Christian Ströbele R.I.P. von Mathias Bröckers

Christian Ströbele R.I.P.

Christian Ströbele ist 83-jährig in seiner Wohnung in Moabit gestorben. Sein Freund und Anwalt Jonny Eisenberg teilte mit: „Er hat selbst entschieden, dass er den langen Leidensweg, den ihm seine Erkrankungen zugemutet hat, nicht mehr fortsetzen wollte und lebenserhaltende Maßnahmen reduziert. Er war bis zuletzt bei vollem Bewusstsein.

 

Mathias Bröckers hat auf seinem Blog einen sehr würdigen und kämpferischen Nachruf, auf  den leider verstorbenen einzigen, aufrechten Grünen, Christian Ströbele geschrieben, den ich den Lesern von der Hochblauen Seite nicht vorenthalten möchte. EVelyn Hecht-Galinski

 

Christian Ströbele R.I.P.

1, September 2022

Christian Ströbele ist 83-jährig in seiner Wohnung in Moabit gestorben. Sein Freund und Anwalt Jonny Eisenberg teilte mit: “Er hat selbst entschieden, dass er den langen Leidensweg, den ihm seine Erkrankungen zugemutet hat, nicht mehr fortsetzen wollte und lebenserhaltende Maßnahmen reduziert. Er war bis zuletzt bei vollem Bewusstsein. Nicht der Geist, der Körper wurde ihm zur Qual und hat ihn am 29. August 2022 verlassen.”
Weil der Krebs ihn erwischt hatte, wollte er schon 2017 nach fünf Legislaturperioden nicht mehr kandidieren – und seine Pionierleistung, 2002 das erste Direktmandat für die Grünen gewonnen zu haben, nicht wiederholen. Es müsste ihm, der gegen den Kosovo,- und den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr stimmte, auch bei voller Gesundheit schwer fallen, angesichts des radikalen Bruchs der “Grünen” mit jeder Art von Friedenspolitik. Er war einer der wenigen, wenn nicht der einzige prominente Grüne, der sich gegen den Krieg  einsetzte und der auch gegen die neoliberalen, anti-sozialen Hartz 4-“Reformen” unter Schröder/Fischer eintrat. Ein demokratischer Sozialist mit Rückgrat.
Als die taz, die er entscheidend mit initiiert hatte, 1979 den Betrieb aufnahm, war Ströbele (Foto oben von taz-Fotograf Christian Schulz, 1983)  für uns Jungspunde so etwas wie ein Papa – schon deutlich älter, mit einem ordentlichen Beruf als Anwalt und mit Erfahrung vor Gericht und in der Politik. Weil das Abenteuer von ein paar Dutzend Ungelernten jeden Tag eine Zeitung zu produzieren  dazu führte, dass sie oft nicht mal zum Essen kamen, brachte Christian bei seinen Besuchen dann oft Paletten mit Joghurt, Käse oder Kuchen mit. Und setzte sich als gelernter Anti-Imperialist zum Beispiel dafür ein, dass die taz mit der Kampagne “Waffen für El Salvador” die dortige FMLN-Guerilla unterstützt. Die im  taz-Kollektiv schwer umstrittene Kampagne kam nur mit knapper Mehrheit durch und brachte am Ende 4,7 Millionen Mark ein, von denen die ersten beiden Raten vom  Kollegen Thomas Schmid via Schönefeld (DDR) -Kuba- Nicaragua in Aldi-Plastiktüten den Commandantes direkt zugestellt wurden.
Ich stimmte damals mit Ströbele  für diese Waffengeld-Sammlung, eine indigene Guerilla gegen ein CIA-gesteuertes, brutales Militärregime zu unterstützen, das sogar harmlose Würdenträger wie den Erzbischof Romero klatblütig ermordet, schien mir notwendig und recht. So wie mir die aktuellen Waffenlieferungen an die Ukraine absolut unnötig und unrecht scheinen. Denn anders als bei der FMLN haben wir es hier nicht mit einer Guerilla “von unten” zu tun, sondern mit einer “von oben” durch die NATO acht Jahre lang zur größten Landstreitmacht Europas aufgebauten Armee zu tun. Darüber hätte ich jetzt gerne nochmal mit ihm geredet und vielleicht auch gestritten, wie vor 20 Jahren etwa über 9/11 oder immer wieder mal über den traurigen Niedergang der Grünen. Dass sie jetzt zur führenden Kriegspartei in Deutschland pervertiert sind, konnte er nicht verhindern. Er war ein Aufrechter und ein Guter,   integer bis in die Haarpsitzen. Ein seltenes Kaliber in der deutschen Politik – Friedenskämpfer und Menschenfreund, einer der letzten seiner Art. Möge er in Frieden ruhen. Der Kampf geht weiter…

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