Badische Zeitung: Wir werden alle zu Antisemiten gemacht

Leserbrief 

Zu: „Wo Antisemitismus beginnt“, Beitrag von Annemarie Rösch (Politik, 28. Juni):

 Einige engagierte Mitglieder der Linken, wie Annette Groth, Inge Höger oder Norman Paech waren so mutig, letztes Jahr auf der Mavi Marmara unter persönlichen Gefahren die ungesetzliche israelische Gaza-Blockade zu durchbrechen. Das war der Israel-Lobby so ein Dorn im Auge, dass man beschloss zu handeln. Auch Hermann Dierkes wurde aufs Schlimmste diffamiert, weil er sich offen für eine Boykott-Kampagne gegen israelische Waren aussprach, solange Israel die Menschen- und Völkerrechte missachtet. Auch ich setze mich für den Boykott israelischer Waren ein. Das heißt nicht: „Kauft nicht beim Juden“, wie immer fälschlich behauptet wird, sondern richtet sich gegen Waren. Auch ich lehne einen explizit jüdischen Staat ab. Das war in der Gründungsgeschichte nie so gedacht, sondern Israel sollte demokratisch für alle Staatsbürger sein. Leider ist daraus nichts geworden, sondern Israel hat sich durch Vertreibungen der Palästinenser und Bestehen auf das Anerkennen eines jüdischen Staates immer undemokratischer entwickelt. Dass gerade Erzbischof Robert Zollitsch die Forderungen von Graumann unterstützt, lässt mich nur den Kopf schütteln. Als ich vor einigen Jahren die katholischen Bischöfe nach einem Israel-Palästina-Besuch unterstützte, weil sie erschüttert von einem Ghetto sprachen, waren sie noch Antisemiten.

Inzwischen haben sich die Zeiten geändert, und wir werden alle, wenn wir Israel-Kritik üben oder Boykotte oder die Gaza-Flotte unterstützen zu Antisemiten gemacht. Wir dürfen es nicht länger zulassen, dass die Deutungshoheit über die Begrifflichkeit des Antisemitismus zu einer Hetze in gewissen Medien, Blogs und der Politik gegen uns Israel-Kritiker verkommt, die uns alle einschüchtern will. Übrigens, die Floskel vom Existenzrecht Israel ist überflüssig, da Israel als mächtige Militär- und Atommacht existiert, aber wer tritt für das Existenzrecht Palästinas ein?

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