Wie es dem Friedensnobelpreiskomitee gelungen ist, osteuropäische Eliten in Wut zu vereinen Von Georgi Berezowskij

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Wie es dem Friedensnobelpreiskomitee gelungen ist, osteuropäische Eliten in Wut zu vereinen

Von Georgi Berezowskij In diesem Jahr geht der Friedensnobelpreis zum vierten Mal in der Geschichte und zum zweiten Mal in Folge nach Russland. Aber nicht nur das, zusammen mit der Menschenrechtsorganisation Memorial teilen sich der weißrussische Menschenrechtsaktivist Alexander Bjaljazki und das ukrainische Zentrum für bürgerliche Freiheiten die Ehre.

Wie es dem Friedensnobelpreiskomitee gelungen ist, osteuropäische Eliten

in Wut zu vereinen

Von Georgi Berezowskij

Die Entscheidung des norwegischen Komitees hat in drei ehemaligen Sowjetstaaten frostige Reaktionen hervorgerufen. Unser Autor beleuchtet, was die Preisträger gemeinsam haben und was diese Auszeichnung im Kontext der Feindseligkeiten zwischen Russland und der Ukraine bedeutet.
Wie es dem Friedensnobelpreiskomitee gelungen ist, osteuropäische Eliten in Wut zu vereinen© Twitter / NobelPrize

 

In diesem Jahr geht der Friedensnobelpreis zum vierten Mal in der Geschichte und zum zweiten Mal in Folge nach Russland. Aber nicht nur das, zusammen mit der Menschenrechtsorganisation Memorial teilen sich der weißrussische Menschenrechtsaktivist Alexander Bjaljazki und das ukrainische Zentrum für bürgerliche Freiheiten die Ehre.

Die Preisträger würden sich seit vielen Jahren für das Recht einsetzen, die Staatsmacht zu kritisieren und haben herausragende Anstrengungen unternommen, um Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen zu dokumentieren, erklärte das norwegische Komitee die Wahl der Preisträger. Aber was haben diese Preisträger gemeinsam und was bedeutet diese Auszeichnung im Kontext der Feindseligkeiten zwischen Russland und der Ukraine?

Memorial: Der rote Faden der Nobelpreisträger aus Russland

Im Jahr 1987 war der offizielle Beginn der „Perestroika“, ein russischer Begriff, der im Westen schnell bekannt wurde. Die Behörden der damaligen Sowjetunion verfolgten aktiv Reformen, aber die Folgen waren noch nicht spürbar. Das Land sah sich noch keinem Separatismus gegenüber, ethnische Konflikte hatten noch nicht begonnen und eine echte Wirtschaftskrise war auch nicht zu spüren. Aber die Bürger des Landes kamen bereits in den Genuss von „Glasnost“, was mit einer Lockerung der Zensur, der Entspannung in den internationalen Beziehungen und dem Aufblühen privater Unternehmen einherging. In der gesamten Sowjetunion schlossen sich Menschen zusammen, um politische Organisationen zu bilden, die das Rückgrat der sowjetischen Zivilgesellschaft werden sollten. In dieser Zeit wurde Memorial ins Leben gerufen. Die jungen Menschen, die diese Organisation gegründet haben, stellten sich die edle Aufgabe, die Opfer des sowjetischen Terrors zu rehabilitieren und ihr Andenken zu bewahren.

Im Herbst 1988 war Memorial zu einer Bewegung herangewachsen, die sich über die gesamte Sowjetunion erstreckte. Ihr Anführer war Andrej Sacharow, der erste und damals einzige Friedensnobelpreisträger der UdSSR. Unter seiner Führung fanden landesweit Proteste statt und es wurden Debatten über die totalitäre Vergangenheit des Landes geführt, wobei der Schwerpunkt darauf lag, sicherzustellen, dass diese Unterdrückung nie wieder zurückkehrt.

Was Sacharow jedoch versäumte, war, die Organisation offiziell registrieren zu lassen. Obwohl die Behörden selbst eine Politik der Rehabilitierung von Opfern politischer Repression verfolgten, blieben sie gegenüber den Forderungen seiner Organisation taub und allmählich wurde in den Regionen administrativer Druck auf die Mitglieder der Organisation ausgeübt.

