Endziel: Eine volksdemokratische Republik Von Rainer Werning JW

Ganz herzlichen Dank an Rainer Werning für die Zusendung und Genehmigung seiner hervorragenden  Philippinen Artikel Erstveröffentlichung   in der Jungen Welt. Evelyn Hecht-Galinski

https://www.jungewelt.de/artikel/449999.koloniale-verh%C3%A4ltnisse-aufbrechen-endziel-eine-volksdemokratische-republik.html

 

Aus: Ausgabe vom 03.05.2023, Seite 3 / Schwerpunkt
Koloniale Verhältnisse aufbrechen

Endziel: Eine volksdemokratische Republik

Philippinische NDFP kämpft weiter für revolutionären Umbruch – von Manila als »terroristisch« gebrandmarkt
Von Rainer Werning
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48. Geburtstag: Die Kommunistische Partei der Philippinen feiert mit ihren Genossen der Allianz NDFP (Quezon, 27.3.2017)

Die Nationale Demokratische Front der Philippinen (NDFP) ist ein Bündnis von gegenwärtig 18 Mitgliederorganisationen, das am 24. April 1973 im politischen Untergrund entstand. Dabei handelt es sich wesentlich um sektorale Organisationen von Jugendlichen, Frauen, Arbeitern, Bauern, Fischern, Kunst- und Kulturschaffenden, medizinischem Personal etc. Politisch und ideologisch tonangebend ist bis heute die bereits Ende Dezember 1968 gegründete Kommunistische Partei (CPP), die sich Ende März 1969 mit der Formierung der Neuen Volksarmee (NPA) ihre eigene Guerillaorganisation schuf. Zu den Mitgliedern der ersten Stunde zählen außerdem die Patriotische Jugend, die Christen für Nationale Befreiung und die revolutionäre Frauenorganisation MAKIBAKA (»Befreite Bewegung neuer Frauen«). Die NDFP war landesweit die führende Kraft im (bewaffneten) Widerstand gegen das Regime von Ferdinand E. Marcos (1966–86), der im September 1972 das Kriegsrecht über den Archipel verhängt hatte. Nach seinem Sturz Ende Februar 1986 wurde Marcos samt seiner handverlesenen Entourage von der US-Luftwaffe ins Exil auf Hawaii ausgeflogen, wo er drei Jahre später starb.

Im November 1977 veröffentlichte die NDFP ihr Zehnpunkteprogramm, das später zu einem Zwölfpunkteprogramm erweitert wurde. Oberstes Ziel ist die Schaffung einer volksdemokratischen Republik der Philippinen. Der Weg dorthin soll – im Sinne Mao Zedongs – über einen langwierigen Krieg führen, in dessen Verlauf die Städte schrittweise vom Hinterland aus eingekreist und schließlich in einer Serie militärischer Endoffensiven eingenommen werden sollen. Zu den Minimalzielen, die bereits vielerorts im Hinterland verfolgt und umgesetzt werden, zählen: Verringerung der Ernteabgaben an (Groß-)Grundbesitzer, Abschaffung beziehungsweise Senkung von Wucherzinsen, Basisgesundheitsdienste für die ländliche Bevölkerung und die Organisierung kollektiver Gegenwehr gegen rechte paramilitärische Verbände.

Bis zum Sturz der Marcos-Diktatur galt die NPA mit ihren damals annähernd 30.000 Kombattanten aus Sicht des US-Verteidigungsministeriums (Pentagon) als weltweit am schnellsten wachsende Guerilla. Trotz oder gerade wegen dieser Erfolge verfestigte sich der Militarismus bei der damaligen CPP-Führung, was dazu führte, dass zeitweilige Rückschläge »eingeschleusten Agenten« angekreidet wurden. »Parteiinterne Säuberungsaktionen« kosteten mehr als 1.000 Genossen das Leben – das dunkelste Kapitel in der Geschichte der CPP. Eine seit 1992/93 durchgeführte »Berichtigungsbewegung« innerhalb der Partei spaltete die revolutionäre Bewegung in zwei sich fortan unerbittlich befehdende Lager. Während die sogenannten Reaffirmists am langwierigen Volkskrieg festhalten, verwarfen die Rejectionists dieses Konzept als unzeitgemäß, verließen scharenweise die NDFP und konzentrierten sich fortan auf den parlamentarischen Kampf oder engagierten sich in NGOs.

Die NDFP unterhält seit Ende der 1970er Jahre im niederländischen Utrecht, wo zwischenzeitlich zahlreiche philippinische Linke aufgrund ihrer Verfolgung politisches Asyl gefunden hatten, ein internationales Liaisonbüro. Der sogenannte Antiterrorismusrat der philippinischen Regierung unter dem Kommando altgedienter Militär- und Polizeioffiziere erwirkte, dass die NDFP und mehrere ihrer Führungspersönlichkeiten im Sommer 2021 als »terroristisch« gebrandmarkt wurden.

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