Grausame Gemeinsamkeiten Von Evelyn Hecht-Galinski

Kommentar vom Hochblauen

Grausame Gemeinsamkeiten

 

Von Evelyn Hecht-Galinski

 

Ich erinnere mich noch sehr gut an den 31. August 2015, als Kanzlerin Merkel überwältigt von der Situation an den europäischen Grenzen von „unendlich vielen Tragödien“ und „unfassbaren Gräueln“ sprach und von Bildern, die „unsere Kraft übersteigen“. Das war eine völlig neue Seite an dieser knallharten Machtpolitikerin Merkel, die sich endlich einmal als warmherzige „evangelische Pastoren-Tochter“ präsentieren wollte, voller Empathie und Warmherzigkeit. Aber passte das wirklich zu ihr? Wohl kaum. Gerade Merkel, die außer ihrem aufgesetzten „europäischen Küsschen“ Verteilen wenig an Charme zu bieten hat, verlässt sich gnadenlos auf ihre Imagepflege. Penibel achtet sie darauf, wie ihre Umfragewerte steigen oder fallen, ohne dabei allerdings an die Bürger zu denken. Dieses Gespür scheint ihr allerdings völlig abhanden gekommen zu sein. Hätte sie sonst so selbstherrlich ihre einsamen Entscheidungen gefällt?

 

Härteste Asylrechtsverschärfungen in Kraft gesetzt

 

Das System Merkel funktionierte solange reibungslos, als sie alle beiseite räumte, die ihr gefährlich werden konnten. Tatsächlich wurden unter ihrer Regentschaft nach und nach die härtesten Asylrechtsverschärfungen in Kraft gesetzt und Abschiebungen vorgenommen. Merkels Politik veränderte sich von der „Willkommenskultur“ zur „Deportationskultur“.

 

Die gesamte EU inklusive Merkel hat es versäumt, eine europäische Lösung zu Stande zu bringen. Was in Jahren versäumt wurde, kann heute mit der neuen rechtspopulistischen Richtung erst recht nicht mehr funktionieren. Tatsächlich mit den Visegrad-Staaten wie Ungarn, Polen, Tschechien und der Slowakei ist kein Staat zu machen. Sie, die sich standhaft weigern, Flüchtlinge aufzunehmen, und besonders keine Muslime, sind rassistische Populisten, die besser zum „Jüdischen Staat“ passen als in die EU.

 

Wenn jetzt auch noch Italien und Österreich mit rechtsextremen Regierungen dazu stoßen, dann werden wir nur noch die Kampfbegriffe „Flüchtling“, „Asylant“ und „Islam“ durch die Festung Europa schallen hören. (Robert Menasse m DLF Interview)

 

Der österreichische Kanzler Kurz hat am 1. Juli die EU-Ratspräsidentschaft übernommen und in Österreich zusammen mit seinem Koalitionspartner FPÖ eine anti-islamische Wende vollzogen, die ihresgleichen sucht.

 

Feindbild Muslim hat Feindbild Jude abgelöst

 

Was also haben diese Politiker alle gemeinsam? Sie wollen eine national-abgeschottete Politik betreiben, die vor allen Dingen Flüchtlinge und Muslime trifft. Das Feindbild Islam-Muslim, hat das frühere Feindbild Jude abgelöst.

 

Ein Anti-Judaismus hat sich in einen Anti-Islam verwandelt. Allerdings versucht die Israel-Lobby in gezielten Ablenkungskampagnen, den Antisemitismus hervorzuheben, der in Wirklichkeit in Deutschland so gut wie keine Rolle spielt. Allerdings hat die berechtigte Kritik am „Jüdischen Staat“ zugenommen. Wie kann man eine „Liebe“ zu den jüdischen Besatzern gründen, die ihren Staat rücksichtslos auf Kosten der vertriebenen Palästinenser aufbauten. Wenn dann auch noch dieser Staat aufgrund der Vergangenheit unkritisch gefeiert wird, dann steigt die Wut auch in mir hoch. Gezielt wird versucht, die Kritik am „jüdischen Staat“ zu unterbinden. Was wir derzeit in Gaza erleben, sollte uns alle wütend machen, besonders wenn noch dazu kommt, dass medial mehr als einseitig Partei ergriffen wird, für die angeblich gefährdeten Israelis, die vorgeben, sich nur gegen die palästinensischen Raketen und Marschierer zu wehren. Anstatt den illegal Besetzten Beistand zu leisten, werden sie kriminalisiert.

