Mythos und Maske von Andreas Schlüter

Mythos und Maske 

von Andreas Schlüter

Gerade jetzt quillt Geschriebenes und Gesprochenes im Westen wieder über von den salbungsvollen Worten über den „freien Westen“ und über „westliche Werte“, wobei ich bei letzterem Wort gerne frage: in Dollar oder in Euro?

Zentrum dieses angeblichen Paradieses der Menschheit sind  – natürlich – die USA! Man könnte wissen, die USA sind nicht nur auf Völkermord und Sklaverei aufgebaut, haben nicht nur etwa ein Drittel ihrer Fläche von Mexiko geraubt. Sie haben unzählige Kriege zum Nutzen der Superreichen geführt. Das Lynchen schwarzer Amerikaner war lange „weißer Volkssport“, die Rassengesetze_der_USA waren „Inspiration_fuer_die_Nazis“. Und in einer Reihe von US-Bundesstaaten galten diese Rassengesetze bis in die sechziger Jahre. Die Nazis verdankten ihre Machtergreifung zu nicht unerheblichem Teil der Unterstützung US-amerikanischer_Kapitalisten. Übrigens wurde Henry_Ford mit einem der höchsten Nazi-Orden „geehrt“.

Das politische System der USA fußt auf zwei Parteien, die weitgehend „Wahlvereine“ sind, durch die mit Unsummen von Geld der Superreichen gesponserte Marionetten eben dieser Superreichen auf allen Ebenen installiert werden. Der Höhepunkt besteht dann in einem Präsidenten als „Marionette im Amt“. Sollte dieser allerdings doch Verantwortungsbewusstsein, Menschlichkeit und Gewissen zeigen, sozusagen „aus der Spur springen“, wie weiland Kennedy, dann …! Dass dieses System in den USA zu immer mehr gesellschaftlichem Elend und tiefer Spaltung führt, ist ersichtlich. Die USA sind also selbst wahrlich nicht das „ideale Aushängeschild“ für den heute globalisierten, aber US-geführten Kapitalismus! Der Mythos, die idealisierende Erzählung vom „Land der Freien“ als Zentrum des demokratischen und „wertebasierten“ Westens brauchte eigentlich schon vor Langem eine Maske. Was war da nun zu tun?

Die ideale Gelegenheit bot sich nach dem Zusammenbruch des Nazi-Regimes in Deutschland. Anstatt das Land schwer zu bestrafen (wie vorher mit dem „Morgenthau-Plan“ angedacht) kam die US-Machtelite nach und nach auf eine nahezu geniale Idee. Diese Idee hatte nicht nur mit den Erfahrungen im Zusammenhang mit dem Vertrag von Versailles zu tun. Sie war auch wohl nicht nur von der Sorge getragen, die Menschen im westlichen Teil Deutschlands gegen die Verlockungen von Sozialismus und Kommunismus zu „immunisieren“. Man würde etwas schaffen, das nicht nur die USA als milden und „gütigen Hegemon“ erscheinen ließe, sondern die ideale Maske für den Kapitalismus abgeben könnte. Zu dieser Maske wurde die alte Bundesrepublik Deutschland gemacht.

In den drei westlichen Besatzungszonen war man sowieso überaus dankbar, nicht der Macht in die Hände gefallen zu sein, deren Land man so barbarisch verwüstet hatte, nämlich der Sowjetunion, sondern letztlich der Oberhoheit der USA, die im eigenen Lande keine deutschen Verwüstungen erlebt hatten. Milde bis zur Benutzung schwerstens belasteter Altnazis (die man ja auch für den „anti-kommunistischen“ Kampf nutzen wollte) war schon eine „gute“ Grundlage für westdeutsche Loyalität. Aber schnell erkannte wohl die US-Machtelite eben die Chance, eine attraktive Maske gen Osten aufzubauen.

Bei der Herstellung dieser deutschen Maske ging es auch nicht nur darum, die Zustände in den USA selbst durch das „eigene Produkt“ zu maskieren, sondern auch darum, das westliche kapitalistische Globalsystem zu verschleiern. Deutschland war schon seit dem Ende des Ersten Weltkrieges keine Kolonialmacht mehr, während Großbritannien und Frankreich ihre Kolonialmacht aufrecht erhielten und fast bruchlos in „neokoloniale“ Ausplünderung überführten. Die USA hatten schon längst bei aller teils „antikolonialen Rhetorik“ fast ganz Latein-Amerika zu ihrer „Kolonie“ gemacht. Anzumerken wäre hier zwischendurch auch, das das Abkommen von Bretton-Woods fast die ganze Welt zu einer „Dollar-Kolonie“ gemacht hat. Tatsächlich beruhte und beruht die westliche wirtschaftliche Übermacht allerdings eben ganz wesentlich auf der hegemonialen Plünderung des globalen Südens.

Ließ man nun die alte Bundesrepublik schnell und „gnädig“ an dieser Plünderung teilnehmen, und errichtete dort eine Gesellschaft, die auch ein Höchstmaß an formaler Demokratie und persönlichen Freiheiten zuließ, sowie den Reichtum zwar nicht gleichmäßig, aber doch deutlich gleichmäßiger als im US-Zentrum und anderen westlichen Metropolen verteilte, dann hatte man ein ideales Aushängeschild (das in Deutschland bald den Namen „soziale Marktwirtschaft“ erhielt). Dieses konnte dann nicht nur der Welt zeigen: so wunderbar funktioniert der Kapitalismus, der dann angeblich „nichts mit Kolonialismus und Neokolonialismus zu tun hat“, sondern kommt aus der „System-Überlegenheit“ eben des Kapitalismus´! Und an der „Systemgrenze“ des hier damals teils durchlässigen Eisernen Vorhangs im geteilten Deutschland, konnte das „Modell“ dann besondere „Strahlkraft“ entfalten, die weit in den Ostblock hineinreichte (natürlich durch starke Radiosender unterstützt).

