Macrons Wunsch eines strategisch autonomen Europas scheitert nicht zuletzt an Deutschland von: Jens Berger

https://www.nachdenkseiten.de/?p=96241

Macrons Wunsch eines strategisch autonomen Europas scheitert nicht zuletzt an Deutschland

Ein Artikel von: Jens Berger

Europa müsse eine „strategische Autonomie“ anstreben und dem Druck widerstehen, zu „Amerikas Gefolgsleuten“ zu werden. In der Taiwan-Frage dürfe man kein „Mitläufer“ sein. Sonst riskiere man „zu Vasallen [der USA] zu werden“. Diese Sätze stammen nicht etwa von Oskar Lafontaine, der sich auf den NachDenkSeiten jüngst ähnlich äußerte, sondern von niemand anderem als Emmanuel Macron. Die Aufregung war vor allem in Deutschland groß. So begrüßenswert Macrons Worte sein mögen – sie gehen an der politischen Gemengelage im heutigen Europa vorbei. Vor allem in Deutschland bevorzugen Politik und Medien stattdessen eine Nibelungentreue gegenüber dem Imperium jenseits des Atlantiks. Von Jens Berger

Eins muss man dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron ja lassen – er weiß, zu überraschen. Während sich die politischen Eliten Deutschlands derzeit gegenseitig darin übertreffen, in möglichst schrillen Tönen China als „Systemgegner“ und „Rivalen“ darzustellen und der deutschen Wirtschaft zu einer „Diversifizierung ihrer Investitionen“ raten, reiste der französische Präsident mit einem Tross Wirtschaftsvertretern samt vorbereiteten Milliardeninvestitionen über Ostern ins Reich der Mitte und besprach ganze sechs Stunden lang mit dem seinem chinesischen Kollegen Xi auf Augenhöhe die Weltlage. Das allein ist schon bemerkenswert, hat sich Europa doch die Unart durchgesetzt, selbst einer Weltmacht wie China gegenüber in schlimmster alter Kolonialherrenart aufzutreten.

Noch bemerkenswerter war zumindest für deutsche Ohren jedoch das Interview, das Macron auf dem Heimflug dem US-amerikanischen, zum Springer-Konzern gehörenden, Medienportal „Politico“ gab. Man fühlte sich beinahe an die Zeiten De Gaulles erinnert, der ein „Europa der Vaterländer“ propagierte, das seine Interessen – natürlich unter französischer Führung – klar von denen der USA unterschied. In Deutschland wird heute gerne verdrängt, dass die europäische Integration, die später im EG-Fusionsvertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften führen sollte, vor allem seitens Frankreichs stets auch als Gegenmodell zur US- und NATO-Orientierung verstanden wurde, wie sie zu jener Zeit beispielsweise Großbritannien vollzog. De Gaulle sah die NATO als Instrument US-amerikanischer Interessen, verwies die NATO-Truppen des Landes und zog 1966 die französischen Truppen aus den Militärstrukturen der NATO ab. Erst 2009 vollzog Frankreich unter Sarkozy die vollständige Reintegration seiner Militärstrukturen in die NATO. Die Transatlantiker hatten – wenn auch vergleichsweise spät – auch in Frankreich gesiegt.Weiterlesen in den nachdenkseiten.de

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

Entdecke mehr von Sicht vom Hochblauen

Jetzt abonnieren, um weiterzulesen und auf das gesamte Archiv zuzugreifen.

Weiterlesen