Die Welt im „Ausnahmezustand“ Alexander Boos im Gespräch mit Dr. Wolfgang Bittner.

Ich danke Wolfgang Bittner für dieses wichtige Interview, unbedingt lesen. Evelyn Hecht-Galinski

 

Die Welt im „Ausnahmezustand“

Alexander Boos im Gespräch mit Dr. Wolfgang Bittner.

 

AB: Herr Dr. Bittner, kürzlich ist von Ihnen ein neues Buch erschienen mit dem Titel “Ausnahmezustand – Geopolitische Einsichten und Analysen unter Berücksichtigung des Ukraine-Konflikts”. Befinden wir uns geopolitisch und gesundheitspolitisch im Ausnahmezustand? Wie würden Sie diesen Ausnahmezustand definieren?

 

WB: Wo wir hinschauen, herrschen Krieg, Chaos und Konfusion. Die USA haben es geschafft, Europa zu spalten und überall Krisenherde zu schaffen. Es ist doch unnatürlich, wenn Russland als „Reich des Bösen“, so heißt das ja, verteufelt wird, und wenn wir einen Krieg vor der Tür haben, also in einen Krieg hineingedrängt werden, durch den wir ruiniert werden und der Europa, insbesondere Deutschland, auslöschen könnte.

 

In den 1960er und 70er Jahren waren wir schon einmal weiter. Damals hieß es, ich zitiere Alt-Kanzler Willy Brandt sinngemäß: Wir wollen ein Volk der guten Nachbarn sein, im Inneren und nach außen. Das ist vorbei. Die Chancen, die sich damals eröffnet hatten, wurden nicht genutzt und ebenso wenig das Angebot des russischen Präsidenten Wladimir Putin, der 2001 in seiner Rede im Deutschen Bundestag von einem gemeinsamen Wirtschaftsraum von Wladiwostok bis Lissabon sprach. Das war damals noch möglich.

 

Wie würde Deutschland, wie würde Europa heute dastehen, wenn wir darauf eingegangen wären? Aber das haben die USA verhindert. Und es ist auch nicht gelungen, dieses Chaos und diese Konfusion in Deutschland zu verhindern. Also, die Bevölkerung ist gespalten. Wir merken das doch überall: Kriegsbefürworter und Kriegsgegner, Impffanatiker und Impfkritiker . Das ist doch absurd, was sich da abspielt. Der Wirtschaftsminister ist dabei, die deutsche Wirtschaft zu ruinieren, die Außenministerin will Bunker bauen, Luftschutzbunker, und der Verteidigungsminister will noch mehr Geld für Rüstung und noch mehr Geld für Panzer oder noch mehr Panzer in die Ukraine liefern. Da fehlen mir einfach die Worte.

 

Ja, gesundheitspolitisch, wonach Sie auch fragen, sieht es so aus, dass die Weltgesundheitsorganisation, die WHO, die von bestimmten Interessen gesteuert wird, es geschafft hat, mit dieser Corona-Hysterie die ganze Welt in Panik zu versetzen und Kadavergehorsam einzufordern. Sehr viele Menschen leben ja wenigstens seit drei Jahren in einer permanenten Angst vor Viren. Und nun auch vor Krieg. Das ist in der Tat ein Ausnahmezustand.

 

AB: Erlauben Sie mir eine kurze Nachfrage, weil Sie gerade die deutschen Panzer-Lieferungen für Kiew angesprochen haben. Auf der Münchner Sicherheitskonferenz hatten ja kürzlich ukrainische Regierungsvertreter tatsächlich Streumunition und Phosphorbomben als Waffenlieferungen vom Westen gefordert, obwohl diese Waffengattungen international geächtet und verboten sind.

 

WB: Dass die Kiewer Regierung jetzt neben Landstreckenraketen und Kampfflugzeugen auch noch Streumunition und Phosphorwaffen fordert, ist bezeichnend für das, was sich dort wirklich abspielt. Diese Leute haben jegliche Hemmungen verloren. Aber über diese Gemeinheiten und Teufeleien wird von den westlichen Medien kaum berichtet, und die Politiker verschließen schon seit Jahren die Augen davor.

 

AB: Was war die Motivation für Ihr neues Buch, Herr Dr. Bittner? Ich nehme an, Sie wollten darin einen Kontrapunkt zur aktuellen Krisenzeit setzen.

 

WB: Nun ja, viele Menschen merken, dass wir in einem Ausnahmezustand leben. Ich möchte mit meinem neuen Buch darüber informieren, warum das so ist und nicht so sein müsste und auch nicht so sein muss. Vielleicht wachen dann einige auf, die bisher noch denken, dass dies alles sie nichts anginge und die Regierung würde das schon richtig machen. Das Gedächtnis der Menschen ist kurz und die Medien sorgen dafür, dass es kurz bleibt. Deswegen dokumentiere ich viel. Ich analysiere aber auch die augenblickliche Situation und decke auf, was sich geopolitisch abspielt, was das für uns für Folgen hat und wer die Fäden zieht. Natürlich mache ich mir auch Gedanken darüber, wie wir aus diesem Dilemma herauskommen können.

 

AB: Der russische Präsident Wladimir Putin bezeichnete einst den Untergang der Sowjetunion als größte geopolitische Katastrophe des 20. Jahrhunderts. Und Sie bezeichnen in Ihrem Buch, Herr Dr. Bittner, das gestörte Verhältnis zwischen Russland und dem Westen als Jahrhundert-Tragödie. Woran machen Sie das fest?

