformen der Überschneidung von Politik und Religion zu unterscheiden. Das Problem mit dem vagen Begriff „politischer Islam“ in Ländern wie Österreich ist, dass die Regierung ihn verwendet, um muslimische Praktiken zu kriminalisieren und Muslime zum Schweigen zu bringen, die regierungskritische politische Meinungen äußern.

In gewisser Weise ist er zur intellektuellen Grundlage geworden, um eine allgemeine Dämonisierung von Muslimen zu institutionalisieren, die an die Hexenjagd von Joseph McCarthy in den 1950er Jahren gegen schwarze und linke Gruppen unter dem Banner des Antikommunismus erinnert.

Hardliner-Positionen

Die zunehmenden Hardliner-Positionen europäischer Länder wie Österreich, Frankreich und Deutschland scheinen sich zu verfestigen. Im vergangenen Oktober unterzeichnete eine Gruppe bekannter Autoren und Politiker der deutschen CDU/CSU einen offenen Brief, in dem fünf Empfehlungen zur „Stärkung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung gegenüber dem politischen Islam“ vorgeschlagen wurden. In dem Brief heißt es: „Es ist höchste Zeit, sich den Problemen der Einwanderungsgesellschaft offen zu stellen und sich nicht durch unbegründete Vorwürfe angeblicher Islamophobie einschüchtern zu lassen.“

Ähnlich wie bei Frankreichs Kulturkrieg gegen Gender-, Postkolonial- und Rassismusstudien versuchten diese Wissenschaftler, den Status quo gegen jegliche Kritik.

Hat dieser Brief wegen der Anschläge in Frankreich und Österreich im vergangenen Jahr an Zugkraft gewonnen? Nicht wirklich, denn die Behauptung lautet, dass der „politische Islam“ viel gefährlicher ist als militante Gewalt, die von Muslimen ausgeht.

Zu den fünf Empfehlungen gehören die Einrichtung eines „Dokumentationszentrums“ nach österreichischem Vorbild, in dem „die Strukturen, Strategien und die Finanzierung des politischen Islams analysiert und offengelegt werden“, die Einrichtung von zehn Lehrstühlen an Universitäten, die sich mit der Analyse der Strukturen des „politischen Islams“ in Deutschland befassen, sowie die Einsetzung einer Expertengruppe im Innenministerium, die Empfehlungen zur Bekämpfung des politischen Islams aussprechen soll.

Solche Ideen werfen ernste Fragen auf. Das österreichische Dokumentationszentrum wird größtenteils von rechtsradikalen Persönlichkeiten geleitet, die seit langem antimuslimische Gesetze unterstützen, darunter Personen wie Mouhanad Khorchide, Susanne Schroter und Lorenzo Vidino.

In dem jüngsten Positionspapier der CDU/CSU wird auch gefordert, dass die staatlichen Behörden die Unterstützung von Vereinen, die unter die Kategorie „politischer Islam“ fallen, einstellen sollten, und es wird vorgeschlagen, einen „deutschen Imam“ zu schaffen, der ein in Deutschland ausgebildeter Student sein soll, der in erster Linie der deutschen nationalen Identität verbunden ist und somit die bestehenden Machtstrukturen reproduziert. In dem Papier werden auch strengere Finanzkontrollen für muslimische Gruppen gefordert.

Ziel ist es, Muslime so weit wie möglich zu überwachen, was gegen säkulare Vorstellungen von der Trennung von staatlicher Gewalt und Religionsgemeinschaften verstößt. Da ähnliche Maßnahmen gegen andere Religionsgemeinschaften nicht ergriffen wurden, scheint es, als würden Muslime wieder einmal als Zielscheibe auserkoren. Übersetzt mit Deepl.com

Farid Hafez ist Politikwissenschaftler und lebt in Wien. Er ist außerdem Forschungsstipendiat bei der Brückeninitiative der Georgetown University. Er ist Herausgeber des Islamophobia Studies Yearbook und Mitherausgeber des European Islamophobia Report.

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