 

Besonders schlimm dabei allerdings ist es, dass gerade die Merkel-Ära einen besonderen Anteil an diesem Versuch hat, die Meinungsfreiheit einzuschränken, wenn es um den „Jüdischen Staat“ geht. Mir scheint, dass es mittlerweile eine Art „Medienblockade“ gibt, wenn es um eine objektive Berichterstattung der wahren Zustände im illegal besetzten Palästina geht.

 

Kriminalisierung von Videos, die die brutale Realität aufdecken

 

Während in Gaza verzweifelte Palästinenser gewaltfrei versuchen, ihr Volk zu befreien und das mit Kameras zu dokumentieren. Während die „moralischsten“ aller Scharfschützen mit der Waffe in der Hand das versuchen zu verhindern. Warum wohl versucht die Regierung das Gesetz durchzubringen, das das Filmen von israelischen Soldaten in Palästina kriminalisieren wird und mit dem das Filmen mit einer geplanten Haftstrafe von mindestens fünf Jahren geahndet werden soll?

 

Es geht um die Dokumentationen palästinensischer und jüdischer Gruppen, die unzähligen von Hebron bis Gaza gedrehten Videos, mit denen die brutale Realität der kolonialen Besatzung aufgedeckt wird.

 

Während im „Jüdischen Staat“ BDS-Aktivisten abgeschoben werden, versucht man sie hier zu Lande von öffentlichen Räumen fernzuhalten und sie zum Schweigen bringen. Aber die Wahrheit lässt sich nicht vertuschen, auch wenn die Zionisten und ihre willigen Helfer nichts mehr fürchten, als die Wahrheit.

 

Besonders beschämend, dass gerade der Präsident des Zentralrats der Juden Schuster sowie viele andere jüdische Funktionäre eine mehr als unrühmliche Rolle spielten in dieser Geschichte. Er sprach ebenso wie CSU-Heimatminister Seehofer von „Obergrenzen“ und „muslimischem Antisemitismus“.

 

Abschiebung, um den „jüdischen Charakter“ Israels nicht zu gefährden

 

So wie das Netanjahu-Regime alles dafür tut, Flüchtlinge und Asylanten in Haft zu nehmen, sie abschiebt oder diese „Infiltranten“ gar nicht erst ins Land lässt, um den „jüdischen Charakter“ nicht zu gefährden. Ebenso wird dabei nicht an die palästinensischen Bürger des „Jüdischen Staates“ oder die Palästinenser, die unter illegaler jüdischer Besatzung leben, gedacht.

 

Was ist also anders an der Politik von AfD-Politikern oder anderen Rechtsextremen, die sich so gern bei Netanjahu treffen und voll hinter den „Juden“ stehen?

 

Gerade diese AfD-Politiker, die das „System“ bekämpfen, nehmen sehr gern das Geld vom „korrupten“ System, um eine Parteistiftung zu finanzieren. Auch der Gauland-Vergleich zwischen Merkel und Hitler, dessen Namen er zwar nicht nannte – aber jeder wusste wer gemeint war – war eine „Gauleiterische“ Entgleisung.

 

Mit Nazi-Vergleichen arbeiten sowohl „Braune“ als auch Zionisten sehr gern, da treffen sie sich auf einer Linie.

 

Allerdings ist auch die so genannte Linke, wenn es um den „Jüdischen Staat“ geht, „voll eingebunden“. Denken wir nur an die letzten Besuche im „Jüdischen Staat“ von Links-Partei-Besuchern wie Ramelow, Bartsch oder Wagenknecht.

