Barfuß in Delhi – Baerbocks regelbasierte Ordnung floppt in Indien von Jens Berger

 

Zum Begriff „regelbasierte Ordnung“ schreibt Volker Perthes, vormals Leiter der regierungsnahen „Stiftung Wissenschaft und Politik“ (SWP):
„Eine Allianz williger Staaten muss internationale Regeln ersinnen, ohne den Verdacht zu erwecken, dass es dabei um westliche Dominanz geht.“

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6.Dezember.2022 (kurze Videos im Link des Artikels)

Barfuß in Delhi –
Baerbocks regelbasierte Ordnung floppt in Indien

von Jens Berger

6. Dezember 2022

Das Timing hätte kaum schlechter sein können. Am selben Tag, an dem die von der EU initiierte nächste Sanktionsrunde gegen Russland in Kraft trat, besuchte die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock einen der wichtigsten Abnehmer für russisches Öl – Indien. Dumm nur, dass die indische Regierung im Traum nicht daran denkt, sich den westlichen Sanktionen anzuschließen. Viel gab es also nicht mit ihrem indischen Amtskollegen zu bereden und noch weniger zu feiern. Und da es keine Erfolge zu vermelden gab, verlegte Annalena Baerbock sich auf das, was sie am besten kann: Schöne Bilder produzieren. So legte sie barfuß Blumenblüten an Gandhis Gedenkstätte nieder, betete ebenfalls barfuß in einen Sikh-Tempel und fuhr mit der U-Bahn von Termin zu Termin – allesamt natürlich vor Dutzenden Fotografen – die Symbolpolitik eines Landes, das sich mehr und mehr in eine Sackgasse manövriert. Von Jens Berger.

Annalena Baerbock, die ja nach eigenen Aussagen „vom Völkerrecht kommt“, liebt es bekanntlich, ihre Politik hinter bombastisch klingenden Schlagworten zu verstecken. So sollte es bei ihrem Antrittsbesuch in Neu-Delhi um nichts Geringeres gehen als „um wichtige globale Themen wie die Eindämmung der Klimakrise und Wahrung der regelbasierten Ordnung“. Um Klimathemen ging es beim Treffen mit ihrem indischen Amtskollegen Subrahmanyam Jaishankar bestenfalls am Rande und wenn man unter „regelbasierter Ordnung“ das versteht, was Baerbock damit transportieren will, war das Treffen ein einziger Reinfall.

„Regelbasierte Ordnung“ – was soll das eigentlich sein? Die genaue Entstehung dieses Begriffs ist unbekannt. Die älteste Fundstelle in den Archiven der großen Zeitungen und Zeitschriften ist der April 2018. Damals brachte Baerbocks Amtsvorgänger Heiko Maas diesen Begriff erstmals ins Spiel, um die Fortführung der deutschen Sanktionen gegen Russland zu begründen. Deutschland werde sich auf internationaler Ebene für eine „regelbasierte Ordnung“ einsetzen, so Maas. Welche Regeln das sind, ist nicht bekannt. Es liegt aber auf der Hand, dass es weniger um Regeln im eigentlichen Sinne, sondern eher um die transatlantischen Positionen geht, die ja so eins zu eins von der deutschen Außenpolitik übernommen werden. Wie dem auch sei – die „regelbasierte Ordnung“ gehört mittlerweile zu den Lieblings-Schlagwörtern von Annalena Baerbock.

Was sie darunter versteht, wurde auf ihrer Indien-Reise klar. Der Westen – also die EU plus die G7-Staaten USA, Kanada, Australien, Japan und Großbritannien – haben sich als Initiatoren der Russland-Sanktionen auf einen „Ölpreisdeckel“ geeinigt, der gestern, am 5. Dezember, in Kraft getreten ist. Dieses Instrument besagt, dass Drittstaaten für russisches Erdöl maximal 60 US-Dollar pro Barrel bezahlen sollen; ein Preis, der unter dem Weltmarktpreis liegt. Tun sie dies nicht, gelten sie für den Westen als „Sanktionsbrecher“. So sieht sie also aus, die „regelbasierte Ordnung“. Einige wenige, dafür um so mächtigere Staaten nötigen kleineren Staaten ihren Willen auf. Man könnte es auch Neo-Kolonialismus nennen. Ob diese kleineren Staaten ein Problem mit Russland haben und aus freiem Willen Sanktionen gegen Russland umsetzen wollen, spielt dabei keine Rolle. Welche Regel ist das noch gleich? Gibt es im Völkerrecht einen Passus, der die Nötigung von Drittstaaten legitimiert?

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