Die Tricks des G7-Gipfels von Thomas Röper

Die Tricks des G7-Gipfels

Der G7-Gipfel hat gezeigt, dass der Westen durchaus verzweifelt über die Lage in der Ukraine ist. Daher hat der Westen zu Tricks gegriffen, die ihm jedoch kaum geholfen haben dürften.

 

Die Tricks des G7-Gipfels

von Thomas Röper

22. Mai 2023

Der G7-Gipfel war auch Thema in russischen Medien. Hier zeige ich, wie in Russland darüber berichtet wurde.

Der G7-Gipfel hat gezeigt, dass der Westen durchaus verzweifelt über die Lage in der Ukraine ist. Daher hat der Westen zu Tricks gegriffen, die ihm jedoch kaum geholfen haben dürften. So war der Sinn der überraschenden Ankunft von Selensky auf dem Gipfel nicht, dass er den Westen nochmal um Geld und Waffen bittet (die Entscheidung zur Lieferung von F-16 war ja schon gefallen) und der Sinn war auch nicht, dass Selensky sich artig vor den Kameras bei seinen Herren und Meistern bedankt.

Der indische Premierminister und der brasilianische Präsident, die sich beide bisher geweigert hatten, sich mit Selensky zu treffen, waren Gäste auf dem Gipfel und so konnte der Westen die beiden überrumpeln. Der indische Präsident traf sich mit Selensky, wobei der Inder nicht glücklich aussah, während der brasilianische Präsident ein Treffen mit Selensky ablehnte.

Darauf – und noch auf einige andere interessante Details – hat der Deutschland-Korrespondent des russischen Fernsehens in seinem Bericht für den wöchentlichen Nachrichtenrückblick des russischen Fernsehens hingewiesen. Wie jede Woche habe ich seinen Korrespondentenbericht übersetzt.

Beginn der Übersetzung:

Beim Austausch von Höflichkeiten mit Biden veränderte sich plötzlich Selenskys Gesichtsausdruck

Der japanische Premierminister Kishida versammelte seine G7-Kollegen in Hiroshima. Dieses Jahr ist der 78. Jahrestag, seit die Atombombe auf die Stadt gefallen ist. Ja, sie ist gefallen. Wie von selbst.

In dieser hohen Gesellschaft ist es nicht üblich, darauf hinzuweisen, dass es die Amerikaner waren, die sie abgeworfen haben. Jetzt sind sie zusammen mit den Kindern derer, die bombardiert wurden und deren Schatten das einzige sind, was an den Wänden der erhaltenen Häuser zu sehen ist, und pflanzen einen weiteren Baum im Friedenspark. Nach dem Motto: Seht alle her, nie wieder.

Allerdings will sich Präsident Biden, wie seine Vorgänger, nicht entschuldigen. Die USA betrachten das nicht als Verbrechen, was bedeutet, dass sie es unter bestimmten Bedingungen wieder tun können. Natürlich nur aus den besten Absichten heraus, für die Werte der freien Welt.

„Wir stehen für gemeinsame Werte, einschließlich der Unterstützung des tapferen ukrainischen Volkes, das sein souveränes Territorium verteidigt und dafür, dass Russland für seine Aggression zur Rechenschaft gezogen wird“, sagte Biden.

Das Thema „Russland zur Rechenschaft ziehen“ zieht sich wie ein roter Faden durch den gesamten Gipfel. Was die jüngsten Sanktionen betrifft, so haben die Amerikaner die Ausfuhr von Farben, Elektronik und Sonnenbrillen nach Russland verboten, und die EU denkt darüber nach, wie sie ohne russische Diamanten und russisches Öl, oder besser gesagt, ohne das indische Benzin, das daraus hergestellt wird, leben kann.

Das Interessante an der Veranstaltung war jedoch nicht ihr Inhalt, denn alles war von Anfang an klar. Die westliche Presse interessierte sich zum Beispiel mehr dafür, ob Selensky nach Japan kommen würde oder nicht. Seine Teilnahme war ursprünglich als Videokonferenz vereinbart worden, doch am Samstag flog ihn ein französisches Regierungsflugzeug nach Hiroshima.