Die Gewerkschaften bekamen eine relativ starke Rolle (bei ihrer Formierung hatte der „Große Bruder“ sogar eine deutliche Hand_im_Spiel), das wurde fraglos auch als nützlich dafür angesehen, das deutsche Kapital nicht allzu eigenständig und übermütig werden zu lassen. Die Politik und insbesondere die „Dienste“ wurden mit Leuten durchsetzt, die „auf zwei Schultern tragen“, dabei war auch ihre Belastung durch die Nazi-Vergangenheit der Abhängigkeit nützlich (siehe_Gehlen u. a.). Allzu politisch „Linkem“ wurden die Flügel gestutzt, wie mit dem Verbot der KPD und den „Radikalen-Erlassen“. Aber, man kann es nicht anders sagen, die Menschen in der „BRD“ lebten insgesamt im Allgemeinen gesichert, sowie in relativem Wohlstand und individuell so frei, wie sonst nirgendwo auf der Welt – eine „Insel der Seeligen“. Die letztlich „künstliche“ Grundlage dafür war aber kaum jemanden ersichtlich, wenn es überhaupt jemanden interessierte. Dabei soll der Fleiß und die Disziplin beim Wiederaufbau durch die Bürger – in West und Ost – nicht kleingeredet werden.

Nach dem Ende des ersten Kalten Krieges und der Wiedervereinigung Deutschlands wurde zwar ein Teil des „Schaufensters“ abgeräumt, aber die Vorteile der Strahlkraft Deutschlands für die US-Machtelite waren weiterhin groß, insbesondere, um die ehemaligen osteuropäischen Mitgliedsstaaten des Ostblocks in den Orbit zu ziehen. Dies gelang aufgrund der Illusion: schaut, wie „toll“ es nun auch den Menschen der ehemaligen DDR geht, auch wenn bald viele dort es nicht unbedingt so empfanden! Auch in den Fragen des historischen „Systemvergleichs“ spielt gerade (das geteilte) Deutschland eine wichtige, eben auch irreführende Rolle. Dies beruht stark darauf, dass die ungleichen Voraussetzungen beider deutscher Staaten nicht berücksichtigt werden, wie auch beim Vergleich Westeuropas und Osteuropas.

Angemerkt werden muss hier auch, dass das konstruierte Narrativ zu Nachkriegsdeutschland auch nützlich war, der Bevölkerung des Westens die Illusion zu vermitteln, die US-Kriege sollten in den angegriffenen Ländern so eine Erfolgsstory für die Menschen dort werden, wie der „Neubau Nachkriegsdeutschlands“ unter US-Führung.

Die Zukunft Deutschlands wie EU-Europas mag anderes bereithalten. Der Kalte Krieg Nummer zwei ist da, die Ausdehnung des „Westens“ auf dem europäischen Kontinent bis zum Äußersten vorläufig praktisch_abgeschlossen (was nicht ausschließt, dass das US-Imperium von weiterer Ausdehnung nach Osten mit der Niederringung Russlands und dessen Zersplitterung träumt). Zwar ist die Wirkung der „Maske“ auf einige Teile der Welt noch „nützlich“, aber nun steht wohl für die US-Macht im Vordergrund, Europa, und speziell auch Deutschland, als Aufmarschgebiet „gen Osten“ und ggf. als kriegerisches Vorfeld zu nutzen.

Für die Auseinandersetzung der USA mit dem erklärten Hauptgegner China und seinem Umfeld spielt die „deutsche Maske“ eine noch weit geringere Rolle. China hat bewiesen, dass sein System in der Lage ist, einen großen Teil seiner Bevölkerung ohne exzessive Plünderung des globalen Südens aus der Armut herauszuführen. Ohne das chinesische System idealisieren zu wollen, denke ich, für viele Menschen in der Welt wird nicht doppelbödiges, eurozentrisches „Werte-Geschwafel“ den Ausschlag geben, sondern die Frage, was politische Entwicklungen in einem Land für die große Zahl seiner Menschen an Wohl bringen.

Wachen die Bürger in den europäischen Gesellschaften und speziell Deutschland nicht auf, und zwingen ihre Politiker nicht, eine eigene, von den USA unabhängige Rolle (für die sie erst einmal ihre bisherige Rolle begreifen müssten) zu entwickeln, sieht die Zukunft wahrlich finster aus!

Eine abschließende Bemerkung muss aber auch noch sein: Nachdem Deutschland mit Hilfe von Teilen einer skrupellosen US-Machtelite im vorigen Jahrhundert zum faschistischen Monster geworden war, das Horror über große Teile der „alten Welt“ gebracht hatte, hatte man salbungsvoll dem Nazi-Wahn abgeschworen. Jetzt wird Deutschland zusammen mit EU-Europa raffiniert zum Schutzpatron ukrainischen Nazi-Wahns gemacht. Einem ukrainischen Präsidenten, der sich im Bett mit dieser Nazibande befindet, wird im Bundestag mit stehenden Ovationen gehuldigt. „Sportpalast 2.0“?! Für Menschen, die von außen auf dieses Geschehen hier schauen, mag die Maske wohl endgültig fallen!

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