 

WB: Dass wir jetzt bangen müssen, es könnte zu einem großen Krieg mit Russland kommen, ist doch Wahnsinn. Zwischen Deutschland und Russland gibt es eine jahrhundertelange, gemeinsame Geschichte. Und das soll nun alles vorbei sein, nur weil die Kriegstreiber in Washington das so wollen? Mit den Finanz- und Wirtschaftseliten im Hintergrund, die sich davon Vorteile versprechen, und den Strategen, die diesen durch nichts begründeten Anspruch der USA auf Weltherrschaft durchsetzen wollen. Das ist doch eine Katastrophe, die da provoziert worden ist.

 

Für mich ist offensichtlich, dass die USA auf einen Regime Change in Moskau hinarbeiten, durch Unterwanderung oder auch militärisch. Man muss bedenken, dass Russland das größte Land der Welt mit enormen Ressourcen ist. Seit langem wird ja schon versucht, das Land den Begehrlichkeiten und den geostrategischen Zielen des Westens zu öffnen. Europa wird momentan ruiniert und als Konkurrent der USA ausgeschaltet. Wir brauchen ja nur auf die deutsche Industrie zu schauen, die schrumpft, abwandert oder sogar eingeht. Ich finde, es ist eine Schande, dass die deutsche Regierung das nicht verhindert.

 

Für ein weiteres großes Problem sehe ich an, dass Russland sich jetzt völlig von Westeuropa abgewandt hat und sich neue Partner sucht. Damit ist Russland ja nicht allein. Mehr als die Hälfte der Menschheit will sich diese Dreistigkeiten und die Unterdrückung durch die USA nicht mehr gefallen lassen. Die BRICS-Vereinigung und die, kaum bekannte, aber sehr einflussreiche Shanghai Organisation erhalten immer mehr Zulauf, wodurch dann Westeuropa allmählich in die Bedeutungslosigkeit zu geraten droht. Ich habe ja immer noch die Hoffnung, dass die Berliner Politiker, vielleicht auch einige Journalisten, merken, was sich da in Wirklichkeit abspielt.

 

AB: Welche Rolle spielen westliche Spin-Doctors speziell im Ukraine-Krieg? Das haben sie auch schon in früheren Büchern, zum Beispiel in „Deutschland – verraten und verkauft“ oder „Der neue West-Ost-Konflikt“ beschrieben, die Rolle dieser dieser Beratungs-Agenturen.

 

WB: Das mit den Spin-Doctors, also den Politik- und Kommunikationsberatern, das ist eine ganz üble Sache. Zum einen wird aufgrund einer Langzeitstrategie vorbereitet, wie politisch vorzugehen ist und welche Ziele verfolgt werden sollen. Zum Beispiel beim Krieg in der Ukraine. Das ist ja über Jahre hinweg geplant worden. Die Ukraine ist seit 2014, nach dem Putsch in Kiew, entsprechend aufgerüstet worden. Ich schreibe ja darüber auch in meinem Buch „Ausnahmezustand“. Zum anderen wird eine psychologisch begleitete Propaganda betrieben. Ich meine damit zum Beispiel diesen Feindbild-Aufbau. Warum ist Russland auf einmal unser Feind? Es ist ein Einmarsch in die Ukraine erfolgt, aber die Entwicklung dahin und die Hintergründe, die sollen unbedingt verschwiegen werden. Warum? Selbst der Papst hat gesagt, der Ukraine Krieg sei provoziert oder nicht verhindert werden. Das soll nicht publik werden.

 

Es ist auch nicht untersucht worden, ob für Russland völkerrechtlich Selbstverteidigung nach Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen infrage kommen könnte. Also Notwehr oder Nothilfe, worauf sich Wladimir Putin ja berufen hat, was ich übrigens in meinem Buch genauer untersuche. Hinzu kommt das, was man in der Psychologie „Wording“ nennt, also eine gezielte Manipulation mit bestimmten Begriffen. Da werden dann Begriffe erfunden, also Kampfbegriffe, zum Beispiel Verschwörungstheoretiker, Putinversteher, Antiamerikaner oder auch Annexion. Das hat sich jemand ausgedacht und das wird in diesen Kampf um die Meinungshoheit eingebracht. Wenn man die Annexion der Krim nur lange genug wiederholt, dann wird es zu einer Tatsache, obwohl es sich um eine friedlich verlaufende Abspaltung, eine Sezession, nach einer Volksabstimmung gehandelt hat.

 

Also diese Spin-Doctors, die in den Beratergremien des Weißen Hauses, der NATO und diversen amerikanischen Netzwerken sitzen, die betreiben seit Jahrzehnten eine Indoktrination der Bevölkerung auf allen Ebenen. Sie bleiben im Hintergrund, realisiert werden ihre Vorschläge dann durch die Regierungen mit ihren verschiedenen Diensten und in Deutschland durch die entsprechenden Leute in den mehr als 100 amerikanisch ausgerichteten Netzwerken, die US-amerikanische Interessen vertreten, aber nicht deutsche Interessen. Und natürlich wird das von der Politik und den Medien eins zu eins übernommen. Das merken wir tagtäglich. Ich brauche nur mal den „Deutschlandfunk“ anzustellen. Da geht es jetzt ständig um Frontberichterstattung, Leopard-Panzer und Putin, Putin. Es ist kaum noch auszuhalten.

