Der Fall Kolbasnikowa: Vom Zensur-Paragrafen und der Wiederholung der deutschen Geschichte Von Gert Ewen Ungar

Dank an Gert Ewen Ungar! Evelyn Hecht-Galinski

Der Fall Kolbasnikowa: Vom Zensur-Paragrafen und der Wiederholung der deutschen Geschichte

Mit der Verurteilung der Friedensaktivistin Elena Kolbasnikowa wird der verschärfte Paragraph 130 erneut angewandt. Zensur wird zum Regelfall in Deutschland. Eine öffentliche Diskussion über Ursachen und Lösungen für den Ukraine-Konflikt wird damit unterbunden. Von Gert Ewen Ungar „Geschichte wiederholt sich, einmal als Tragödie und einmal als Farce.“

Der Fall Kolbasnikowa: Vom Zensur-Paragrafen und der Wiederholung der deutschen Geschichte

Von Gert Ewen Ungar

Mit der Verurteilung der Friedensaktivistin Elena Kolbasnikowa wird der verschärfte Paragraph 130 erneut angewandt. Zensur wird zum Regelfall in Deutschland. Eine öffentliche Diskussion über Ursachen und Lösungen für den Ukraine-Konflikt wird damit unterbunden.
Der Fall Kolbasnikowa: Vom Zensur-Paragrafen und der Wiederholung der deutschen GeschichteQuelle: www.globallookpress.com © IMAGO/Christoph Hardt

 

„Geschichte wiederholt sich, einmal als Tragödie und einmal als Farce.“ Mit diesem Marx-Zitat moderierte die Nachrichtensprecherin des russischen Ersten Kanals, Jekaterina Andrejewa, einen Bericht über die Verurteilung von Elena Kolbasnikowa an. Der Faschismus war die Tragödie. Die Zustände im gegenwärtigen Deutschland sind die Farce, glaubt Andrejewa. Ich bin mir nicht so sicher, ob das stimmt. Zumindest haben die aktuellen Entwicklungen in Deutschland das Potential, sich in Richtung Tragödie zu entwickeln.

Kolbasnikowa wurde vom Kölner Amtsgericht wegen Billigung des „russischen Angriffskrieges“ zu einer Strafe von 30 Tagessätzen zu 30 Euro verurteilt. Die aus dem Donbass stammende Ukrainerin leugnet nach Auffassung der Richterin Denise Fuchs-Kaninski, dass es sich beim Krieg in der Ukraine um einen Überfall Russlands auf die Ukraine handele. Kolbasnikowa hatte in einem Interview mit der Bild-Zeitung gesagt: „Russland ist kein Aggressor. Russland hilft, den Krieg in der Ukraine zu beenden.“

Diese Aussage ist in Deutschland aktuell nicht strittig, sie ist verboten. Sie wird nach Auffassung des Gerichts nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt. Spätestens an dieser Stelle müssten alle Alarmglocken läuten. Wer das Urteil und den dahinter stehenden Paragraphen nicht für bedenklich hält, sollte sein Verhältnis zum Begriff der Meinungsfreiheit überprüfen. Das gilt selbst dann und erst recht, wenn man selbst meint, die Auffassung, Russland hätte die Ukraine überfallen, sei richtig.

Man muss sich der Aussage Kolbasnikowas nicht anschließen, aber wenn man sie verbietet, unterbindet man jede weitere Diskussion über die Ursachen des Krieges und damit auch die Suche nach funktionierenden Lösungen. Die deutsche Rechtssprechung wird damit erneut zum Erfüllungsgehilfen deutscher Kriegstreiberei. Sie leistet dadurch zudem einen Beitrag zur weiteren Isolation Deutschlands.

Der Fall zieht in Russland indes Kreise. Dass es um die Meinungsfreiheit im Westen allgemein und in der EU im Besonderen schlecht bestellt ist, weiß man in Russland spätestens seit dem Verbot von RT durch die EU-Kommission.

Dass sich Deutschland als besonders widerspenstig hinsichtlich der Gewährung von Grundrechten gibt, ist hier in Russland ebenfalls bekannt. Noch vor dem allgemeinen Verbot von RT durch die EU wurde in Deutschland die Ausstrahlung von RT über Satellit verboten. Unter den EU-Staaten ist Deutschland besonders zensurfreudig. Strengere Zensurgesetze als in Deutschland findet man in Europa aktuell wohl nur in der Ukraine.

Mit der Verschärfung des Strafrechts wurde die Meinungsfreiheit in Deutschland weiter eingeschränkt. Wer einen Angriffskrieg öffentlich billigt, muss mit Strafe von bis zu drei Jahren Gefängnis rechnen. Was ein Angriffskrieg ist, legen anscheinend die deutschen Medien fest und deutsche Amtsrichter folgen deren Auffassung. Es ist jedenfalls schwer vorstellbar, dass jemand in der gleichen Weise wie Kolbasnikowa verurteilt wird, weil er öffentlich gebilligt hat, dass Deutschland gemeinsam mit der NATO Jugoslawien überfällt. Nahezu der gesamte Mainstream müsste hinter Gitter.