 

Merkel: die letzte, der man Mitgefühl für Flüchtlinge abnimmt.

 

Was hat Merkel jemals dafür getan, dass der „Jüdische Staat“ in seiner völkerrechtswidrigen Besatzungspolitik aufgehalten wurde, geschweige denn zur Rechenschaft gezogen wurde für seine Massaker, Kindermorde, Repressalien – seinen staatlichen Terror. Immer wieder tolerierte Merkel diesen Staat mit aller ihrer „protestantischen“ Kraft. Sie also ist die Letzte, der man dieses Mitgefühl für Flüchtlinge abnimmt.

 

Liest man den z.T. äußerst fragwürdigen „Masterplan Migration“ Seehofers, dann stehen die meisten der 63 Punkte sicher im vollen Einklang mit der Kanzlerin. Als besonders Besorgnis erregend sehe ich allerdings die Punkte an, die alle Flüchtlinge quasi zu Kriminellen machen und sie daher schon einmal zu Eindringlingen werden lässt, genau nach Netanjahus Art. Dieser Satz war für mich mehr als unerträglich: „Um der aktuellen Notlage bei Abschiebehaftplätzen zu begegnen sollte die Trennung von Abschiebegefangenen und anderen Häftlingen vorübergehend ausgesetzt werden und die Bundesländer sollten zum Ausbau ausreichender Haftplätze angehalten werden“. (1)

 

So werden Feinde inszeniert, diese Maßnahmen werden sicher keine Integration fördern, sondern Ablehnung (gewollte?) erzeugen.

 

Seehofer, der eigentlich schon nach Verwendung seines Ausspruchs „Asyltourismus“ hätte zurücktreten müssen, auch wenn er das Wort wieder zurücknahm, zeigt das doch seine wahre Meinung. Gerade Deutsche sollten aus ihrer Geschichte gelernt haben und wissen, dass kein Flüchtling nur zum Spaß flüchtet.

 

„Crazy Horst“ und die „Heilige Angela“

 

Nach dem „Asyltourismus“, kam jetzt die Einigung von CDU/CSU, zwischen „Crazy Horst“ und der „Heiligen wir schaffen das Angela“, in der Nacht zum Dienstag. Es ging den beiden alt aussehenden Auslaufmodellen gar nicht mehr um Flüchtlinge und Migranten, sondern nur noch um ihren Machterhalt. Jetzt, sollen die „Asyltouristen“ in „Transitzentren“, einem Begriff aus der Mottenkiste, der nichts anderes besagt, als Flüchtlinge in „Internierungslagern“ zu konzentrieren, in einer Art „Käfighaltung“. Die SPD, die inzwischen kaum mehr wahrgenommen wird in dieser GRO/KO, überlegt noch verzweifelt, wie sie diesem Kompromiss zustimmen kann. Ihr Fünf-Punkte-Plan, den sie schnell präsentierte, um vor den Wählern nicht ganz nackt dazustehen, ist inzwischen so verzweifelt an diese Kanzlerin gekettet, dass von ihr keine vernünftige und eigenständige Politik mehr zu erwarten ist. Neuwahlen sind deshalb das, was die SPD am meisten fürchtet. Schon lenkt die SPD ein, wird sie das hinnehmen was sie 2015 noch ablehnte, nämlich Transitzonen. Fraktionschefin Nahles sieht 2018 schon einen anderen Sachverhalt und würde Transitzentren heute nicht mehr ablehnen, da diese nicht als geschlossene Einrichtungen zu sehen seien – schließlich wären sie ja zum Nachbarland offen. Ich schätze, dass nach weiteren Beratungen sich die SPD kompromissbereit zeigen wird. Diese Regierung definiert sich nur noch aus Gerangel und Wort-Definitionen. Zu diesem unwürdigen Gerangel hat Stephan Detjen vom DLF einen brillanten Kommentar verfasst, Titel “ Potemkinsche Dörfer der Asylpolitik“. (2)

Die einzige wirkliche Lösung wäre endlich ein Einwanderungsgesetz auf den Weg zu bringen, dass so dringend gebraucht wird. Nur durch so ein Gesetz wird Einwanderung und Integration gefördert.