 

AB: Sie schreiben auf Seite 14 in Ihrem neuen Buch „Ausnahmezustand“, die Bundesrepublik Deutschland stehe unter der Vormundschaft der USA und sei ein Frontstaat gegen Russland. Woran machen Sie das fest?

 

WB: 1945 wurde das bis dahin bestehende Deutsche Reich von den Alliierten unter amerikanisch-britischer Führung aufgelöst. Das gab es auf einmal nicht mehr. Man muss das geschichtlich entwickeln. Die Alliierten hatten durch die Flächenbombardements die deutschen Städte bis wenige Tage vor Kriegsende, als es gar keinen Widerstand mehr gab, noch in Schutt und Asche gelegt. Damit hatten sie eine bedingungslose Kapitulation erzwungen. Das heißt, Sie konnten ab 1945 über West-Deutschland vollkommen verfügen.

 

Die USA haben das genutzt, um dieses Restdeutschland als Frontstaat gegen die damalige Sowjetunion aufzubauen, später dann gegen Russland. Angeblich als unsere Freunde, weil sie die Deutschen vom Nationalsozialismus befreit haben. Aber wenn man genauer hinschaut und ich habe das ja untersucht, dann haben sie die Deutschen und auch die Russen immer belogen und betrogen. Es gibt bis heute keinen Friedensvertrag, was nicht an den Russen liegt. Und auf deutschem Territorium sind nach wie vor etwa 40.000 US Soldaten stationiert, wenn ich richtig unterrichtet bin. Und es gibt elf riesige Luftwaffenstützpunkte. Ja, die Amerikaner haben hier Sonderrechte durch Zusatzverträge zum Truppenstationierungsstatut, was kaum bekannt ist.

 

Außerdem ist Deutschland – das ist ein weiterer wichtiger Punkt – nach der Charta der Vereinten Nationen, immer noch ein Feindstaat. Angeblich hat das keine Bedeutung mehr, aber wenn dem so wäre, hätte dieser Passus ja schon lange gestrichen werden können. Diese Feindstaatenklausel besagt übrigens, dass Zwangsmaßnahmen ohne besondere Ermächtigung durch den UN-Sicherheitsrat verhängt werden können, falls Deutschland erneut eine aggressive Politik verfolgen würde. Eine aggressive Politik gegen wen? Das ist ja weit auslegbar und das schließt gegebenenfalls militärische Interventionen ein. Es ist also ein permanenter Unsicherheitsfaktor in der Politik. Zwar wurde Deutschland im Vereinigungsvertrag von 1990, also dem Zwei-Plus-Vier-Vertrag, volle Souveränität zugesprochen. Aber die Vereinbarung wurde durch Zusatzverträge zum Beispiel über Truppenstationierung und militärische Zusammenarbeit wieder relativiert.

 

AB: Das ist auch in der Öffentlichkeit relativ wenig bekannt, aber rechtlich auf jeden Fall Fakt, was Sie da schreiben und sagen. Damit einhergehend die Frage: Was sind Langzeitstrategien Washingtons, jetzt vor allem in Bezug auf Europa und Russland? Den Begriff Langzeitstrategie haben sie mit geprägt.

 

WB: Darüber habe ich in meinem Buch „Der neue West-Ost-Konflikt“ ausführlich geschrieben. Um das noch einmal deutlich zu machen: Nach Auffassung ihrer Machteliten sind die Vereinigten Staaten bekanntlich „God’s own country“. Sie fühlen sich dazu berufen, die Welt zu beherrschen. Zur Durchsetzung dieses Anspruchs haben sie seit dem 19. Jahrhundert eine Langzeitstrategie entwickelt, wozu die Aufrechterhaltung einer übermäßig hochgerüsteten Armee und die Einrichtung zahlreicher Militärstützpunkte, nicht nur in Deutschland, sondern in aller Welt gehören. Es gibt in etwa 800 bis 1000 US-Militärstützpunkte, darunter einige riesengroße, auch in Deutschland, mit Landebahnen für B-52-Langstreckenbomber und so weiter.

 

Diese Machtpolitik hatte ihren Anfang spätestens 1823, als mit der Monroe-Doktrin ein Interventionsanspruch in Lateinamerika begründet wurde. Und das setzte sich fort mit US-Präsident Theodore Roosevelt, der 1904 die USA pauschal zur Ausübung einer internationalen Polizeigewalt und zur kompromisslosen Durchsetzung wirtschaftlicher und strategischer Interessen ermächtigte, ebenso der nachfolgende Präsident Woodrow Wilson. Da hatte schon lange die letzte vernichtende Schlacht gegen die Ureinwohner, die Indianer stattgefunden, die man ja auch betrogen, belogen und fast ausgerottet hat.