Die Situation änderte sich mit dem Tod von Sacharow Ende 1989. Bei der Beerdigung fragte Präsident Michail Gorbatschow Sacharows Witwe Yelena Bonner, was er tun könne, um dem Nobelpreisträger zu gedenken. „Memorial registrieren lassen!“, antwortete Bonner. Ihre Bitte wurde anderthalb Monate später erfüllt und Gorbatschow erhielt weniger als ein Jahr später seinen eigenen Friedensnobelpreis.

Memorial ist auch eng mit dem dritten Friedensnobelpreisträger aus Russland, dem Journalisten Dmitri Muratow, verbunden. Er erwähnte die Organisation und ihre Aktivitäten in seiner Rede bei der Preisverleihung in Oslo im vergangenen Jahr, was nicht weiter überraschte. Die von Muratow geleitete Zeitung Nowaja Gaseta ist seit vielen Jahren Medienpartner von Memorial.

Von der Erinnerung an die Unterdrückung zum Einsatz für Menschenrechte

Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion wurde Memorial zu einer internationalen Organisation, die sich mit Forschung, Interessenvertretung und Bildung beschäftigte. Über 30 Jahre lang wurden Archive offengelegt, Bücher veröffentlicht, Datenbanken von Opfern der Repressionen angelegt und Wohltätigkeits- und Bildungsprogramme ins Leben gerufen. Dank ihrer Arbeit erfuhren Millionen von Menschen vom Schicksal ihrer vom Sowjetregime unterdrückten Familienmitglieder.

Memorial ermöglichte auch die Errichtung eines Denkmals für die Opfer der Repression in Moskau. Im Jahr 1990 wurde der Solowezki-Stein, benannt nach einem Gulag-Lager, im Stadtzentrum neben einer Statue von Feliks Dzierżyński, einem der Gesichter des sowjetischen Staatsterrors, enthüllt. Letztere wurde kurz darauf abgerissen.

Jedes Jahr am 29. Oktober, am Vorabend des Gedenktages für die Opfer politischer Repression, initiiert Memorial eine Gedenkaktion am Solowezki-Stein. An diesem Ort werden von 10 Uhr vormittags bis 22 Uhr nachts die Namen der während des sowjetischen Terrors Erschossenen verlesen – Vorname, Nachname, Alter, Beruf, Hinrichtungsdatum. Um an der Aktion mitzumachen, stehen die Menschen stundenlang in einer Warteschlange an, oft bei sehr kühlem Wetter.

Schließlich gingen die Tätigkeiten von Memorial über die bloße Erinnerung an die sowjetische Unterdrückung hinaus. „Es wurde einfach unmöglich, Profile der Toten der Unterdrückten zu sammeln und das Leid der Lebenden zu ignorieren“, begründete die Organisation ihre Entscheidung, sich für Menschenrechte zu engagieren. Die Organisation engagierte sich nun in der Politik, sie begann Flüchtlinge und Gegner des russischen Staates zu unterstützen, kritisierte die Behörden und verklagte diese gelegentlich vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.

Memorial erhielt nie Unterstützung vom russischen Staat und führte seine Aktivitäten mithilfe von Spenden und Unterstützung von Sponsoren, einschließlich ausländischer Förderer, durch. Der erste ausländische Sponsor von Memorial war die Open Society Foundations des ungarischen Milliardärs George Soros. Die Liste der Sponsoren erweiterte sich anschließend durch die US-Agentur für internationale Entwicklung (US AID), Amnesty International, Human Rights Watch, verschiedene Abteilungen der UN und andere internationale Einrichtungen sowie die Botschaften von Großbritannien, Frankreich, Deutschland und anderen westlichen Ländern.