 

Solange allerdings über Muslime immer abfälliger gesprochen wird, diese als Sicherheitsproblem, Terroristen und Gefährder dargestellt werden, solange wird es kein wirkliches Miteinander geben, dass wir alle gemeinsam brauchen.

 

Wir haben genug Mauern!

 

Warum plant die Regierung neue Pflegekräfte aus Albanien und dem Kosovo anzuwerben, wo wir doch ein so großes Potential an arbeitswilligen Flüchtlingen haben? Haben wir nicht schon genug Mauern in der Welt, angefangen von der Apartheidmauer im „Jüdischen Staat“ bis zur geplanten Mexiko-Trump-Mauer und jetzt um die Festung Europa.

 

Solange das westliche „christlich-jüdische“ Anti-Islam Bündnis immer mehr Waffen und Kriege exportiert, solange wird es immer mehr Flüchtlinge geben, und wohin die gehen, hat Netanjahu Merkel schon prophezeit. Während der „Jüdische Staat“ sich abschottet gegen Flüchtlinge und nur Juden die „Rückkehr“ gestattet, solange wird es Flüchtlinge geben und das liegt auch an der deutschen Politik, die nichts dazu beigetragen hat, diese palästinensischen Flüchtlinge in ihre Heimat heimkehren zu lassen.

 

Das „Stürmende Kampfblatt“ des Zentralrats der Juden schrieb schon einen wehmütigen Fast-Nachruf auf Merkel: “ Danke, Merkel“! Dass sie ein Glücksfall für die jüdische Gemeinschaft in Deutschland war und man nie eine größere Freundin im Kanzleramt hatte, dann macht mich das wütend.

 

Mit Merkels Politik wurde ein völkerrechtswidriger „jüdischer Besatzerstaat“ gegen alle Regeln des Grundgesetzes zur deutschen Staatsräson erklärt und dieser tatkräftig mit Rüstungsgeschenken und falscher Solidarität beglückt. Dagegen ließ sie jegliche Empathie für die leidenden Menschen im abgesperrten Ghetto Gaza missen. Soweit reicht ihr protestantisches Pfarrerstochter-Herz nicht. Nein danke, Merkel!

 

Genug der grausamen Gemeinsamkeiten zwischen christlichen Zionisten und jüdischen Zionisten!

 

 

Fußnote:

 

1 https://media.frag-den-staat.de/files/docs/ee/3b/81/ee3b817c3b5d48a19d870f4915820585/sog-masterplan-csu.pdf

2 https://www.deutschlandfunk.de/transitzonen-potemkinsche-doerfer-der-asylpolitik.720.de.html?dram:article_id=421985

 

 

In der Neuen Rheinischen Zeitung (NRhZ) veröffentlicht in Ausgabe 666 vom 04.07.2018 unter http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=25007

 

 

Evelyn Hecht-Galinski, Tochter des ehemaligen Zentralratsvorsitzenden der Juden in Deutschland, Heinz Galinski, ist Publizistin und Autorin. Ihre Kommentare für die NRhZ schreibt sie regelmäßig vom „Hochblauen“, dem 1165 m hohen „Hausberg“ im Badischen, wo sie mit ihrem Ehemann Benjamin Hecht lebt. (https://www.sicht-vom-hochblauen.de/) 2012 kam ihr Buch „Das elfte Gebot: Israel darf alles“ heraus. Erschienen im tz-Verlag, ISBN 978-3940456-51-9 (print), Preis 17,89 Euro. Am 28. September 2014 wurde sie von der NRhZ mit dem vierten „Kölner Karls-Preis für engagierte Literatur und Publizistik“ ausgezeichnet.

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