 

Diese brutale, egomanische Politik wurde auch von dem so sympathisch daherkommenden Barack Obama verfolgt. Der sagte nämlich 2016 in einem Interview: „Wir müssen gelegentlich den Arm von Ländern umdrehen, die nicht das tun, was wir von ihnen wollen.“ Also Arm umdrehen, schießen, bomben, das ist die übliche Vorgehensweise. Das Ziel, Weltmacht Nummer Eins zu sein, erreichte die USA endgültig nach dem Zweiten Weltkrieg. Dass sie hinsichtlich des deutsch-russischen Verhältnisses eine Langzeitstrategie verfolgen, das geht überdeutlich aus einer Rede von 2015 des ehemaligen Direktors eines einflussreichen Thinktanks mit Namen „Stratfor“, George Friedman, hervor. Das ist ja mittlerweile bekannt. Ich habe schon 2015 in meinem Buch „Die Eroberung Europas durch die USA“ darüber geschrieben.

 

Friedman sagte, für die Vereinigten Staaten sei seit einem Jahrhundert die Hauptsorge, dass sich deutsches Kapital und deutsche Technologie mit russischen Rohstoff-Ressourcen und russischer Arbeitskraft verbinden. Das sei eine Konkurrenz, wirtschaftlich wie militärisch, die die USA nicht dulden würden. Deswegen habe man einen Cordon Sanitaire, so nannte er das, einen Sicherheitsgürtel um Russland herum aufgebaut. Also soviel zur Langzeitstrategie der Vereinigten Staaten.

 

AB: Sie schreiben weiter in Ihrem neuen Buch, die US-Eliten würden durch Indoktrination, Korruption, Opportunismus, Schulungen, also transatlantische Schulungen die deutschen Eliten beeinflussen. Warum ist das so? Und warum scheinen Bündnis 90/ Die Grünen am nächsten dran zu sein an US-Interessen?

 

WB: Gleich nach 1945 wurde Deutschland nach und nach mit Netzwerken überzogen, die die Interessen der USA vertreten. Als da sind: Die „Atlantik-Brücke“, das „Aspen Institut“, der „German Marshall Fund“ oder auch die Münchner Sicherheitskonferenz, die kürzlich getagt hat, um nur einige von etwa 100 zu nennen. Sehr viele deutsche Politiker und Journalisten in führenden Positionen gehören solchen Netzwerken an, und sie sind zum größten Teil in den USA in sogenannten Young-Leader-Lehrgängen geschult, und ich würde sagen, ausgerichtet worden. Auch das Weltwirtschaftsforum veranstaltet solche Schulungen. Da tauchen zum Beispiel Namen auf wie Angela Merkel, Friedrich Merz, Christian Lindner, Norbert Röttgen, Ursula von der Leyen oder auch die Journalisten Claus Kleber und Josef Joffe. Und so weiter und so weiter. Da könnte man sicherlich ein paar hundert nennen.

 

Besonders aktiv in der Durchsetzung US-amerikanischer Interessen scheinen in der Tat grüne Politiker zu sein. Also Politikerinnen wie Annalena Baerbock oder Politiker wie Cem Özdemir, Omid Nouripour und Reinhard Bütikofer. Die sind sehr rasch in hohe Ämter gekommen, und man fragt sich natürlich, welche Voraussetzungen sie dafür mitgebracht haben, außer dass sie gut vernetzt sind.

 

AB: Was ist mit der FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann und ihren Verbindungen zur Rüstungsindustrie? Das dringt ja auch immer mehr an die Öffentlichkeit. Welche Interessen vertritt die amtierende Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Deutschen Bundestag?

 

WB: Frau Strack-Zimmermann ist ein ganz besonderer Fall. Sie ist Mitglied des FDP-Bundesvorstands, im Vorstand der FDP-Bundestagsfraktion und sie ist die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Deutschen Bundestag. Zugleich ist sie Präsidiumsmitglied der „Deutschen Wehrtechnischen Gesellschaft“ und Präsidiumsmitglied des „Förderkreises Deutsches Heer“. Und sie ist Vizepräsidentin der „Deutschen Atlantischen Gesellschaft“.

 

Bei „LobbyControl“ heißt es, dies seien von der Rüstungsindustrie stark beeinflusste Organisationen. Außerdem werden Strack-Zimmermann auch direkte Verbindungen zur Rüstungsindustrie vorgeworfen, die dadurch über sehr enge und privilegierte Zugänge ins Parlament verfügt. Diese Ämterhäufung bei Strack-Zimmermann ist schon ungewöhnlich. Sie ist zwar kein Einzelfall, aber bei dieser “Volksvertreterin” tritt die Verflechtung von Politik und Rüstungsindustrie in einer Person besonders krass zutage. Vor diesem Hintergrund wird doch transparent, warum die Abgeordneten des Deutschen Bundestages von heute auf morgen und ohne groß zu diskutieren 100 Milliarden Euro Sondervermögen für zusätzliche Rüstung und schweres Kriegsgerät für die Ukraine bewilligten.

 

AB: Glauben Sie, dass Frau Strack-Zimmermann als FDP-Politikerin da auch eine tragende Rolle spielt? Dass man die deutschen Waffenlieferungen für Kiew sonst so nicht hätte organisieren können?

 

WB: Na ja, sie ist eine von denen, die das betreiben, auch die Aufrüstung. Wenn man bedenkt, in welchen Gremien sie da sitzt. Ich weiß nicht, welche Aktien sie hat. Also, das ist schon ziemlich deutlich, was sich da abspielt. Solche Leute gehören nicht in den Bundestag und den Verteidigungsausschuss. Aber wie gesagt, sie ist nicht die einzige.

