Das Böse züchten und dann die Welt davon befreien Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann

 

Aus der Quartalsschrift DAS KROKODIL, Ausgabe 42

http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=28352 Das Böse züchten und dann die Welt davon befreien

Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann

Vor 77 Jahren, im Mai 1945 endete der von Deutschland ausgehende Krieg, und es endete die Judenvernichtung in deutschen KZs. Die Welt war vom Hitler-Faschismus befreit. Doch wie konnte er sich entwickeln? Und wie konnte es unter den Augen der Welt zum Holocaust und zum Hochrüsten der deutschen Kriegsmaschine kommen? Zu diesem Fragenkomplex gibt es eine Antwort. Eine zentrale Rolle spielte die BIZ. „Sie finanzierte den Holocaust und die Kriegsmaschine der Nazis.“ So ist es in „Der Turm zu Basel“ zu lesen, einem Buch von Adam LeBor über die Baseler „Bank für Internationalen Zahlungsausgleich“ (BIZ). Sie war ein entscheidendes Instrument bei der Umsetzung der Strategie, das Böse zu züchten, von dem es dann die Welt zu befreien galt.


Fotomontage von John Heartfield „Wir beten an die Macht der Bomben“ aus AIZ, 12. April 1934

„Vollamtlicher Bankpräsident (der BIZ) vom Januar 1940 bis Juni 1946 und Bindeglied zur Federal Reserve Bank of New York war der US-amerikanische Bankier Thomas H. McKittrick.“ Das steht in „Bankgeschäfte mit dem Feind“, einem Buch von Gian Trepp über die BIZ. Und – so Werner Rügemer: „Ohne die Ölprodukte von Standard Oil hätte die Wehrmacht die energieaufwendigen Kriege… nicht führen können. Hitlers Blitzkriege… und die Judenerfassung wären ohne die Informationstechnologien von ITT und IBM so nicht möglich gewesen.“ Verbindungsmann zum US-Konzern ITT war Bankier Kurt Freiherr von Schröder, in dessen Kölner Villa das entscheidende Treffen für Hitlers Machtergreifung stattgefunden hatte.


Thomas McKittrick, BIZ-Präsident von 1940 bis 1946: Rockefeller-Vertrauter, Mitglied des „Council on Foreign Relations“, Bindeglied zur Federal Reserve Bank of New York (Foto: BIZ)

„Man stelle sich vor: es wütet ein Krieg, der so genannte Zweite Weltkrieg, der am Ende mehr als 50 Millionen Menschen das Leben kosten wird. Auf der einen Seite steht der Faschismus. Und auf der anderen Seite stehen die Länder, von denen wir heute zu wissen glauben, dass sie die Welt von Faschismus und Holocaust befreien wollten. In dieser Situation gibt es eine Bank, mit der die ‘Befreier’ den Faschisten die Finanzierung ihres Krieges ermöglichen. Ist das denkbar? Das ist nicht nur denkbar. Das ist Realität. Die Bank gibt es tatsächlich, und sie trägt die Bezeichnung BIZ – Bank für Internationalen Zahlungsausgleich. Diese Bank hat ihren Sitz in Basel.“ Mit diesen Sätzen beginnt ein Artikel über die BIZ im KROKODIL, Ausgabe 11 (Dezember 2014). Sein Titel lautet: „BIZ – Zentrum einer weltweiten Verschwörung des reaktionären Finanzkapitals“. Er geht der Frage nach, wie der Weltkrieg der Nazis finanziert wurde.