Es war dieses ausländische Geld, das die Grundlage für den rechtlichen Konflikt von Memorial mit dem russischen Staat bildete und die Beziehung zu den Behörden verschlechterte. In der ersten Hälfte der 2010er Jahre wurde die Organisation als „ausländischer Agent“ eingestuft. Nach jahrelangem Gerangel wegen wiederholter Verstöße gegen dieses Gesetz wurde Memorial schließlich im Februar 2022 per Gerichtsbeschluss liquidiert.

Doch nebst dem Rechtsstreit zwischen dem russischen Staat und der Organisation eskaliert seit Jahren auch eine ideologische Auseinandersetzung. Menschenrechtsaktivisten haben wegen Verstößen gegen das Protestgesetz Klagen gegen die Behörden von Moskau vor europäische Gerichte gebracht.

Außerdem hat Memorial bei zahlreichen Gelegenheiten auf angebliche politische Verfolgung oder Gesetzlosigkeit in Fällen hingewiesen, die im Zusammenhang mit Terrorismus stehen. Dabei ging es in diesem Fällen nicht immer nur um radikale Islamisten, sondern auch um weniger offensichtliche Sachlagen. Beispielhaft war ein Fall in der zweiten Hälfte der 2010er Jahre: In einer hochkarätigen Anklage wurden elf Antifaschisten und Anarchisten aus den russischen Provinzen der Bildung und Teilnahme an einer Terrorzelle beschuldigt. Memorial vertrat die Ansicht, dass die Anschuldigungen frei erfunden waren.

Es ist unwahrscheinlich, dass die Verleihung des Nobelpreises den Status von Memorial in Russland ändern wird. Dmitri Nowikow, erster stellvertretender Vorsitzender des Duma-Ausschusses für internationale Angelegenheiten, sagte dazu, dies erfordere „entweder eine Gesetzesänderung oder einen Gesetzesbruch“. „Meine Voraussage ist, dass eine solche provokative antirussische Entscheidung die Staatsduma in keiner Weise dazu veranlassen wird, Gesetzesänderungen einzuleiten, damit die Aktivitäten von Memorial wieder legalisiert und auf dem Territorium der Russischen Föderation frei durchgeführt werden können“, erklärte er.

Alexander Bjaljazki: Hoffnung auf einen weißrussischen Frühling

Der zweite Träger des diesjährigen Friedensnobelpreises, Alexander Bjaljazki, wurde im russischen Karelien geboren, hat aber den größten Teil seines Lebens in Weißrussland verbracht. Die Familie des zukünftigen Menschenrechtsaktivisten siedelte in die Region Gomel um, als er drei Jahre alt war.

Auch Bjaljazki begann seine öffentliche Tätigkeit in den Jahren der Perestroika. Wie im Fall von Memorial zielten seine Bemühungen zunächst darauf ab, die Erinnerung an die Opfer der stalinistischen Repression wiederherzustellen. Im Oktober 1988 nahm er an der Kundgebung „Dzjady“ teil, die dem Gedenken an die Opfer der stalinistischen Repressionen gewidmet war und von der Polizei aufgelöst wurde. Er wurde für seine Teilnahme verwaltungsrechtlich bestraft.

Der Protest wurde von der Weißrussischen Volksfront (BPF) organisiert, die von Bjaljazki selbst gegründet worden war. Die BPF forderte „die Reorganisation des politischen Systems und die Wiederbelebung der weißrussischen Nation auf den Prinzipien der Demokratie und des Humanismus, die Entwicklung der Kultur und eine echte staatliche Unabhängigkeit der Republik Weißrussland“.

In den 1990er Jahren wurde aus der Basis dieser Bewegung eine politische Partei gegründet, die antirussische Ideen und weißrussischen Nationalismus vertrat. Auf Druck dieser Partei nahm das weißrussische Parlament in den 1990er Jahren die zuletzt in der NS-Zeit verwendete weiß-rot-weiße Flagge und das Wappen der Pagonia als Staatssymbole an, das die Verbindung von Weißrussland mit dem Großherzogtum Litauen symbolisiert und von weißrussischen Nazi-Kollaborateuren während des Zweiten Weltkriegs verwendet wurde. Es gab auch eine aktive Derussifizierung – zum Beispiel wurden die russischsprachigen Schulen auf weniger als fünf Prozent reduziert, obwohl 87 Prozent der Bevölkerung russischsprachig war. Die BPF sah die Zukunft des Landes im Einklang mit Westeuropa und der NATO.