 

AB: Herr Dr. Bittner, in Ihrem neuen Buch „Ausnahmezustand“ schreiben Sie von Parallelen zwischen dem Ersten Weltkrieg und dem aktuellen Ukraine-Konflikt. Was meinen Sie damit?

 

WB: Das ist hochinteressant. Seinerzeit waren das Deutsche Reich und Österreich-Ungarn, zwei prosperierende Länder in der Mitte Europas, den britisch-amerikanischen Finanz- und Wirtschaftseliten ein Dorn im Auge. Diese Länder sollten weg. Das hat man im Ersten Weltkrieg nicht ganz geschafft, aber dann mit dem Zweiten Weltkrieg. Ich sprach von einer Langzeitstrategie der USA. Der Erste Weltkrieg wurde schon lange vor Beginn von den Strategen in den USA und in England vorbereitet. Das Deutsche Reich wurde mit einem Netz von Intrigen und Verträgen geradezu umzingelt, bis der Krieg als einziger Ausweg erschien. Das meine ich in meinem Buch mit der Parallele zu Russland und dem Ukraine-Krieg. Zu Hitler und zum Zweiten Weltkrieg habe ich ausführlich in meinen anderen Büchern geschrieben. Ja, vielleicht sollte ich das noch deutlich sagen, um nicht missverstanden zu werden: Diese Analyse bedeutet keine Relativierung der Nazi-Verbrechen.

 

AB: Sie befassen sich in Ihrem neuen Buch unter anderem mit den innenpolitischen Vorgängen in Russland. Waren tatsächlich Agenten US-amerikanischer Auslands- und Nachrichtendienste im Umfeld von Ex-Präsident Boris Jelzin in Moskau aktiv? Dass US-Finanzinstitutionen zum Ende seiner Amtszeit versucht hatten, Russland finanzpolitisch zu übernehmen, ist ja auch durch Forscher wie Martin Armstrong oder Michael Hudson mittlerweile bekannt. Dann kam Putin und damit die Wende in Russland. Aber war das tatsächlich so? Waren da direkt US-Agenten im Umfeld von Jelzin tätig?

 

WB: Das ist ein Kuriosum, kann man fast sagen, was sich da abgespielt hat. Einmal mit Jelzin, aber dann wieder mit Trump, der angeblich von Russland ins Amt gehievt worden ist, was inzwischen völlig widerlegt ist. Die zweite Amtszeit von Boris Jelzin, bekanntlich ein Alkoholiker, wurde von US-Experten vorbereitet, es waren wohl hochrangige CIA-Agenten. Das „Time Magazine“ berichtete damals von vier US-Beratern, so nannten sie das, die Umfragen, Zielgruppen-Werbung und andere Techniken des amerikanischen Wahlkampfes benutzten, um Boris Jelzin die Wahl gewinnen zu helfen. Die russische Bevölkerung hatte dann die gravierenden Folgen zu tragen, denn das Land stand kurz danach vor dem Ausverkauf.

 

Putin hat mal gesagt, es sei ausgeraubt worden. Er war der Nachfolger von Jelzin und widersetzte sich den Forderungen der USA nach einer Öffnung und Unterwerfung Russlands. Damit hat er sich natürlich mächtige Feinde gemacht, die ihn systematisch dämonisierten und verächtlich machten. Das war sehr wirkungsvoll, denn im Westen ist er jetzt ein verhasster Autokrat, Machthaber, Diktator oder sogar, was man jetzt kürzlich hörte, ein Massenmörder. So wird über Putin geschrieben und gesprochen. Daran sieht man, was gezielte Indoktrination bewirken kann. In Wirklichkeit wollte man ihn und Russland als Machtfaktor in der internationalen Politik ausschalten. Das steckt dahinter. Ist nicht ganz gelungen, die Welt besteht ja nicht nur aus Westeuropa und den USA.

 

AB: Herr Dr. Bittner, warum ist die Vorgeschichte zum Ukraine-Krieg in der westlichen und deutschen Öffentlichkeit so wenig bekannt? Ich meine hier vor allem die Vorgänge rund um den Maidan-Putsch 2013/2014, also auch den Einfluss westlicher Kräfte bei diesen Ereignissen. Dann der Krieg gegen die eigene russischsprachige Bevölkerung im Donbass, wo das ukrainische Militär laut UN-Angaben von 2014 bis 2021 etwa 14.000 Menschen umgebracht hat. Auch über die Krim wird einseitig berichtet. Warum sind diese ganzen Vorgeschichten so wenig bekannt? Sie erklären doch das, was aktuell passiert. Auch das ist ein Ansatz in Ihrem Buch.

 

WB: Die Fakten werden unterdrückt, weil sich die westliche Allianz als moralisch und im Recht befindlich darstellen möchte gegenüber den angeblich bösartigen Russen. Die Sanktionen sind eine Farce und sie sind schon lange vor dem Ukraine-Krieg eingeführt worden. Das ist ein Wirtschaftskrieg, um Russland gefügig zu machen. Denken Sie an den Abschuss der Passagiermaschine MH-17. Da gab es schon erste Sanktionen, oder an die Skripal-Affäre oder die Navalny-Affäre. Es wurden immer wieder neue Anlässe aus dem Hut gezaubert, um Russland zu schädigen. Beweise gibt es bis heute nicht und die verirrten Deutschen haben da kräftig mitgemacht. Aber diese Vorgeschichte ist schon lange in Vergessenheit geraten. Allen wurde beigebracht, der Westen sei gut und die Russen seien böse. Alles andere ist inzwischen vernebelt worden oder vergessen.