Anscheinend kam die Japanreise für Selensky selbst überraschend. Auf diesen Bildern erklärte der britische Premierminister Sunak ihm seine Rolle, leider wurden sie ohne Ton wiedergegeben, aber im Prinzip ist es klar: Es wird nicht viel verlangt – tun Sie, was Sie immer tun, fragen Sie nach Waffen und Sanktionen, überhaupt können Sie wiederholen, was Sie gerade in Saudi-Arabien gesagt haben. Selensky sprach am Freitag auf dem Gipfel der Arabischen Liga: „Ich bin hier, damit jeder einen ehrlichen Blick auf die Situation werfen kann.“

Selbstverständlich, denn wie kann man ohne Selensky „einen ehrlichen Blick auf die Situation“ werfen? Er glaubt offenbar, dass das nicht geht. Aber wenn man ehrlich ist, wollte Kronprinz Mohammed bin Salman Al Saud mit seiner Einladung vor allem die alarmierende Wirkung ausgleichen, die die Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen zum russischen Verbündeten Iran und die Rückkehr eines anderen russischen Verbündeten, Syrien, auf den Westen haben. Als Selensky das Wort erteilt wurde, nahm Bashar al-Assad trotzig die Kopfhörer für die Simultanübersetzung ab. Es ist im Grunde sinnlos, von dem angeblich gerechten Friedensplan zu hören.

Die arabische Welt kann Selensky nicht geben, was er will, nämlich bedingungslose Unterstützung. Und was sie geben kann, nämlich Vermittlung, will er nicht. Genauso wenig wie seine Herren, die die Ukraine mit Versprechungen neuer anti-russischer Sanktionspakete und Militärhilfe auf einen Krieg bis zum bitteren Ende vorbereiten. Allerdings läuft das nicht immer reibungslos.

Der heutige Austausch von Höflichkeiten zwischen Selensky und Biden wurde durch eine Frage unterbrochen, die den Gast aus Kiew das Gesicht verziehen ließ: „Herr Präsident, hat die Ukraine Bachmut noch unter Kontrolle?“

„Ich glaube nicht, aber Sie müssen verstehen, dass es dort nichts mehr gibt, sie haben alle Gebäude zerstört. Es tut uns leid, es ist eine Tragödie, aber heute ist Bachmut nur in unseren Herzen“, antwortete Selensky.

Die Nachricht von der Einnahme Bachmuts durch die Russen zerstörte das Image, das Selensky im Westen aufgebaut hatte – und zwar, dass er kurz vor dem Sieg steht. Überhaupt wurde der Trick mit seinem Auftritt in Hiroshima nicht einmal für seinen Auftritt mit Biden vor den Kameras inszeniert, daran ist nichts Phänomenales, man brachte ihn dorthin, um ihn den geladenen Gästen – Präsident Da Silva und Premierminister Modi – zuzuschieben, für die das eine absolute Überraschung war. Und dazu noch eine wenig angenehme. Aber das ist den G7 offensichtlich egal – Misstrauen innerhalb der BRICS zu säen und idealerweise Brasilien und Indien von Russland und China wegzuziehen, ist der Schlüssel zum Erfolg im Kampf um den globalen Süden.

Apropos China. Nicht marktkonforme Praktiken im Welthandel, illegale Aktivitäten im Südchinesischen Meer und Menschenrechtsverletzungen, das sind die Dinge, für die die G7 Peking ausdrücklich rügen. Und sie wollen auch viel von China, beispielsweise Druck auf Russland und den Verzicht auf den Einsatz militärischer Gewalt in den Beziehungen zu Taiwan. Letzteres ist paradox, wenn man die jüngsten Äußerungen einiger westlicher Abgesandter betrachtet. Zum Beispiel dieser Engländerin: Liz Truss.

„Manche vermuten, dass der chinesische Präsident Xi darauf wartet, den Feind kampflos zu besiegen, wie es der Kriegsherr Sun Tzu einst ausdrückte. Keiner von uns, die in freien Demokratien leben, darf solche Vorstellungen unterstützen“, sagte die ehemalige britische Premierministerin bei einem überraschenden Besuch in Taiwan.

Liz Truss ist diese Woche in Taiwan gelandet, natürlich ohne den Besuch mit der Volksrepublik China zu koordinieren. Der Besuch fiel mit der Nachricht zusammen, dass der US-Milliardär Warren Buffett seine Beteiligung an Taiwans größtem Mikrochip-Hersteller TSMC verkauft. „Eine großartige Investition“, sagte Buffett, „aber es gibt Zweifel an der zukünftigen Stabilität des Unternehmens.“

Kurz gesagt: er flieht. Und das macht angesichts der Intensität, mit der der Westen Taiwan mit Waffen vollpumpt und es auf die Rolle einer zweiten Ukraine vorbereitet, Sinn. Es gibt keine riskantere, aber auch keine bessere Investition, als in einen Krieg zu investieren, der von anderen für die eigenen Interessen geführt wird.