Bjaljazki selbst war in den 1990er Jahren Mitglied des Minsker Stadtrats und leitete das Literaturmuseum. Im Jahr 1996 begann er zusammen mit seinen Mitarbeitern politische Aktivisten zu unterstützen, die bei Protesten festgenommen wurden – so entstand das Viasna Zentrum für Menschenrechte, das immer noch von Bjaljazki geleitet wird.

Ende der 1990er Jahre zog er sich endgültig aus der Politik zurück, um sich auf Menschenrechtsaktivitäten zu konzentrieren. Die Behörden des Landes tolerierten die Aktivitäten seiner Organisation jedoch nicht und im Jahr 2003 wurde ihr die staatliche Registrierung entzogen. Im Jahr 2011 wurde Bjaljazki der Steuerhinterziehung angeklagt und zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Im Jahr 2014 kam er wieder frei und erhielt anschließend zahlreiche Auszeichnungen von den Regierungen Polens und der USA sowie der Europäischen Union.

Bei den Massenprotesten in Weißrussland im Sommer 2020 wurde Bjaljazki Mitglied des Koordinierungsrates der Opposition. Ein Jahr später wurde er erneut unter dem Vorwurf der Nichtzahlung von Steuern festgenommen. Im September dieses Jahres, einen Monat bevor ihm der Nobelpreis verliehen wurde, wurde er erneut angeklagt – diesmal wegen Schmuggels einer großen Geldsumme.

Der Aktivist und seine Unterstützer betrachten all diese Strafverfolgungen als politisch motiviert und darauf ausgerichtet, die Opposition gegen Präsident Alexander Lukaschenko zu unterdrücken. Bjaljazki befindet sich derzeit in Untersuchungshaft. Seine Kollegen vom Viasna Zentrum für Menschenrechte hoffen, dass die Auszeichnung Einfluss auf das Verfahren hat. „Er ist jetzt sowohl in Weißrussland als auch international bekannt. Ich denke, dies wird zu seinem Vorteil sein und dass er bald freigelassen wird“, sagte seine Mitstreiterin Natalia Satsunkewitsch.

Das Zentrum für bürgerliche Freiheiten: Der ukrainische Preisträger

Der dritte Preisträger zeichnet sich durch seine „Jugendlichkeit“ aus: Das im Jahr 2007 gegründete Zentrum für bürgerliche Freiheiten (CCL) ist weder dem Widerstand gegen die sowjetische Diktatur noch dem Wind der Perestroika oder dem Chaos der 1990er Jahre entsprungen.

Zu den Geldgebern der Organisation gehören die bereits erwähnte Stiftung von George Soros, das US-Außenministerium, das vom US-Kongress geförderte National Endowment for Democracy (NED), die Europäische Kommission, das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen, die Internationale Helsinki-Föderation für Menschenrechte und andere globale Akteure.

Laut Laudatio des Nobelkomitees hat das CCL daran gearbeitet, „die ukrainische Zivilgesellschaft zu stärken und Druck auf die Behörden auszuüben, die Ukraine in eine vollwertige Demokratie zu verwandeln“. Eine etwas ironische Aussage zu einer Zeit, in der das Kiewer Regime faktisch zu einer Diktatur geworden ist.

Das Land hat sich in nur einem Jahrzehnt von einer unvollkommenen Mehrparteiendemokratie zu einer politischen Landschaft hin entwickelt, in der es keine wirkliche legale Opposition mehr gibt. Zunächst verbot das Regime die im russischsprachigen Südwesten besonders starke Kommunistische Partei und anschließend die russische Presse.

