Notizen vom Ende der unipolaren Welt – 59 von Mathias Bröckers

Notizen vom Ende der unipolaren Welt – 59

Ich habe ich mir mal die Mühe gemacht, zwei lange Präsidentenreden zu lesen. Die erste von Herrn Steinmeier, der letztes Wochenende im Schloss Bellevue 45 Minuten gesprochen hatte. „Die Bilder des 24. Februar markierten das endgültige, bittere Scheitern jahrelanger politischer Bemühungen, auch meiner, genau diesen schrecklichen Moment zu verhindern,“ sagte Steinmeier, aber das war auch schon der einzige selbstkritische Ton, den er verlauten lässt.

Notizen vom Ende der unipolaren Welt – 59

5. November 2022

Ich habe ich mir mal die Mühe gemacht, zwei lange Präsidentenreden zu lesen. Die erste von Herrn Steinmeier,  der letztes Wochenende  im Schloss Bellevue 45 Minuten gesprochen hatte. “Die Bilder des 24. Februar markierten das endgültige, bittere Scheitern jahrelanger politischer Bemühungen, auch meiner, genau diesen schrecklichen Moment zu verhindern,” sagte Steinmeier, aber das war auch schon der einzige selbstkritische Ton, den er verlauten lässt. Obwohl er als Kanzleramtsminister, Außenminister und Bundespräsident in den letzten zwanzig Jahren eine sehr entscheidende Rolle beim  Scheitern der deutschen Russland-Politik gespielt hat, zu dessen Gründen man gerne mehr erfahren hätte. Vor allem darüber, was er  dafür getan hat, dieses Scheitern zu verhindern, oder warum ihm die Hände gebunden waren und sind, irgendetwas für eine friedliche Wiedervereinigung (Minsk 1 & 2) der Ukraine zu tun. Außer dem ultrabösen Putin – “in seiner imperialen Besessenheit hat der russische Präsident das Völkerrecht gebrochen, Grenzen in Frage gestellt, Landraub begangen”– gibt es für Steinmeier keine Verantwortlichen für diesen Krieg, der für ihn nicht im Februar 2014, sondern erst im Februar 2022 angefangen hat. Und es gibt, was Völkerrecht und “imperiale Besessenheit”, betrifft natürlich auch keine US-und NATO-Kriege in den letzten Jahrzehnten und keinen Bruch ihres Versprechen “keinen Inch” nach Russland vorzurücken. Es gibt  keinen Hinweis von Steinmeier, dass der Ende März in  Istanbul gefundene gefundene Kompromiss der Kriegsparteien nicht von den Russen oder Ukrainern torpediert wurde, sondern von seinem britischen Kollegen Boris Johnson. Stattdessen wird mit Parolen wie: “Ein Friede, der Putins Landraub besiegelt, ist kein Friede.” oder “Im Angesicht des Bösen reicht eben Wille nicht aus.”  eine Art heiliger Krieg beschworen denn: “Putin versucht, Europa zu spalten, und er trägt dieses Gift auch ins Innere unserer Gesellschaft.” Dass Europa sich mit den Sanktionen selbst spaltet und aus Russland gerade wieder angeboten wurde, jederzeit Gas und Öl zu liefern, bleibt selbstverständlich unerwähnt, stattdessen wird die Nation auf “Einschränkungen” und “eine Zeit der Belastungen und der Unsicherheiten” eingestimmt, die länger als “nur diesen Winter” dauern wird. Steinmeier redet von einen “Epochenbruch” nach dem es kein zurück mehr gibt  „Wenn wir auf das Russland von heute schauen, dann ist eben kein Platz für alte Träume. Unsere Länder stehen heute gegeneinander.“ Aber:“Unser Land ist nicht im Krieg.” Zu weiteren Sanktionen und Waffenlieferungen gibt es allerdings keine Alternative, außer “tatenlos zusehen”. Das stimmt natürlich nur, weil  Worte wie “Diplomatie” oder “Verhandlungen” in der gesamten Rede nicht vorkommen – Steinmeier will “Alles stärken, was uns verbindet“, hat aber nichts anderes als simples Schwarz/Weiß zu bieten: Wir sind die Guten, konfrontiert mit einem  “brutalen”, “menschenverachtenden” Bösen. Unter diesem beschränkten Horizont bietet sich außer Krieg keine Perspektive und außer blablaoiden Durchhalte-Beschwörungen hat der Bundespräsident denn auch nichts Substantielles zu sagen, um dann am Ende voll in eine “alternative” Realität abzuheben: “Wir machen Deutschland zu einer neuen Industrienation – technologisch führend, klimaverantwortlich, in der Mitte Europas. Vernetzt, aber weniger verwundbar. Wehrhaft, aber nicht kriegerisch. Ein offenes, freundliches Land mit mehr und neuen internationalen Partnern.”Weiterlesen bei mathias broeckers.com

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