„Panzer-Koalition“ für Kiew wird zusehends kleiner

Warum wohl?   Evelyn hecht-Galinsk

„Panzer-Koalition“ für Kiew wird zusehends kleiner

Wochenlang wurde täglich über eine „Panzer-Koalition“ westlicher Länder berichtet, lediglich Deutschland würde „zaudern“ und deshalb immer „isolierter“ unter den NATO-Verbündeten da stehen. Schließlich sagte Berlin Leopard-Lieferungen zu. Die „Panzer-Koalition“ wird aber wohl immer kleiner.

„Panzer-Koalition“ für Kiew wird zusehends kleiner

Wochenlang wurde täglich über eine „Panzer-Koalition“ westlicher Länder berichtet, lediglich Deutschland würde „zaudern“ und deshalb immer „isolierter“ unter den NATO-Verbündeten da stehen. Schließlich sagte Berlin Leopard-Lieferungen zu. Die „Panzer-Koalition“ wird aber wohl immer kleiner.
"Panzer-Koalition" für Kiew wird zusehends kleinerQuelle: Gettyimages.ru © Ann-Marie Utz / picture alliance

Nach einer enormen politischen und medialen Druckwelle auf Berlin, die sich vor allem in den Reihen der FDP und CDU äußerte, und die darauf verwies, dass Deutschland nun als „Zauderer“ da stehe, während eine breite „Panzer-Koalition“ unter den NATO-Ländern bereit sei, sofort an Kiew zu liefern, hatte die Bundesregierung schließlich doch Leopard-Lieferungen an die Ukraine zugesagt. Die „Koalition“ aber wird wohl nun immer kleiner.

Wie die US-Wirtschaftstageszeitung Wall Street Journal am Donnerstag berichtete, hätten NATO-Mitglieder „plötzliche Bedenken“, Kampfpanzer in die Ukraine zu schicken, weil sie anscheinend keine übrig haben.

So könne beispielsweise Finnland, das Deutschland unter Druck gesetzt hatte, den Export seines Leopard-2-Panzers zu genehmigen, möglicherweise nur „ein paar“ eigene Panzer schicken – und das wahrscheinlich erst, wenn es dem von den USA angeführten Militärbündnis offiziell beigetreten ist.

Damit bleibt Berlin der einzige nennenswerte Lieferant von einer großen Zahl Kampfpanzer an Kiew, was Bundeskanzler Olaf Scholz jedoch unbedingt vermeiden wollte, so die US-Zeitung in ihrem Artikel unter der Überschrift „Panzer kommen trotz Versprechen der europäischen Verbündeten nicht in der Ukraine an„.

Im Bestand der Armeen verschiedener europäischer NATO-Mitgliedsländer befinden sich mehr als 2.000 Leopard-2-Panzer, aber nur Berlin und Warschau haben sich verpflichtet, welche zu entsenden. Deutschland und Polen haben jeweils etwa 14 zugesagt. Warschau will außerdem 60 seiner modifizierten T-72-Panzer zur Verfügung stellen, während Berlin fast 190 ausgemusterte Leopard-1-Panzer zur Überholung aufkauft, von denen einige möglicherweise für Ersatzteile ausgeschlachtet werden müssen.

In einem Interview im Dezember vergangenen Jahres hatte der oberste General der Ukraine 300 Kampfpanzer angefordert. Kanada hat inzwischen vier zugesagt, Portugal will demnach drei schicken. Die Niederlande und Dänemark werden keine Panzer entsenden, erklärten sich jedoch bereit, Deutschland bei der Finanzierung des Kaufs und der Überholung von rund 100 älteren Leopard-1-Modellen zu unterstützen, die vor 20 Jahren ausgemustert worden waren und sich derzeit in verschiedenen Stadien der Verwahrlosung befinden.

Dänemark verfüge nur über 44 Leopards und die Niederländer besitzen 18, die von Deutschland geleast wurden, so MinnaÅlander vom Finnischen Institut für Internationale Angelegenheiten. Finnland sieht sich demnach mit einer anderen „Beschränkung“ konfrontiert, weil das Land seine lange Grenze zu Russland schützen müsse, fügte sie hinzu.

Wie ein anonymer hoher Beamter der US-Zeitung erklärte, werde Finnland „in irgendeiner Weise an der Leopard-2-Kooperation beteiligt sein“, lehnte es aber ab, Einzelheiten zu nennen. Helsinki habe „signalisiert“, dass es „höchstwahrscheinlich“ Panzer-Lieferungen vermeiden werde, bis es offiziell der NATO beigetreten sei, so ein ebenfalls namentlich nicht genannter hochrangiger Vertreter des Bündnisses. Selbst dann könne das Land demnach nur einige seiner 240 einsatzfähigen Panzer entbehren.

Das Vereinigte Königreich hatte seinerseits 14 seiner Challenger-2-Panzer zugesagt, die bis Ende März an Kiew geliefert werden sollen. Die USA hatten ebenfalls 31 Abrams-Panzer versprochen, deren Lieferung an die Ukraine jedoch bis zu zwei Jahre dauern könnte. Der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij ist jedoch bereits einen Schritt weiter und hat auf seiner Reise nach London, Paris und Brüssel nun Kampfjets gefordert.

Wie der NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg bei seinem Besuch in den USA vor wenigen Tagen erklärte, hätten die USA und die NATO-Verbündeten im vergangenen Jahr Kiew Waffen und Ausrüstungsunterstützung im Wert über 120 Milliarden US-Dollar zur Verfügung gestellt. Zugleich betonen die Mitglieder des transatlantischen Militärbündnisses, dass sie keine Konfliktpartei seien. Moskau hatte mehrmals davor gewarnt, dass die Versorgung der Ukraine mit Waffen die Kämpfe nur verlängert und das Risiko einer direkten Konfrontation zwischen Russland und der NATO erhöht.

Der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr und Vorsitzende des NATO-Militärausschusses Harald Kujat hatte sich jüngst in einem Interview mit dem Schweizer Medium Zeitgeschehen im Fokus unter anderem auch über die Waffenlieferungen an Kiew geäußert. Dabei sprach er auch die „Art und Weise, wie einige Verbündete versuchen, die Bundesregierung öffentlich nun auch zur Lieferung von Leopard-2-Kampfpanzern zu drängen“ an. Kujat sagte:

„Das hat es in der NATO bisher nicht gegeben. Es zeigt, wie sehr Deutschlands Ansehen im Bündnis durch die Schwächung der Bundeswehr gelitten hat und mit welchem Engagement einige Verbündete das Ziel verfolgen, Deutschland gegenüber Russland besonders zu exponieren.“

In dem Interview zog der Ex-Generalinspekteur der Bundeswehr auch in Zweifel, „ob die ukrainischen Streitkräfte angesichts der großen Verluste der letzten Monate überhaupt noch über eine ausreichende Zahl geeigneter Soldaten verfügen, um diese Waffensysteme einsetzen zu können“. Er bezog sich dabei auf die Forderung vom ukrainischen Generalstabschef nach Hunderten von Schützen- und Kampfpanzern sowie Haubitzen, die demnach benötigt werden, um „die russischen Truppen zurückzudrängen“.

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