Unter Präsident Wladimir Selenskij hat sich der Übergang zum Autoritarismus zusätzlich beschleunigt. Im vergangenen Jahr ließ er den Oppositionsführer des Landes, Wiktor Medwedtschuk, unter Hausarrest stellen. Anschließend wurde er inhaftiert und gezwungen, für erniedrigende Fotos zu posieren, bevor er im Rahmen eines von Saudi-Arabien ausgehandelten Gefangenenaustauschs in Richtung Russland freigelassen wurde.

Kurz bevor Moskau Anfang dieses Jahres seine Militäroffensive startete, erhob das Regime politisch motivierte Strafanklagen gegen den einzigen anderen realistischen Rivalen von Selenskij, den ehemaligen Präsidenten Pjotr ​​Poroschenko. Der Präsident hat auch die zweitstärkste Partei des Landes verboten und praktisch alle Medien, die sich seiner Kontrolle entziehen, lahmgelegt.

In den Anfangsjahren organisierte das CCL alle Arten von Kampagnen, aber die Blütezeit der Organisation begann im Jahr 2013, als Massenproteste in Kiew schließlich zu einem vom Westen unterstützten Staatsstreich eskalierten.

Damals wurde die Initiative Euromaidan SOS ins Leben gerufen, um „den Demonstranten zu helfen und Übergriffe durch die Sicherheitskräfte zu dokumentieren“. Mitglieder der Organisation förderten aktiv die Idee, dass die abgesetzten ukrainischen Behörden für das Blutvergießen während dieser Proteste verantwortlich seien, trotz überwältigender Beweise dafür, dass der Vorfall mit den Scharfschützen auf dem Maidan das Werk der Opposition war. Schließlich übergab das CCL dem Internationalen Strafgerichtshof sogar „Beweise für Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die vom Regime des Präsidenten Viktor Janukowitsch begangen wurden“.

Unabhängige Recherchen haben diesem Standpunkt jedoch widersprochen und darauf hingewiesen, dass vom Westen unterstützte ukrainische Aktivisten bei der Prüfung vorhandener Beweise äußerst selektiv vorgegangen sind, wodurch die wahren Täter der Tragödie verschleiert wurden. Die Tatsache, dass Kiew es bisher versäumt hat, jemanden wegen des Massakers strafrechtlich zu verfolgen, spricht ebenfalls Bände.

In den folgenden Jahren widmete das Zentrum seine Bemühungen der Teilnahme an Inspektionsgruppen im Donbass und auf der Krim sowie Kampagnen zur Unterstützung von Oleg Senzow und anderen in Russland inhaftierten Aktivisten. Im Jahr 2017 gründete das CCL die Kiewer Schule für Menschenrechte und entsandte drei Jahre später Aktivisten, um die – wiederum vom Westen unterstützten – regierungsfeindlichen Proteste in Weißrussland abzudecken.

Es ist bemerkenswert, dass das CCL im Laufe der Jahre keine Menschenrechtsverletzungen in der Ukraine selbst untersucht oder Erklärungen dazu abgegeben hat, einschließlich der ungeheuerlichsten Fälle wie die Tragödie im Mai 2014 in Odessa, die Dutzende von Menschenleben gefordert hat.

Eine neue Phase der Aktivitäten der Organisation begann nach dem Beginn der russischen Militäroperation im Februar, eine Tatsache, die auch vom Nobelkomitee selbst hervorgehoben wurde. In der Begründung der Laudatio heißt es ausdrücklich, dass „nach Russlands Invasion in die Ukraine im Februar 2022, das Zentrum für bürgerliche Freiheiten Anstrengungen unternommen hat, um russische Kriegsverbrechen gegen ukrainische Zivilisten zu identifizieren und zu dokumentieren“. Das derzeitige Hauptprojekt der Organisation heißt „Tribunal für Putin“.