„Wir haben erneut zugesichert, dass wir die Ukraine so lange wie nötig unterstützen werden, mit humanitärer und finanzieller Hilfe, aber auch mit Waffenlieferungen. Die G7-Staaten haben in dieser Frage einen breiten Konsens gefunden. Das ist auch deshalb wichtig, weil es auch die Botschaft enthält, dass ein gerechter Frieden nur dann möglich ist, wenn Russland einsieht, dass es diesen Krieg beenden und seine Truppen abziehen muss“, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz.

Mit anderen Worten: Russland muss kapitulieren und Reparationen zahlen. Auf dem Gipfeltreffen des Europarats in Island, einer Organisation, der Russland nicht mehr angehört und die 46 Staaten, darunter auch Nichtmitglieder der EU, vereint, wurde beschlossen, ein Verzeichnis der von Russland in der Ukraine verursachten Schäden zu erstellen und jeden einzelnen Cent zu berechnen. Sie haben den Schaden für die Ukraine auf rund 410 Milliarden Euro geschätzt, ganz grob. Das braucht man noch genauer. Die bevorstehende Konfiszierung eingefrorener russischer Vermögenswerte muss zumindest den Anschein der Legalität erwecken.

„Es ist ein äußerst wichtiges juristisches Element, dieses Schadensregister zu haben, damit den Opfern Gerechtigkeit widerfahren kann“, betonte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.

Es besteht kein Zweifel daran, dass der Westen sich selbst zu den Opfern und Geschädigten zählen will, um Ansprüche zu stellen, denn er muss Geld für Waffen und Makrofinanzhilfe ausgeben, ohne die das Kiewer Regime nicht funktionieren kann. Gleichzeitig wird es problematisch, seinen Völkern zu erklären, woher das Geld für das Projekt „Europäische Ukraine“ kommt. Selbst dem deutschen Finanzminister ist es peinlich und er hat Schwierigkeiten, seinen Landsleuten direkt zu sagen, dass das alles aus ihren Taschen bezahlt wird.

„Das Verteidigungsministerium hat weitere großangelegte Hilfe für die Ukraine in Höhe von 2,7 Milliarden Euro angekündigt. Wie soll das finanziert werden?“, wurde Lindner auf einer Pressekonferenz gefragt.

„Die Mittel können wir in den Haushalt einstellen. Ja, mit Mitteln. Mit Mitteln“, war seine Antwort.

Offenbar müssen die europäischen Steuerzahler weiterhin Gelder an den militärisch-industriellen Komplex der USA überweisen, um ihre eigenen Luftstreitkräfte zu modernisieren. Viele Länder hatten es damit nicht eilig, schließlich geht es um enorme Summen, aber jetzt gibt es kein Zurück mehr, denn sie müssen für die F-35 bezahlen, weil die alternden F-16 – von denen die Niederlande, Dänemark, Norwegen und natürlich die USA eine ganze Menge haben – sowie Mirages und Tornados an die Ukraine abgegeben werden.

Allerdings stellt sich eine grundsätzliche Frage: Wer wird diese Flugzeuge instand halten und wo wird man das tun, von wo werden sie zu Kampfeinsätzen fliegen? Das ist etwas, was den Konflikt auf die Stufe einer direkten Konfrontation zwischen Russland und der NATO bringen könnte.

„Wir unterstützen die Ukraine beim Aufbau der Luftwaffe, die sie für die Zukunft braucht, und Großbritannien hat diesen Sommer mit der Ausbildung ukrainischer Piloten begonnen. Und wir haben auf diesem Gipfel einen echten Durchbruch erzielt, dank der Unterstützung von Präsident Biden für die internationale Koalition zur Bereitstellung von F-16-Kampfjets“, sagte der britische Premierminister Rishi Sunak.

„Die Ausbildung kann jetzt beginnen“, sagte der französische Präsident Emmanuel Macron vor Journalisten.

„Das ist also kein Tabu?“

„Nein, das ist kein Tabu.“

„Es war in den letzten Monaten ein Tabu.“

„Nein, wir haben immer dieselbe Linie vertreten, und Frankreich vertritt immer noch dieselbe Position: der Ukraine zu helfen, sich zu wehren. Und es steht jetzt viel auf dem Spiel. Denn der Erfolg dieser Gegenoffensive wird für die Schaffung eines dauerhaften Friedens entscheidend sein“, sagte Macron.