Hitler und das „deutsche Großkapital“

War es nicht – wie wir zu wissen glauben – das „deutsche Großkapital“, das den Aufstieg Hitlers und seiner NSDAP finanzierte? Darauf gibt es eine Antwort: „Der kritische Punkt besteht darin, dass es sich bei den deutschen Industriellen, die Hitler finanzierten, überwiegend um Direktoren von Kartellen mit amerikanischen Verbindungen, Besitz, Beteiligungen und einer Form von Verbindung durch Tochtergesellschaften handelte. Die Geldgeber Hitlers waren zum großen Teil nicht Firmen rein deutscher Herkunft beziehungsweise repräsentativ für deutsche Familienfirmen. Außer Thyssen und Kirdorf handelte es sich meistens um die deutschen multinationalen Firmen – also IG Farben, AEG, DAPAG usw. Diese multinationalen Firmen wurden in den zwanziger Jahren durch amerikanische Anleihen aufgebaut und hatten in den dreißiger Jahren amerikanische Direktoren und hohe amerikanische Beteiligungen.“ Das schreibt Antony C. Sutton in seinem Buch „Wallstreet und der Aufstieg Hitlers“.


Kurt Freiherr von Schröder – Deutscher Bankier mit Verbindungen zum US-Kapital (Quelle: NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln)

Kurt Freiherr von Schröder ist ein Beispiel für einen Verbindungsmann zum US-Kapital. „Wer war Kurt Freiherr von Schröder?“ ist der Titel eines Artikels im KROKODIL, Ausgabe 10 (September 2014), der den Spuren des Hitler-Faschismus und seiner Finanzquellen nachgeht und in dem die Leserschaft abschließend gemahnt wird: „Sollten Sie diesen Artikel bis hierher gelesen haben, sind Sie selber schuld. Sie wissen offensichtlich nicht, dass es Forschungsergebnisse gibt, die es nicht geben darf. Denn sie würden ein Weltbild zerstören, das mit großem Aufwand aufgebaut worden ist. Die USA müssen weiterhin als der große Befreier vom Faschismus gelten, nicht als dessen Initiator. Totschweigen und tabuisieren heißt deshalb die Devise. Und Tabubrechern ist Stigmatisierung zugedacht. Für sie stehen im Arsenal der Herrschaftsstrategen diffamierende Begriffe und weitere Mittel zur Verfügung, mit denen sie zur Strecke gebracht werden sollen.“ Es soll weiterhin das Märchen verbreitet werden, dass Kurt Freiherr von Schröder am 4. Januar 1933 in seiner Kölner Villa als unbedeutender Teilhaber einer unbedeutenden Provinzbank einem unbedeutenden Treffen beigewohnt hat, das nur zufällig Hitler und dem Zweiten Weltkrieg den Weg geebnet hat.

„Während die Halbwahrheit, dass der Hitlerismus mit Hilfe der amerikanischen Streitkräfte 1945 besiegt wurde, in alle Köpfe gehämmert wurde, bleibt die andere Hälfte der Wahrheit, dass derselbe Hitlerismus nur mit Hilfe westlicher (britisch-amerikanischer) Kapitalhilfe überhaupt aufgebaut werden konnte, bis heute ein Tabu akademischer Geschichtsschreibung.“ Das steht auf der Rückseite des Buches von Antony C. Sutton.

Wie Großbritannien und USA das Dritte Reich haben entstehen lassen

Guido Giacomo Preparata legt in seinem Buch „Conjuring Hitler – How Britain and America made the Third Reich“ (Hitler heraufbeschwören – Wie Großbritannien und USA das Dritte Reich haben entstehen lassen) dar, wie die Strategie der USA und insbesondere Großbritanniens darauf ausgerichtet war, Deutschland und die Sowjetunion gegeneinander in die Schlacht ziehen zu lassen – beginnend in den 20er-Jahren damit, die Aufrüstung Deutschlands, den Aufstieg der NSDAP und dann die einzelnen militärischen Schritte Hitler-Deutschlands hin zur Operation Barbarossa, des Feldzugs gegen die Sowjetunion, zuzulassen und zu fördern.