Feindselige Reaktionen

Dass der diesjährige Friedensnobelpreis gleichzeitig an Vertreter dreier Länder verliehen wurde, die noch vor drei Jahrzehnten als unteilbare Einheit galten, ist auffallend. Beobachter haben kommentiert, dass dies die Tatsache symbolisiert, dass die liberalen Flügel der drei Länder trotz der unterschiedlichen Regierungen miteinander verbunden bleiben. Aber viele mögen diese Interpretation nicht. Die vehementeste Reaktion auf die Nachricht über die Entscheidung des Nobelkomitees gab es in der Ukraine. Michail Podoliak, ein Berater von Präsident Wladimir Selenskij, schrieb auf Twitter:

„Das Nobelkomitee hat ein interessantes Verständnis des Wortes ‚Frieden‘, wenn Vertreter zweier Länder, die ein drittes angegriffen haben, gemeinsam den Nobelpreis erhalten. Weder russische noch weißrussische Organisationen waren in der Lage, den Widerstand gegen den Krieg zu organisieren. Der diesjährige Nobelpreis ist ‚umwerfend‘.“

Die Abgeordnete Mariana Bezugla forderte:

„Der Friedensnobelpreis wurde an Vertreter der Ukraine, Russlands und Weißrusslands verliehen. Ich halte es für inakzeptabel, jetzt zusammen mit Russen und Weißrussen irgendeinen Preis entgegenzunehmen. Dies ist eine weitere Rechtfertigung und ein Versuch, den Vergewaltiger und das Opfer zu vereinen. Wir sollten es ablehnen.“

Der Historiker und ehemalige Vorsitzende des Ukrainischen Instituts für ein nationales Gedächtnis, Wladimir Wjatrowitsch, schrieb in den sozialen Medien:

„Einerseits freue ich mich über den Friedensnobelpreis für die würdige ukrainische Organisation, andererseits ist die Assoziation mit Weißrussen und Russen unangemessen, weil sie den russischen Mythos von ‚drei brüderlichen Nationen‘ zementiert, der die Grundlage des gegenwärtigen Krieges gegen die Ukraine bildet.“

Igor Kozlowskij, Vorstandsmitglied des CCL, äußerte sich ähnlich:

„Wir reagieren sehr emotional und sind beleidigt, wenn Europäer und das Nobelkomitee Ukrainer, Russen und Weißrussen in einen Topf werfen. Wir sind nicht gegen Preisträger aus Russland und Weißrussland. Aber die Vorstellung von ‚brüderlichen Nationen‘ beleidigt uns.“

Allerdings ist Moskau mit der Entscheidung des Nobelkomitees auch nicht besonders glücklich. Der Vorsitzende des russischen Menschenrechtsrats, Valery Fadeyew, riet Memorial „diesen Preis abzulehnen, um zumindest einige Elemente ihres guten Rufs zu bewahren“. Besonders empört war er über die Verleihung des Preises an das ukrainische CCL:

„Wo war diese Organisation in den letzten acht Jahren, als der Donbass bombardiert wurde, als Tausende von Zivilisten, Kinder und alten Menschen getötet wurden? Sie sammelten Informationen über ‚Opfer auf dem Maidan‘ – welche Opfer auf dem Maidan? Dies war ein Regierungsumsturz, der vom Westen angestiftet und unterstützt wurde. Das ist keine Ideologie der Verteidigung der Menschenrechte, das ist eine Ideologie des Krieges.“

Leonid Slutsky, der Vorsitzende des Ausschusses der Staatsduma für internationale Angelegenheiten, wies auf dasselbe hin:

„Die Website dieser sogenannten Organisation ist durchsetzt mit Anschuldigungen gegen Russland, Meinungsartikeln über die ‚russische Invasion‘ und über die Hilfe des Westens an die Ukraine, aber kein einziges Wort über die Tausende von Zivilisten, die von ukrainischen Militanten im Donbass getötet wurden.“

Der russische Abgeordnete kam zu dem Schluss, dass „der Friedensnobelpreis wieder einmal als ein politisches Instrument angewendet wurde“, und fügte hinzu:

„Er wurde wieder einmal an die ‚guten‘ Aktivisten und sogenannten Menschenrechtsaktivisten verliehen. Er wurde für die erfolgreiche Einhaltung der Methodik des kollektiven Westens verliehen.“

Übersetzt aus dem Englischen.

Georgi Berezowskij ist Journalist aus Moskau.

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