Gedenken zum 30. Todestag von Heinz Galinski in der Synagoge Sukkat Schalom von Andreas Nachama

Ich danke Andreas Nachama sehr für seinen Text über meinen Vater Heinz Galinski der ihn so treffend beschreibt . Ich kenne und schätze Andreas Nachama schon aus „alten Berliner Tagen“ Berliner und uns verbindet eine lange Freundschaft mit ihm und seinen verstorbenen Eltern.Er weiß, eben sowie ich , dass diese alten Zeiten leider Vergangenheit sind.

Evelyn Hecht-Galinski

 

Gedenken zum 30. Todestag von Heinz Galinski in der Synagoge Sukkat

Schalom

 

von Andreas Nachama

zum 19. Juli 2020

 

Das letzte Mal traf ich Heinz Galinski am 12. Juni 1992, um mit ihm Details der für den Herbst geplanten jüdischen Kul­turtage zu besprechen. Er war damals Vorstandsvorsitzender der Jüdischen Gemeinde zu Berlin von 1949 und seit 1988 auch Zentralratspräsident bis zu seinem Tod 1992. Schon von 1954 bis 1963 war er der erste Vorsitzende des Zentralrates der Juden in Deutschland gewesen. Er verstarb am 19. Juli 1992, dem Geburtstag seiner Frau Ruth, nach einer Herzoperation, im Berliner Herzzentrum.

 

Meine frühesten Erinnerungen an Heinz Galinski reichen in die späten 5oer Jahre zurück. Wenn von ihm die Rede war, dann klang darin immer ein Stück Furcht mit: Er sprach in aller Öffentlichkeit aus, was andere hinter vorgehaltener Hand, aber niemals einem Nichtjuden und schon gar nicht in der Öffentlichkeit sagen würden. Lange Zeit meinte ich, Heinz Galinski wäre Rechtsanwalt, denn er sprach so, wie ich mir in meinen Kindertagen immer Anwälte vor Gericht vorstellte. Tatsächlich war er Kaufmann von Beruf, hatte keine Universität besucht. Es schien mir aus seinem Bauch zu kommen, das Gefühl für Risches und für Rosches — heute würde man sagen, für Antisemitismus und Antisemiten. Aber seine Argumentation dagegen, kam aus dem Kopf: glasklar und eiskalt. Das war seine Autorität, gefürchtet von den einen, bewundert, auch schaudernd bewundert von den anderen. Er war längst vor der Zeit, als er wieder zum Zentralratsvorsitzenden gewählt wurde, von allen anerkannter Sprecher der Juden in Deutschland.

 

Seit Ende der 1960er Jahre war er das Ziel linksextremer Terroristen geworden. Er konnte nicht mehr, wie es seiner bescheidenen Lebensweise entsprach mit dem Bus aus seiner kleinen Wohnung in der Geisenheimer Straße im Bezirk Wilmers­dorf, die er seit Ende der 4oer Jahre bewohnte, in die »Gemeinde« fahren, sondern stand unter Personenschutz und musste ein gepanzertes Fahrzeug benutzen.

 

Als er 1987 Ehrenbürger (West-Berlins wurde, bin ich zur Zeremonie der Verleihung ins (Westberliner) Rathaus Schöneberg gegangen. Zufällig traf ich auf Heinz Galinski, als er gerade mit seinem schweren, gepanzerten Fahrzeug vor dem Rathaus Schöneberg eintraf. Es ist ein Bild, das ich nie vergessen werde: Ich habe schon viele an dieser Stelle ihrem Dienst­wagen entsteigen sehen, aber noch keinen, der den »Aufbau nach dem Untergang«, der Auschwitz- und jüdisches Leben im Nachkriegsdeutschland so in seiner Haltung, in seinem Gang, in seinem Gesichtsausdruck verband. Aufmerksam hörte er sich, neben seiner Frau Ruth sitzend, die Laudatio an, ihm gegenüber saßen die drei westlichen Stadtkommandanten, und dann ging ein Ruck durch den kleinen, zier­lich wirkenden Mann, und er ging, nein, er schritt zum Rednerpult im Parlaments­saal und begab sich in sein Element: Er hielt eine seiner Reden, in denen er, tibe­tanischen Gebetsmühlen gleich, gegen erstarkenden Rechtsradikalismus, Antisemitismus und Anti-Israelismus immer das Gleiche sagte, ohne jemals dasselbe zu sagen; er las ohne Furcht auch anwesenden Politikern die Leviten und schaffte es, immer wieder gute Reden zu halten, nicht wie einige andere jüdische Honoratioren sich bei seinen Zuhörern anzubiedern, sondern die auf den Nägeln brennenden Probleme beim Namen zu nennen. Auch im Zusammenwir­ken mit starken Rednern hielt Heinz Galinski immer die beste Ansprache. Seit drei Jahrzehnten ist die Stimme Heinz Galinskis verklungen: seine mahnenden Worte klingen noch immer in mir und fehlen mir heute mehr denn je.

 

Andreas Nachama ist Rabbiner der Synagoge Sukkat Schalom der Jüdischen Gemeinde zu Berlin und Vorsitzender der ARK

 

 

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