 

AB: Daran anschließend die Frage: Wie würden Sie die Kriegs-Hysterie und die Russophobie, also den Russenhass der deutschen Medien beschreiben, wovon Sie in Ihrem neuen Buch schreiben? Sie zitieren zum Beispiel den australischen Kritiker John Pilger, der sagte: „Das sind keine Nachrichten zum Ukraine Krieg, sondern das ist Hurrapatriotismus, Verzerrung und Auslassung.“

 

WB: John Pilger ist ein sehr bekannter Journalist, der jetzt auch diskriminiert wird, wie alle, die kritisch zum Ukraine-Krieg Stellung beziehen oder zu dem, was sich da zwischen den USA und Russland abspielt. Also was in den Medien passiert, ist Kriegsberichterstattung der übelsten Art! Was die Aufgabe der Medien wäre, nämlich unabhängig zu berichten und zwischen Bericht und Kommentar zu unterscheiden, wird gröblich missachtet. Putin wird als Massenmörder angeprangert. Joseph Biden, der fast alle Konflikte und Kriege der vergangenen Jahrzehnte mit zu verantworten hat, soll der gute Onkel aus Amerika sein? Der gewählte syrische Präsident Assad zum Beispiel sei ein Diktator. Der Präsident Venezuelas, Nicolas Maduro, ein Machthaber, so die verordnete Diktion. Und der saudische Herrscher Mohammed bin Salman, der für den grausamen Tod des Journalisten Khashoggi verantwortlich war, der sei ein Prinz und ein gefragter Gesprächspartner.

 

So läuft es in den Medien. Ständig werden Meldungen der ukrainischen Regierung, des Weißen Hauses oder der NATO ungeprüft übernommen, obwohl klar ist, dass damit Meinungsmache betrieben werden soll. Man hat den Eindruck, dass dubiose Service-Agenturen Politiker, Journalisten und auch Wissenschaftler mit Meinungsmache beliefern. Das wird dann ungeprüft verbreitet. Und die Verbreiter werden dafür belohnt, so sehe ich das. Oft liest, hört und sieht man dann überall dasselbe.

 

AB: Waren die Minsker Abkommen, die eigentlich das Verhältnis zwischen Russland und der Ukraine normalisieren sollten, jemals ernst gemeint?

 

WB: Mit dem Minsker Abkommen von 2015 sollte der Konflikt im Donbass durch Verhandlungen beigelegt werden. Beteiligt daran waren Deutschland, Frankreich, die Ukraine und Russland. Im Hintergrund natürlich die USA. Nun hat im November 2022 Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel in einem Interview etwas sehr Interessantes gesagt, dass nämlich das Minsker Abkommen unterzeichnet worden sei, um der Ukraine Zeit zu geben. Und die Kiewer Regierung habe, so Merkel, die Zeit genutzt, um stärker zu werden. Also wurde dann kräftig aufgerüstet in Hinblick auf einen bevorstehenden Krieg. Das haben der französische Ex-Präsident Hollande und der ehemalige ukrainische Präsident Poroschenko noch einmal bestätigt.

 

Das Abkommen war also, außer von Russland, gar nicht ernst gemeint. Nachdem die Kiewer Ukraine 2014, offensichtlich im Einvernehmen mit den USA, vor der Haustür Russlands Feuer gelegt hatte, wurde der Bürgerkrieg im Donbass so weit angeheizt, dass es zu einem Krieg mit Russland kommen musste. Deutschland, Frankreich, die Ukraine und die USA haben in den Jahren vor dem russischen Einmarsch ein doppeltes Spiel getrieben, das heißt intrigiert, gelogen und Kriegsvorbereitungen getroffen. Damit ist das Vertrauen in die Glaubwürdigkeit und Friedensbereitschaft des Westens endgültig verspielt. Die USA mit ihren Vasallen wollten offensichtlich Krieg in der Ukraine.

 

AB: Dr. Bittner, wie würden Sie „die Dreistigkeit der USA“, wie Sie schreiben, gegenüber Nord Stream 2 bis zur jüngsten Sprengung charakterisieren? Vor wenigen Tagen hat der renommierte US-Investigativ-Journalist Seymour Hersh erneut unter Berufung auf Insider-Quellen behauptet, die USA seien für die Sprengung der Pipelines mit NATO-Partner Norwegen gemeinsam verantwortlich gewesen.

 

WB: Die USA sind jahrelang gegen dieses Pipeline-Projekt Nord Stream 2 auf auf kriminelle Weise zu Felde gezogen. Der deutsche US-Botschafter Richard Grenell, den man hätte ausweisen müssen, hat mit anmaßenden Äußerungen ständig polemisiert.Er hatte im Januar 2019 offen mit Sanktionen gegen die am Bau beteiligten Unternehmen gedroht. Es gab dann Boykott-Drohungen gegenüber der Hafenbehörde von Sassnitz-Mukran, sogar Boykott-Drohungen gegenüber beteiligten Arbeitnehmern; ihnen sollten die Konten gesperrt werden, sie sollten Einreiseverbote erhalten usw. Unglaublich!

