Bundesheuchler Von Reinhard Lauterbach Junge Welt

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Aus: Ausgabe vom 30.01.2023, Seite 8 / Ansichten
Bundesheuchler
Kanzlerworte zum Ukraine-Krieg
Von Reinhard Lauterbach

Wenn man nicht wüsste, wozu Interviews Politikern dienen – zur Selbstdarstellung –, könnte man nach dem Gespräch des Kanzlers mit dem Tagesspiegel fast Mitleid mit ihm bekommen. Einerseits Phrasen – natürlich ist der Ukraine-Krieg »furchtbar«, aber wenn er »unsinnig« wäre, also niemand gute Gründe für ihn wüsste, würde er nicht geführt. Andererseits ein Regierungshandeln, das die eigenen Phrasen konterkariert. Da soll ein »Überbietungswettbewerb« bei den Waffensystemen vermieden werden, sagt derjenige, der noch Anfang letzter Woche mit der Zustimmung zur Lieferung von »Leopard«-Panzern an die Ukraine an diesem Überbietungswettbewerb mitgewirkt hat. Und damit auch daran, dass aus dem Ukraine-Krieg genau das wird, was Scholz angeblich im Sinne seines Amtseides verhindern will: ein Konflikt zwischen Russland und der NATO. Was Baerbock immerhin vor dem Europarat ehrlich genug war auszusprechen. Nur etwas zu unvorsichtig.

Denn so verdruckst, wie die Äußerungen des Kanzlers daherkommen, sind sie genau das passende Element der kriegspropagandistischen Bearbeitung der deutschen Bevölkerung zum jetzigen Zeitpunkt. Deren erstes Prinzip lautete 1914 wie 1939, den Leuten einzureden, der jeweilige Krieg sei »uns« aufgezwungen worden, und so wird dann auch die Bezeichnung des Krieges als »unsinnig« bei Scholz durchaus zweckmäßig. Denn wenn man kaum nach der ja nicht unumstrittenen Panzerlieferung die nächste Sau durchs Dorf treibe und NATO-Kampfflugzeuge für Kiew fordere, dann untergrabe dies »das Vertrauen der Bürger in staatliche Entscheidungen«, auf deutsch: gefährde womöglich die öffentliche Akzeptanz der schon nicht einmal mehr schleichenden Eskalation. Weiterlesen in jungewelt.de

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