Die Russland-Sanktionen sind für Russland auch eine große Chance Autor: Dmitri Trenin

Die Russland-Sanktionen sind für Russland auch eine große Chance

Trotz der enormen Bedeutung der Ereignisse an den Fronten in der Ukraine und in den Beziehungen zwischen Russland und dem kollektiven Westen fanden und finden die wichtigsten Veränderungen der letzten zwölf Monate in Russland selbst statt. Diese Veränderungen sind enorm: Sie kündigen eine neue Form – einen neuen Gesellschaftsmodus – der Russischen Föderation an.

Bild: Moskau – eine geschichtsträchtige Stadt, und, wenn alles gut geht, auch eine Stadt mit einer starken Zukunft: sieh das Business Center hinten links (Foto Christian Müller)

Die Russland-Sanktionen sind für Russland auch eine große Chance

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Trotz der enormen Bedeutung der Ereignisse an den Fronten in der Ukraine und in den Beziehungen zwischen Russland und dem kollektiven Westen fanden und finden die wichtigsten Veränderungen der letzten zwölf Monate in Russland selbst statt. Diese Veränderungen sind enorm: Sie kündigen eine neue Form – einen neuen Gesellschaftsmodus – der Russischen Föderation an.

Zehntausende westlicher Sanktionen haben dem ehemaligen Modell Russlands als „Tankstellenland“, um die berühmte verächtliche Definition des verstorbenen US-Senators McCain zu zitieren, einen unermesslichen Schlag versetzt. Die russische Wirtschaft ist jedoch nicht nur widerstandsfähig, sie wird sogar noch widerstandsfähiger werden. Darüber hinaus haben die Sanktionen die Wirtschaft auf einen Weg gebracht, der zuvor durch die beharrlichen Interessen der russischen Eliten mit ihrem westlich orientierten Denken behindert wurde. Die erzwungene Beendigung der Offshore-Politik durch die Beschlagnahmung des russischen Privateigentums im Westen hat die Reste der Oligarchie zerstört – nun auch im wirtschaftlichen Sinne. Das Einfrieren der Devisenreserven der Russischen Zentralbank und ihre drohende Beschlagnahmung haben die Entdollarisierung enorm gefördert. Die Notwendigkeit, die ausgefallenen Importe aus dem Westen zu ersetzen, hat die industrielle Produktion im Land stimuliert. Es wurden bereits Pläne für eine Wiederbelebung des zivilen Flugzeugbaus und eine deutliche Vergrößerung der Satellitenkonstellation ausgearbeitet, und es wurde die ambitionierte Aufgabe ins Pflichtenheft genommen, die technologische Souveränität des Landes wiederherzustellen.

Auf politischer Ebene hat sich die Elite zurückgezogen. Ein kleiner Teil von ihr hat sich entschlossen, in den Westen zu emigrieren, wo sie näher an ihrem zuvor übertragenen Vermögen ist. Diejenigen, die bleiben, ob sie nun aufrichtig sind oder nicht, scharen sich um die amtierenden Behörden. Viele warten ab und hoffen (aus unserer Sicht vergeblich), dass die Behörden gezwungen sein werden, Frieden mit dem Westen zu schließen und dass alles wieder so wird, wie es vorher war (was nicht der Fall sein wird). Gleichzeitig ist der patriotische Flügel innerhalb der Elite stärker und aktiver geworden, dessen Interessen fest mit Russland verbunden sind. Für die einen ist dies ein Ruf der eignen Seele, für die anderen ein kaltes Kalkül, aber das ist nicht so wichtig: Die Bedingungen des politischen Lebens in Russland haben sich entscheidend verändert und die Ausrichtung auf das Innere von Russland ist jetzt eindeutig stärker als die bisherige Ausrichtung auf total verschiedene Ziele. Die politischen Parteien sind noch auf der Suche nach ihrem Platz im System, aber sie arbeiten bereits auf einer parteiübergreifenden patriotischen Ebene, die zwar durch ideologische Streitereien und die politischen Ambitionen ihrer Führer noch behindert wird, der Staat hingegen legt den Schwerpunkt auf die Sozialpolitik.

Nicht die Sanktionen, die Teilmobilisierung hat die Bevölkerung aufgerüttelt

Die russische Gesellschaft hat den gleichen Schock erlitten wie die Wirtschaft, aber weniger durch die Sanktionen als durch die Mobilisierung, die die drei vorherigen Generationen nicht mehr kannten. Die Gesellschaft hat einen unerwarteten und schweren Schlag erlitten, ist aber nicht zusammengebrochen. Ja, Hunderttausende von Menschen, hauptsächlich aus dem liberalen Teil der Gesellschaft, gingen ins Ausland – zumindest für die Dauer des Krieges. Diejenigen, die geblieben sind, wurden durch den Krieg eher aufgerüttelt. Der Spezialeinsatz der professionellen Militärangehörigen war vorbei, und der Staat brauchte einen landesweiten Einsatz für den Sieg. 300.000 Kämpfer wurden aufgeboten, und nicht alle von ihnen werden nach Hause zurückkehren. Neben diesen militärischen Kämpfern entsteht aber auch eine Gruppe von Bürgern – Patrioten der Tat, nicht der Proteste. Dazu gehören verschiedene Formen der Freiwilligenarbeit, Aktivisten, die Spenden für Soldaten und ihre Familien sammeln, Kriegsberichterstatter auf dem Schlachtfeld und Musiker an der Front. Die Menschen in Kriegssituationen fordern von ihren Behörden nicht nur Professionalität und Verantwortungsbewusstsein, sie versuchen auch, die Situation mit ihren eigenen Mitteln zu verbessern. Weiterlesen in gobalbridge.ch

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