 

Die deutsche Regierung ließ sich das alles gefallen. Wie es schließlich weiterging, ist ja bekannt. Beim Antrittsbesuch von Bundeskanzler Olaf Scholz im Februar 2022 in Washington erlaubte sich US-Präsident Joseph Biden unter Missachtung der Souveränität Deutschlands ein Ende von Nordstream 2 zu bestimmen, falls Russland die Ukraine angreifen sollte. Der Bundeskanzler Scholz schaute wortlos zu, davon gibt es Fotos und Protokolle im Internet. Scholz schaute auch noch zu, als Biden auf die Frage einer Journalistin, wie er das denn anstellen wolle, antwortete: „I promise you we will be able to do it – Ich verspreche Ihnen, wir werden in der Lage sein, das zu tun.“ Zu dieser Zeit bemühte sich Wladimir Putin noch, mit Biden über berechtigte russische Sicherheitsgarantien zu verhandeln, um den Krieg gegen die Ukraine zu vermeiden. Also praktisch noch eine Woche vor dem Einmarsch. Vergeblich natürlich.

 

Im September 2022, als viele Menschen für die Inbetriebnahme von Nord Stream 2 demonstrierten, um einer bedrohlichen Notlage zu entgehen, wurde dann die Pipeline zugleich mit Nord Stream 1 durch Sprengungen weitgehend unbrauchbar gemacht. Nun ist der amerikanische investigative Journalist Seymour Hersh nach umfangreichen Recherchen zu dem Ergebnis gekommen, dass die USA diese Sprengungen, also diesen Angriff auf die deutsche Infrastruktur durchgeführt haben. Die deutsche Regierung, die meines Erachtens Bescheid weiß, schweigt dazu. Das ist wieder ein Zeichen für die mangelnde Souveränität. Übrigens wird Hersh, wie alle, die etwas sagen, was nicht genehm ist, scharf angegriffen und diffamiert.

 

AB: Herr Dr. Bittner, meine nächste Frage bezieht sich auf eine Rede von Wladimir Putin, die dieser Ende 2022 in Wladiwostok gehalten hat. Er sagte damals, das Sanktions-Fieber des Westens und seine unverhohlenen und aggressiven Versuche, anderen Ländern Verhalten aufzuzwingen, sie ihrer Souveränität zu berauben und sie ihrem Willen unterzuordnen, seien nicht hinnehmbar. Was meinte der russische Präsident damit?

 

WB: Was ist denn los in Jugoslawien, im Irak, in Libyen oder in Syrien? Was ist da passiert? Was geschieht aufgrund dieser unverantwortlichen, egomanischen Politik der USA weltweit? Das müssen wir uns doch fragen. Putin sprach von irreversiblen tektonischen Veränderungen im gesamten System der internationalen Beziehungen durch die Politik der USA. Die westlichen Eliten würden nicht mehr die Interessen ihrer Länder vertreten. Das kann ich nur bestädigen, darüber schreibe ich in meinen Büchern seit 2014. Also Putin sieht die Zukunft bei den, wie er es nennt, dynamischen, vielversprechenden Staaten in anderen Regionen der Welt, vor allem im asiatisch-pazifischen Raum. Ich sagte bereits, dass sich Russland umorientiert und vom Westen abgekoppelt hat. Zulasten der Westeuropäer.

 

AB: Mal kritisch gefragt. Herr Dr. Bittner: Was entgegnen Sie Kritikern, die behaupten, Sie wären ein Putin-Freund, ein Putinversteher und somit ein Unterstützer seines völkerrechtswidrigen Angriffskriegs?

 

WB: Putin-Freund? Das ist für mich keine Kategorie, über die ich mir Gedanken machen muss. Ich arbeite seit Jahren als selbständiger, unabhängiger Schriftsteller und Publizist. Ich habe Romane geschrieben, Satiren, Gedichte, Essays. Was mich antreibt, politisch Stellung zu beziehen, ist wohl mein seit frühester Jugend ausgeprägtes Gerechtigkeitsempfinden. 2014 merkte ich, dass wir nicht korrekt über den Maidan, diesen damaligen Putsch unterrichtet wurden und dass der Konflikt in der Ukraine auf einen größeren Krieg hinauslaufen könnte. Das erschien mir verantwortungslos.

 

Ich bin ja noch während des Zweiten Weltkriegs geboren und habe das Kriegsende bewusst miterlebt, diesen Horror. Anschließend die Vertreibung aus Oberschlesien. Da die Züge verstopft waren, mussten wir uns mit 20 Kilo Gepäck, die unterwegs noch ausgeraubt wurden, auf dem Dach eines Zuges nach Westen aufmachen. Ich erlebte dann auch den mühsamen Neuanfang im deutschen Westen, wo wir von vielen Einheimischen als Rucksackgesindel und Polackenpack empfangen wurden. Insofern kann ich mit Diffamierungen und Herabsetzungen umgehen.