Elena Kolbasnikowa ist Ukrainerin und stammt aus dem Donbass. Sie weiß, was dort passiert. Die Ukraine bombardiert seit 2014 ihre eigenen Landsleute. Es herrschte acht Jahre Bürgerkrieg. Die Versuche, den Konflikt mit diplomatischen Mitteln zu schlichten, scheiterten unter anderem am Unwillen Deutschlands in seiner Funktion als Garantiemacht, Kiew zur Umsetzung des Minsker Abkommens zu drängen.

Noch im Dezember 2021 bat Russland die NATO und die USA um Sicherheitsgarantien, die verweigert wurden. Anfang 2022 nahm der Beschuss des Donbass durch die Ukraine zu, wie aus den Protokollen der OSZE hervorgeht. Eine Invasion stand unmittelbar bevor. Russland marschierte am 24. Februar 2022 auf Bitte um militärische Unterstützung durch die Donbasser Republiken ein, die sich inzwischen für unabhängig erklärt hatten.

Aktuell wird der Donbass täglich mit westlichen Waffen und mit westlicher Unterstützung beschossen. Es handelt sich dabei um mutmaßliche Kriegsverbrechen. Diese Einordnung des Konflikts in den historischen Kontext soll in Deutschland nicht mehr möglich sein. Eine deutsche Amtsrichterin weiß es besser. Das Urteil wirft mehr als nur ein schlechtes Licht auf Deutschland, es weckt Erinnerungen an die Diktatur des Nationalsozialismus. Es ist der in Gesetz gegossene Wille, Geschichte zu fälschen und jede Kritik zu unterbinden.

Es ist nicht das erste Urteil in diesem Zusammenhang. Bereits im vergangenen Oktober hatte das Hamburger Amtsgericht einen 62-Jährigen zu einer Geldstrafe von 4.000 Euro verurteilt, der den Buchstaben „Z“ an der Heckscheibe seines Fahrzeugs angebracht und damit nach Auffassung des Gerichts den russischen Angriffskrieg gebilligt hat.

Faktisch wird eine öffentliche Diskussion über die Verantwortung für die Entwicklung hin zum Krieg in Deutschland durch die Gesetzgebung unmöglich gemacht. Dass sich der Westen und Deutschland für das Leuchtfeuer der Demokratie und der damit verbundenen Werte halten, wird in Russland inzwischen nur noch belächelt. In Russland jedenfalls darf man wesentlich breiter über die Ursachen des Ukraine-Krieges diskutieren als in Deutschland.

Außerhalb der deutschen Blase sieht man ganz unabhängig von der völkerrechtlichen Bewertung des Einmarsches Russlands in die Ukraine mindestens eine Mitschuld von EU, NATO und USA an der Entstehung des Konflikts. Es muss möglich sein, darüber in Deutschland öffentlich zu sprechen. Deutschland gilt außerhalb des kollektiven Westens als Kriegstreiber, der mit seinen Waffenlieferungen den Konflikt verlängert und den tausendfachen Tod ukrainischer Soldaten billigend in Kauf nimmt. Auch darüber muss es möglich sein, zu diskutieren, ohne dass man sich der Gefahr aussetzt, dafür ins Gefängnis zu wandern.

Mit seiner repressiven Gesetzgebung wiederholt Deutschland seine historischen Fehler. Durch Zensur schafft man Tatsachen nicht aus der Welt. Man schränkt lediglich den Korridor des Sagbaren ein. Dass Deutschland erneut auf der falschen Seite der Geschichte steht, den ukrainischen Faschismus nicht nur leugnet, sondern ihn auch fördert, steht in Russland übrigens außer Frage.

Ich habe den Bericht im russischen Fernsehen zusammen mit meinem russischen Freund Pawel gesehen. Ihm sträubten sich sichtlich die Haare vor gruseligem Erschaudern über die deutschen Zustände. Dieses physische Erschaudern über Deutschland hat mich übrigens tief berührt. Man sollte mit sehr wachsamen Augen auf Deutschland blicken.

Das Urteil gegen Kolbasnikowa ist noch nicht rechtskräftig. Ihr Anwalt hat den Gang durch alle Instanzen angekündigt. Es ist Deutschland zu wünschen, dass es dieses Mal die Korrektur seines Irrwegs aus eigener Kraft schafft. Ansonsten droht die Wiederholung der Geschichte eben nicht unbedingt als Farce.

Mehr zum Thema – Holodomor: Ein angeblicher „Genozid“ als Instrument zum Aushebeln der Demokratie

1 Kommentar zu Der Fall Kolbasnikowa: Vom Zensur-Paragrafen und der Wiederholung der deutschen Geschichte Von Gert Ewen Ungar

  1. Müsste es nicht möglich sein mit Artikeln von Mearsheimer, Baud und anderen gegen ein solches Urteil vorzugehen? Die Uninformiertheit der Richterin kann doch nicht der Maßstab sein.f$

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