Antisemitismus und künstlerische Freiheit                                          Von Bernd Weikl               

Antisemitismus und künstlerische Freiheit  

                                       Von Bernd Weikl         

 

Zu erinnern ist an den wohl absoluten Präzedenzfall bezüglich künstlerischer Freiheit: „Tannhäuser“ vom antisemitischen Richard Wagner an der Deutschen Oper am Rhein in Düsseldorf am 04. Mai 2013: Die Premiere wurde zum Skandal um eine Nazi-Oper. Es wurde von widerlichen Szenen berichtet, die das Publikum schockierten. Nackte Darsteller in gläsernen Würfeln wurden dort „vergast“. In der ersten Szene, dem sogenannten Venusberg, wurde eine jüdische Familie, unter ihnen Tannhäuser, von Nazis ermordet. Dabei floss viel Blut, überall waren Hakenkreuze und SS-Uniformen präsent. Der Regisseur Burkhard Kosminski sagte, er wolle so den Antisemitismus von Richard Wagner thematisieren. Dazu Wolfgang Höbels „SPIEGEL“-Kommentar: „Seit Jahrzehnten haben sich Opernregisseure mit dem Rassenwahn des Komponisten und dem Wagnerkult Adolf Hitlers beschäftigt – und dies stets ganz zu Recht.“

 

  1. November 2014: Die Antwort der Staatsanwaltschaft Düsseldorf auf meine Anzeige gegen den Regisseur und den Intendanten der Deutschen Oper am Rhein. Ich zitiere: „Die in Betracht kommenden Straftatbestände sind im Lichte dieses Verfassungsrechts zu betrachten und unterliegen der Schranke der Sozialadäquanz, die in § 86, Abs. 3 StGB ausdrücklich geregelt und über die Verweisungen in §§ 86a, Abs. 3, 130, Abs. 6 und 130a, Abs. 3 SIGB anwendbar ist.

Danach ist der jeweilige Straftatbestand ausgeschlossen, wenn die Tat der Kunst, der Wissenschaft, der Forschung oder der Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken dient. So liegt es hier.

Bei der Oper handelt es sich um eine klassische Form von Kunst, die dem Schutzbereich des Art. 5, Abs. 3 GG nach sämtlichen vertretenen Kunstbegriffen unterliegt. Der Regisseur – und der mit ihm verantwortliche Intendant – darf auch zu schockierenden und drastischen Mitteln greifen, ohne sich strafrechtlicher Verfolgung ausgesetzt zu sehen. Kunst ist einer staatlichen Stil- oder Niveaukontrolle nicht zugänglich; die Anstößigkeit einer Darstellung nimmt ihr nicht die Eigenschaft als Kunstwerk. Die Einleitung von Ermittlungen kommt deshalb nicht in Betracht.

Hochachtungsvoll, Staatsanwältin B.

Man darf, oder muss also Juden auf der Bühne vergasen. Und dies mit üblicher, deutscher Gründlichkeit.

 

Im April 2018 weise ich den Herrn Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier auf diese Vergasung von Juden hin und erhalte am  10. Juli 2018 eine Antwort. Ich zitiere daraus: „In Ihrem Brief werfen Sie unter anderem die Frage auf, wo die Grenzen der Kunstfreiheit liegen … wo z. B. Eine Volksverhetzung nach § 130 Strafgesetzbuch vorliegt … Diese Frage kann nicht generell, sondern nur in jedem Einzelfall beantwortet werden. Die Bewertung solcher Einzelfälle obliegt allein der Staatsanwaltschaft“.

„Unabhängig davon“ – schreibt die Sekretärin – „möchte ich betonen, dass das klare Bekenntnis gegen Antisemitismus dem Bundespräsidenten ein sehr wichtiges Anliegen ist … Seien Sie versichert, dass sich der Bundespräsident auch künftig deutlich gegen Antisemitismus äußern wird“ … Es folgt eine Summe von Auftritten, bei denen der Herr Bundespräsident gegen Antisemitismus präsent sein und sich dort entsprechend dazu äußern wird.

 

Am 07. Juli 2018 wage ich ein weiteres Schreiben: „Sehr verehrter Herr Bundespräsident, als Fachmann und genauer Beobachter der Szene sehe ich, dass der staatliche Bildungsauftrag an die Theater in Deutschland nicht immer erfüllt wird. Da geht es nicht allein um Volksverhetzung, sondern um die staatlich subventionierte Radikalisierung eines Publikums, das sich vermehrt – aber vergeblich – über wütende Buhkonzerte zu äußern versucht.

Im Bildungsauftrag wird dagegen ein positives Ergebnis erwartet. Durch empfundene Freude über eine gelungene Darbietung sollen in den „grauen Zellen“ beim Rezipienten Glückshormone ausgeworfen werden, die eine Durchstrukturierung der Emotionen, eine Ausdifferenzierung der Sinne, ergo die erwünschte Persönlichkeitsbildung generieren.

Dies wäre die notwendige Basis, um auch dem anwachsenden Antisemitismus entgegen zu treten. Leider wird in der Praxis zu oft das Gegenteil bewirkt. Nach vielen Premieren an unseren Theatern sind es Buh-Orgien aus dem Auditorium, die keine Ausschüttung von Endorphinen und damit auch keine Persönlichkeitsbildung unterstützen …“

Dieser Brief wurde von Herrn Frank-Walter Steinmeier bzw. seinem Sekretariat nicht mehr beantwortet.

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