 

AB: Ja, sie haben darüber in ihrem Roman “Die Heimat, der Krieg und der Goldene Westen” geshrieben, der 2019 erschienen ist. Ich habe das Buch damals mit Spannung gelesen und viel über Ihre persönliche Lebensgeschichte und die Vertreibung aus Oberschlesien gelesen. Aber zurück zu Ihrem neuen Buch „Ausnahmezustand“.Auf Seite 147 schreiben Sie: „Kritiker, Friedensaktivisten und Impfgegner werden oder wurden diffamiert, drangsaliert und verfolgt.“

 

WB: Wir leben inzwischen in einer intoleranten, fanatisierten und zum Teil völlig irren Gesellschaft. Wer sich nicht mit einem neuartigen unerprobten Stoff impfen lassen wollte, wurde als Covidiot diskriminiert, drangsaliert und geradezu verfolgt. Die Drangsalierer, Blockwarte und Verfolger wollen das jetzt, nachdem Wahrheiten über die Pandemie und die sogenannte Impfung ans Licht gekommen sind, nicht mehr zugeben. Niemand entschuldigt sich, alles soll verschleiert werden. Auch was sich jetzt wieder mit der Verfolgung Andersdenkender abspielt, das ist kriminell, verfassungswidrig sowieso.

 

Da werden Vortragsrednern Säle verweigert. Der Organisator der Berliner Großdemonstrationen von 2020, Michael Ballweg, sitzt seit über einem halben Jahr ohne Anklage in Untersuchungshaft – rechtswidrig, wie ich meine. Die Wohnung und das Büro eines Richters, der ein Urteil gegen das Maskentragen in einer Schule gefällt hatte, wurden durchsucht und jemand, der ein „Z“ an der Heckscheibe seines Autos angebracht hatte, wurde zu 4.000 € Strafe verurteilt. Und so weiter. Was sind das für Verhältnisse?

 

Die Frage ist doch, ob wir in Deutschland noch in einem Rechtsstaat leben oder vielmehr in einem rechtsfreien Raum. Während der Corona-Pandemie wurden Grundrechte von der Bundesregierung, also am Parlament vorbei, außer Kraft gesetzt, auch von Landesregierungen und Behörden. Und Gerichte urteilten nach den Vorgaben der Regierung. Das heißt: Die Gewaltenteilung, die eine Grundvoraussetzung für eine Demokratie ist, wurde einfach missachtet. Wie kann so etwas geschehen? Und wenn so etwas geschieht, was ist dann darüber hinaus noch möglich? Jeder, der irgendwie kritisch mit diesen Verhältnissen umgeht, merkt, dass es immer enger wird. Die Frage ist doch, wo das enden soll.

 

AB: Kommen wir zur internationaqlen Politik. Sie zitieren an mehreren Stellen den bekannten wie kritischen CDU-Spitzenpolitiker Willy Wimmer. Er brachte es so auf den Punkt: Wo steuert die Welt hin? Einhaltung der UN-Carta, also auch des Völkerrechts oder US-Sonderrecht für manche?

 

WB: Die USA propagieren eine sogenannte regelbasierte Ordnung, an die sich alle halten sollen bzw bei Androhung von Gewalt zu halten haben. Die Frage ist, wer die Regeln bestimmt, an die sich zu halten ist. Das nehmen die USA für sich in Anspruch – mit welchem Recht? Bis vor einigen Jahren galt im internationalen Recht noch die Charta der Vereinten Nationen, die den Umgang der Staaten untereinander in zivilisatorischer Weise regelt. Das gilt zwar immer noch. Aber die USA halten sich nicht daran. Sie machen, was sie wollen. Und es ist eine Schande, dass die europäischen Staaten, einschließlich Deutschland, das mitmachen. Ich halte das für ein großes Verbrechen, denn mit dieser von den USA beliebig ausgelegten regelbasierten Ordnung ist der Willkür Tür und Tor geöffnet, das erleben wir ja hautnah.

 

AB: Abschließend die Frage, Herr Dr. Bittner: Kommen wir wieder aus diesem Ausnahmezustand heraus? Wie könnten wir diesen überwinden, um für uns eine bessere Zukunft zu ermöglichen?

 

WB: Es wäre an der Zeit, der Willkür der USA Paroli zu bieten. Da die Berliner Regierung das nicht tut, müssten die Menschen auf die Straße gehen, nicht nur in Deutschland. Zurzeit geht alles vor die Hunde, ja, Deutschland geht vor die Hunde. Das kann man so sagen. Ein Politikwechsel ist dringend geboten, wie auch immer, sonst ist diese westliche Zivilisation, die sich schon lange nicht mehr Kultur nennen kann, am Ende. Auch darüber schreibe ich in meinem neuen Buch. Ich denke, die Menschen müssen auf die Straße. Wenn es Millionen sind, wird sich etwas ändern müssen.

 

Wolfgang Bittner: „Ausnahmezustand: Geopolitische Einsichten und Analysen unter Berücksichtigung des Ukraine-Konflikts“, Verlag zeitgeist Print & Online, Höhr-Grenzhausen, zweite Auflage, Januar 2023, 288 Seiten, 19,90 Euro

 

1 Kommentar zu Die Welt im „Ausnahmezustand“ Alexander Boos im Gespräch mit Dr. Wolfgang Bittner.

  1. Danke für das Interview. Die Propaganda lässt sich auch deshalb so Handhaben weil das dem religiösen und besonderen christlichen Denken entspricht. Adam und Eva waren einfach da. Es wird hier schon den Menschen abgewöhnt sich über Ursache und Wirkung auseinander zu setzen. Genau wie im Krieg in der Ukraine. In den Köpfen geht er ein Jahr. In Wahrheit aber schon seit 9 Jahren.
    Hinzu kommt das unser Wohlstand als Freiheit und Demokratie empfunden wird.

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