Mit dieser „entscheidenden Gegenoffensive“ hat Macron Selensky Salz in die Wunde gerieben, denn die ganze Woche über versuchten Vertreter Kiews den Westen in den Medien davon zu überzeugen, dass man nicht zu viel erwarten solle, sondern dass das, was man von ihnen erwartet könne, jetzt keine entscheidende, sondern vielleicht nicht einmal mehr eine Offensive sei. Egal, wie die Dinge für die ukrainischen Streitkräfte ausgehen, die bei der Verteidigung von Bachmut eine ganze Menge Reserven aus der so genannten „offensiven Garde“ verbrannt haben, der Vorschuss muss abgearbeitet werden: all die Milliarden Dollar, die Besuche, Umarmungen, Prämien und der Beifall…

Das war so viel, dass Polen eifersüchtig wurde und Selensky in seine Schranken verweisen wollte, indem es von ihm eine Entschuldigung für das Massaker von Wolhynien verlangte. Das wird er natürlich nicht tun – man wird ihn nicht dazu zwingen – aber es könnte gefährlich sein, die Erwartungen der westlichen Geldgeber zu enttäuschen. Die haben nicht mehr viel Zeit.

„Einige Verbündete sagen, Washington betrachte die nächsten fünf Monate als entscheidend für den Ausgang des Konflikts und als letzte echte Chance für Kiew, die Situation zu ändern. Umfragen zeigen, dass die Unterstützung für die Ukraine in den USA schwindet. Die Regierung Biden steht unter dem Druck zu zeigen, dass die Hilfe in Höhe von zig Milliarden Dollar eine signifikante Wirkung auf dem Schlachtfeld erzielt hat. Für die USA ist es wichtig, diesen Krieg als Erfolg darzustellen, um die für die Ukraine ausgegebenen Mittel vor der Bevölkerung zu rechtfertigen“, schrieb die Financial Times.

Das muss in absehbarer Zeit geschehen, denn im November nächsten Jahres finden in den USA Wahlen statt, und Biden kandidiert für eine zweite Amtszeit. Die Ukraine wird angreifen müssen, es gibt keinen Weg zurück, und erst nach dieser entscheidenden Operation wird klar sein, ob für ihre Herren einen gibt.

Bislang hat der kollektive Westen konsequent eskaliert. Wo kann das hinführen? Um sich das vorzustellen, muss man sich die Dynamik vor Augen führen. Beim letzten G7-Gipfel in Deutschland hatte man noch nicht einmal über die Lieferung der Panzer gesprochen – jetzt sind sie in der Ukraine. Auch Langstreckenraketen sind dort. Jetzt diskutieren die G7 in Hiroshima über die Lieferung von Mehrzweckkampfflugzeugen. Kann man völlig ausschließen, dass sie auf dem Gipfel in Italien in einem Jahr oder vielleicht sogar schon früher beschließen, ihnen andere, mächtigere Waffen, vielleicht taktische Atombomben zu geben?

Anm. d. Übers.: Nach dem Korrespondentenbericht folgte noch diese Ergänzung den Moderators Studio.

Am Samstag haben die G7-Staaten im Anschluss an den Hiroshima-Gipfel ein Kommuniqué veröffentlicht. Darin verurteilten sie Chinas „nicht marktwirtschaftliche Praktiken“ und bekundeten ihre Entschlossenheit, „die Widerstandsfähigkeit gegen wirtschaftlichen Zwang zu erhöhen“. Das chinesische Außenministerium reagierte schnell und kühl: „Was den so genannten ‚wirtschaftlichen Zwang‘ angeht, so sind der eigentliche ‚Zwinger‘ USA, der einseitige Sanktionen verhängt und Produktions- und Lieferketten unterbricht, Handels- und Wirtschaftsbeziehungen politisiert und in Waffen verwandelt.“

Das russische Außenministerium hat ebenfalls reagiert. In einer Rede vor dem Rat für Außen- und Verteidigungspolitik sagte Sergej Lawrow: „Die Aufgabe ist klar und deutlich formuliert: Russland auf dem Schlachtfeld zu besiegen, aber damit nicht genug, sie wollen es als geopolitischen Konkurrenten eliminieren. Eigentlich wird auch jedes andere Land, das einen unabhängigen Platz im globalen Gefüge beansprucht, ebenfalls als Konkurrent ausgeschaltet. Sehen Sie sich die Beschlüsse an, die jetzt auf dem G7-Gipfel in Hiroshima diskutiert und gefasst werden und die auf die doppelte Eindämmung Russlands und Chinas abzielen“. Weiterlesen im anti-spiegel.ru

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