Klinkenputzen in Lateinamerika – Europäer auf der Suche nach Verbündeten „gegen Putin“ Von Felicitas Rabe

 

Klinkenputzen in Lateinamerika – Europäer auf der Suche nach Verbündeten „gegen Putin“

Neben dem britischen Außenminister besuchten zuletzt auch der EU-Ratspräsident, der ukrainische Präsident und der deutsche Bundeskanzler diverse Länder in Lateinamerika. Dort wollen sie die Regierungschefs überzeugen, sich gegen Russland zu positionieren und Waffen in die Ukraine zu liefern. Als Nächstes versuchen die EU-Kommissionspräsidentin und die deutsche Außenministerin ihr Glück.

Klinkenputzen in Lateinamerika – Europäer auf der Suche nach Verbündeten „gegen Putin“

Von Felicitas Rabe

Neben dem britischen Außenminister besuchten zuletzt auch der EU-Ratspräsident, der ukrainische Präsident und der deutsche Bundeskanzler diverse Länder in Lateinamerika. Dort wollen sie die Regierungschefs überzeugen, sich gegen Russland zu positionieren und Waffen in die Ukraine zu liefern. Als Nächstes versuchen die EU-Kommissionspräsidentin und die deutsche Außenministerin ihr Glück.
Klinkenputzen in Lateinamerika – Europäer auf der Suche nach Verbündeten "gegen Putin"Quelle: www.globallookpress.com © Press Office of Ukraine

 

Am Mittwoch hat der britische Außenminister James Cleverly zum Ende einer einwöchigen Lateinamerika-Reise Brasilien besucht. Zuvor hatte er bereits wichtige diplomatische Gesprächstermine in Kolumbien und Chile absolviert. Offiziell ging es um bilateralen Handel und die Kooperation zwischen Großbritannien und Lateinamerika in Energie- und Umweltfragen. Regierungsbeamte aus zwei der von ihm besuchten Ländern erklärten jedoch, Cleverly wollte auch ihre jeweilige Haltung gegenüber Russland und China erörtern.

Aktuell versuchen hochrangige Diplomaten der großen europäischen Nationen und Institutionen, mit einer „Charme-Offensive“ im Russland-Ukraine-Konflikt neutral gesinnte lateinamerikanische Länder auf ihre Seite zu ziehen. Dazu veröffentlichte das Politmagazin politico am Mittwoch eine Analyse.

Als Teil eines breiteren geopolitischen Kampfes mit Russland und China bestehe Europas Strategie darin, Länder in Lateinamerika „für ihre Sache“ zu gewinnen. Bereits im Dezember habe der britische Außenminister diesbezüglich einen umfassenden diplomatischen Vorstoß angekündigt. Man wolle Nationen gewinnen, die „sich selbst oft als ‚blockfrei‘ bezeichnen“.

Neben dem Ziel, die lateinamerikanischen Regierungschefs davon zu überzeugen, ihre Neutralität im Ukraine-Konflikt aufzugeben, gebe es auch ganz handfeste praktische Interessen. Politico zufolge durchstreifen die politischen Verbündeten der Ukraine die Welt „auf der Suche nach wichtigen Mineralien für Hightech-Lieferketten sowie nach Munition und Waffen für die Rückeroberung der von Russland besetzten Gebiete“. Schließlich verfügten Chile und Brasilien über Hunderte von Leopard-Panzern aus deutscher Produktion. In Kolumbien und Brasilien gebe es zudem militärisches Gerät aus russischer Produktion, wie zum Beispiel MiG-Transporthubschrauber und Panzerabwehrraketen.

Erst am Sonntag habe der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij in einer Rede auf dem G7-Gipfel versucht, Brasilien zur Unterstützung zu motivieren. Das Land hat zwar die russische Operation in der Ukraine verurteilt, es jedoch abgelehnt, militärische Hilfe zu leisten oder Russland zu sanktionieren. Gegenüber Politico habe ein brasilianischer Beamter weitergehende Unterstützung für Kiew ausgeschlossen. Auch ein chilenischer Beamte habe auf Nachfrage ausgeschlossen, dass Großbritannien Chile dazu bewegen könnte, militärische Hilfe für die Ukraine zu leisten:

„Das wird nicht passieren, ganz und gar nicht. … Das ist ein Thema, das von den Großmächten gelöst werden muss, nicht etwas, was wir vom Ende der Welt aus tun können.“

In seiner Rede in Santiago habe der britische Außenminister erst am Montag versucht, lateinamerikanische Regierungen mit besonderen Angeboten enger an den Westen zu binden. Die Region verdiene ein größeres Mitspracherecht auf der internationalen Bühne, plädierte er. Zudem wolle er sich dafür einsetzen, dass Brasilien einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen erhält:

„Die multilateralen Institutionen unserer Welt müssen reformiert werden, insbesondere, um Lateinamerika mehr Mitsprache und Einfluss zu verleihen.“

Entsprechende Vorstöße habe auch die Europäische Union in den vergangenen Monaten unternommen. So besuchten etwa EU-Ratspräsident Charles Michel und der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz Lateinamerika. Insbesondere Michel befürchte, dass einige Länder des sogenannten Globalen Südens gegenüber Russland zu wohlgesonnen seien. Dem Ansinnen von Scholz habe der brasilianische Präsident Lula da Silva bereits eine Absage erteilt. Sein Land habe „kein Interesse daran, Munition zu übergeben, die im Krieg zwischen der Ukraine und Russland eingesetzt werden kann“.

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Als Nächstes soll Anfang Juni die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock nach Brasilien reisen, um unter anderem Lula aufzufordern, Russland zu verurteilen und die Ukraine zu unterstützen. Politico zufolge bleibe Deutschland eine der Haupttriebkräfte hinter dem Vorstoß für engere Beziehungen zu Lateinamerika. Dabei habe auch das geplante EU-Abkommen mit dem Mercosur-Bündnis, dem ein Teil der Länder Lateinamerikas angehört, für Deutschland oberste Priorität. Explizit dafür werde in der zweiten Juniwoche EU-Präsidentin Ursula von der Leyen nach Chile, Brasilien und Argentinien reisen.

Für Cleverly gehöre es zu den heikelsten Fragen, wie man im Kontext der Lateinamerika-Strategie mit China umgeht. Peking ist immer noch der größte Handelspartner sowohl Brasiliens als auch Chiles. Von den linksgerichteten lateinamerikanischen Regierungen wolle keine gezwungen werden, sich zwischen dem Handel mit China oder den USA zu entscheiden.

Laut einem chilenischen Regierungsbeamten habe der britische Außenminister zu wenig geboten, um sein Land zu überzeugen. Man sei „enttäuscht“. „Wenn man mit China konkurrieren will, muss man zahlen. Man muss etwas im Gegenzug bieten“, sagte der Beamte. „Ich hätte konkretere Zusagen erwartet – aber die waren nicht zu erkennen.“

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