Notizen vom Ende der unipolaren Welt – 38 von Mathias Bröckers

 

https://www.broeckers.com/2022/07/14/notizen-vom-ende-der-unipolaren-welt-38/

Notizen vom Ende der unipolaren Welt – 38

 

14. Juli 2022

 

Wenn es grundsätzlich wird in der Debatte über den Krieg und tendenziell nur noch  Schwarz/Weiss gedacht und sich Unterdrücker und Freiheitskämpfer alternativlos gegenüberstehen, werden derzeit gern die Begriffe “Demokratie” und “Autokratie” bemüht. Also wir, die guten Demokraten im Westen, gegen die üblen Autokraten im Osten. Mit dieser Dichotomie setzt der neue Kalte Krieg nahtlos auf der Systematik des alten auf, als die Autokraten noch “Soffjets” (Adenauer) und “Kommunisten” genannt wurden. Und wie einst “Kreml-Astrologen” die teuflischen Aktivitäten des ZK vorherzusagen versuchten – und in ihrer Echokammer derart ahnungslos waren, dass sie vom Zusammenbruch der Sowjetunion völlig überrascht wurden –  sind nun ganze Heerscharen küchenpsychologischer Putinologen und Ferndiagnostiker am Werk, um die nächsten Schritte des im “Hitler-Stil” (The Sun) agierenden russischen Präsidenten zu deuten. Und liefern Analysen, die an keinem Bullshit-Detektor vorbeikämen – wären die in Medienhäusern und Verlagen nicht längst abgeschafft – und von der Realität regelmäßig widerlegt werden. Wie jetzt von ihrem “liberalen Hoffnungsträger”, Ex-Präsident Dmitrij Medwedew, der in Sachen “Spezielle Militäroperation” den Bad Cop spielt, auf Twitter heftig rumpoltert und in den sozialen Medien Russlands (oben ein Fundstück von “VK”-User Doctorfood Lisboa) im Rambo-Stil porträtiert wird. Was Autokratie und Demokratie betrifft sehen die Russen die Rollen derzeit offenbar genau anders herum verteilt – und wollen von den “demokratischen” Segnungen des Westens nichts mehr wissen. Nicht nur weil das neoliberale Raubrittertum, das in den 90er Jeltsin-Jahren wütete, seine Chance in Russland vertan hat und  nie wieder Fuß fassen wird, sondern auch, weil hinter der zusammenbrechenden Glitzerfassade der westlichen “Demokratie” die Fratze der Oligarchie schon  überdeutlich sichtbar geworden ist.
Die Ablehnung einer “autokratischen” Regierung durch die westlichen Fassadendemokratien hat deshalb auch nichts mit ihrer jeweiligen Regierungsform zu tun, wie etwa die Allianzen mit  archaischen arabischen Despoten zeigen, sondern allein damit, ob sie sich dem US-Imperium und seiner Finanzoligarchie unterwerfen oder nicht. Der Ökonom Michael Hudson hat in einem sehr lesenswerten Vortrag den aktuellen Hintergrund der rhetorischen Differenz Autokratie/Demokratie deutlich gemacht:

 Der kommende Konflikt kann vielleicht zwanzig Jahre dauern und wird darüber entscheiden, welche Art von politischem und wirtschaftlichem System die Welt haben wird. Dabei geht es um mehr als nur um die Hegemonie der USA und ihre Kontrolle der internationalen Finanz- und Geldschöpfung durch den Dollar. Politisch geht es um die Idee der “Demokratie”, die zu einem Euphemismus für eine aggressive Finanzoligarchie geworden ist, die versucht, sich weltweit durch räuberische finanzielle, wirtschaftliche und politische Kontrolle, unterstützt durch militärische Gewalt, durchzusetzen. Weiterlesen bei mathias broeckers.com

 

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