„Es war kein Versehen, dass Deutschland im Rahmen des Versailler Vertrags allmählich, aber stetig aufgerüstet wurde. Seit 1924 gewährten die Angloamerikaner dem, was später Hitlers Kriegsmaschine werden sollte, in weniger als sieben Jahren gut über 150 langfristige Devisendarlehen: Je gründlicher und moderner die Ausrüstung, desto zerstörerischer die deutsche Armee, desto blutiger der Krieg, desto gewaltiger der im Voraus feststehende Sieg der Alliierten (und die Niederlage der präparierten Deutschen) und desto radikaler und nachhaltiger die Eroberungen der Angloamerikaner. Hinter dem Dawes-Freikauf stand weder Landesverrat noch Geldgier, sondern einzig das Fernziel, einen voraussichtlichen Feind hochzurüsten, um ihn in einer kriegerischen Konfrontation – eine Konfrontation, die zu einem späteren Zeitpunkt inszeniert werden sollte – wieder niederzuwerfen.“ (Guido Giacomo Preparata)

US-Hauptziel seit 100 Jahren: deutsch-russische Feindschaft

George Friedman, Gründer und Vorsitzender des US-amerikanischen Think Tanks Stategic Forecasting (STRATFOR), beschreibt die Strategie am 4. Februar 2015 in einem Vortrag für „The Chicago Council on Global Affairs“ wie folgt:

„Das Hauptinteresse der US-Außenpolitik während des letzten Jahrhunderts, im Ersten und Zweiten Weltkrieg und im Kalten Krieg, waren die Beziehungen zwischen Deutschland und Russland. Vereint sind sie die einzige Macht, die uns bedrohen kann. Unser Hauptinteresse war sicherzustellen, dass dieser Fall nicht eintritt… Der beste Weg, eine feindliche Flotte zu besiegen, ist zu verhindern, dass diese gebaut wird. Der Weg, den die Briten gegangen sind, um sicherzustellen, dass keine europäische Macht die Flotte bauen konnte, ist, dass die Europäer einander bekämpften. Die Politik, die ich empfehlen würde, ist die, die Ronald Reagan angewendet hat, im Iran und Irak (Iran-Irak-Krieg 1980-88). Er finanzierte beide Seiten, sodass sie gegeneinander kämpften und nicht gegen uns. Es war zynisch, bestimmt nicht moralisch, aber es funktionierte.“

Befreiung vom US-Imperialismus ist das vorrangige Ziel

Der Bundesverband Arbeiterfotografie hat in seinem Neujahrsappell für das Jahr 2015 aufgerufen: „Lasst uns 2015 zu einem Jahr der Befreiung von imperialistischer Propaganda machen. Der 70. Jahrestag [der Befreiung vom Faschismus] bietet sich an, insbesondere die Propaganda über die angebliche Rolle Englands und der USA bei der Befreiung vom Faschismus unter die Lupe zu nehmen.“ Der Appell beleuchtet dann im Sinne des oben Ausgeführten die Rolle der BIZ, mittels derer die „Befreier“ den Faschisten die Finanzierung ihres Krieges ermöglichten. Weiter heißt es im Appell: „Ergebnis des Krieges ist eine ausgeblutete Sowjetunion und ein (West-)Deutschland als Vasallenstaat im US-Imperium. Und es ist ein Jahrhundertfeindbild geschaffen. Der einst geförderte ‘Führer’ ist zur Inkarnation des Bösen mutiert, auf den bei der Schaffung neuer Feindbilder bei Bedarf Bezug genommen werden kann: Milosevic, Saddam Hussein, Ahmadinedschad – um nur einige Beispiele zu nennen.“ Heute wäre in dieser Aufzählung noch Putin zu ergänzen.

„Der 8. Mai ist der Tag der Befreiung vom Faschismus. Den Tag der Befreiung vom US-Imperialismus, der immer wieder mit faschistischen Kräften zusammenwirkt (man denke nur an Spanien, Griechenland, Portugal, Chile … und heute Ukraine), gibt es noch nicht. Auf diesen Tag hinzuarbeiten, ist eine der Hauptaufgaben, wenn weitere Kriege verhindert werden sollen.“ Das war so bereits 2014 in der NRhZ zu lesen, gilt aber nach wie vor. Wenn das nicht gelingt, ist unser aller Leben bedroht.

Veröffentlichung aus der Quartalsschrift DAS KROKODIL, Ausgabe 42 (September 2022) – Grundsatzschrift über die Freiheit des Denkens – bissig – streitbar – schön und wahr und (manchmal) satirisch.

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