Reumütige Kehrtwende Von Rainer Werning Junge Welt

Gr0ßen Dank an Rainer Wernigng für die Genehmigung der Zweitveröffentlichung, seines heutigen Artikels in der Jungen Welt.  Evelyn Hecht-Galinski

Geopolitik: Reumütige Kehrtwende

Philippinen: In der einstigen US-Kolonie finden bis zum Monatsende die größten Militärmanöver statt – mit China im Visier * Foto: Aaron Favila/AP

Aus: Ausgabe vom 15.04.2023, Seite 7 / Ausland
Geopolitik

Reumütige Kehrtwende

Philippinen: In der einstigen US-Kolonie finden bis zum Monatsende die größten Militärmanöver statt – mit China im Visier
Von Rainer Werning
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Erst einmal die Bedienungsanleitung studieren: Philippinisches und US-Militär bei Übung (Nueva Ecija, 13.4.2023)

Zum Wochenbeginn haben die USA und die Philippinen mit ihren bis dato größten militärischen Übungen begonnen, zu denen diesmal auch Schüsse auf ein gesunkenes Schiff im Südchinesischen Meer gehören. Bis zum 28. April dauern die unter dem Namen »Balikatan« (»Schulter an Schulter«) firmierenden Manöver, an denen diesmal etwa 18.000 Soldaten teilnehmen – darunter 12.200 US-amerikanische Soldaten, 5.400 Angehörige der philippinischen Streitkräfte (AFP) und Truppen aus Australien.

»Diese ›Balikatan-Übung‹ verbessert die Taktiken, Techniken und Verfahren der AFP und der Streitkräfte der Vereinigten Staaten in einem breiten Spektrum von Militäroperationen«, sagte AFP-Sprecher Oberst Medel Aguilar in einer Erklärung, die letzte Woche von der US-Botschaft in Manila veröffentlicht wurde. Und er fügte hinzu: »Es erhöht unsere Fähigkeit, in verschiedenen Krisensituationen effektiv und effizient zusammenzuarbeiten.« Krisensituationen? Als solche stuft das »Balikatan«-Kommando offensichtlich das gerade zu Ende gegangene dreitägige Militärmanöver der VR China in der Umgebung Taiwans ein, das in Taipeh als »Bedrohung für die regionale Sicherheit« und in Tokio als »Einschüchterung« bezeichnet wurde.

Bereits vor Beginn des diesjährigen »Balikatan-Manövers« fanden in mehreren Landesteilen Demonstrationen statt, bei denen stets die große Befürchtung geäußert wurde, Manila könnte nolens volens in einen größeren Konflikt hineingezogen werden. Tatsächlich ist Manila in den letzten Jahren wegen Beijings Anspruch auf fast das gesamte Südchinesische Meer unter Druck geraten. Als Reaktion auf Chinas Inbesitznahme des Scarborough-Riffs im Jahre 2012 hatte die damalige philippinische Regierung unter Benigno S. Aquino III. ein Gerichtsverfahren über Chinas Anspruch auf das Meer eingeleitet. Der Ständige Schiedsgerichtshof in Den Haag entschied zwar 2016 zugunsten Manilas, jedoch erkennt Beijing das Urteil nicht an.

Darauf wurde in Manila auch gar nicht erst insistiert. Während der sechsjährigen Amtszeit (2016–2022) von Rodrigo R. Duterte, dem Vorgänger des seit Sommer letzten Jahres in Manila regierenden Präsidenten Ferdinand Marcos jr., hatte es zeitweilig sogar den Anschein, als schickte sich das südostasiatische Land an, eine Kehrtwende in seiner traditionell pro-US-amerikanischen Außenpolitik zu vollziehen. Anlässlich seines ersten Staatsbesuchs in der VR China im Herbst 2016 hatte Duterte den US-Amerikanern immerhin mit der Aufkündigung bilateraler Militärmanöver und der Revision bestehender Militärabkommen gedroht. Duterte ging so weit, von einer neuen »Achse Manila–Beijing–Moskau« zu schwadronieren. Doch wie so vieles während der Amtszeit dieses Präsidenten entpuppte sich auch dieses Statement als Schall und Rauch. Es zielte vorrangig darauf ab, die linken Kräfte im Lande zu befrieden. Dermaßen stark sind die Kommandohöhen der Philippinischen Nationalpolizei (PNP) sowie der AFP mit Kadern besetzt, deren Weltbild zutiefst proamerikanisch ausgerichtet ist, dass eine ernsthafte Neuorientierung keine reale Erfolgschance hätte. Kein Wunder, dass Duterte gegen Ende seiner Amtszeit ebenso samtpfotig wie reumütig wieder unter die Fittiche von »Uncle Sam« schlüpfte.

Und genau daran knüpft nun Marcos jr. an, indem er beispielsweise Washington im Rahmen des 2014 unterzeichneten Abkommens über verstärkte Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich (EDCA) jüngst Zugang zu weiteren AFP-Militärstützpunkten gewährte. Für Washington waren und bleiben die Philippinen, von 1898 bis 1946 immerhin die einzige US-Kolonie in Südostasien, ein geostrategisches Schlachtfeld, wie es erst jüngst wieder der philippinische Politikwissenschaftler und Militärexperte Roland G. Simbulan in einem Interview mit dem Autor konstatierte: »Die imperialen Interessen der USA, die das Südchinesische Meer lange Zeit als Teil des ›amerikanischen Meeres‹ dominiert haben, sind nun durch die Herausforderung der defensiven Seemacht China in der Region bedroht, da die VR China ihre eigenen Ost- und Südküsten sowie die Seewege für den Handel schützt. Für die USA ist China zum Haupthindernis für ihre globale Vorherrschaft geworden, ungeachtet der Angriffe Russlands in der Ukraine.«

1 Kommentar zu Reumütige Kehrtwende Von Rainer Werning Junge Welt

  1. Was wollen die USA? Zuerst haben sie Russland in die Arme der Chinas getrieben, und jetzt planen sie anscheinend Krieg gegen beide Länder. Das haben die Chinesen bestimmt nicht vergessen. “Boris Jelzin weckte am 20. Dezember 1991 hohe Erwartungen, als er einen russischen NATO-Beitritt zum „langfristigen politischen Ziel“ erhob.” FAZ 25.05.2021 Auch Putin soll den Wunsch nach einem Natobeitritt geäußert haben. Motiv war natürlich die Angst vor China. In China ist man bestimmt glücklich darüber, dass der von EU und NATO unterstütze Maidanputsch letztendlich zum Ukrainekrieg führte, in dessen Folge zwischen Russland und dem Westen wieder ein eiserner Vorhang herunter gelassen wird, und die Gefahr der Einkreisung Chinas durch die NATO gebannt ist, und nun vielmehr ein neues russisch-chinesisches Bündnis entsteht. Russland wird mit günstiger Energie nicht mehr Westeuropa beliefern, sondern China unterstützen, und die beiden Länder werden sich gemeinsam wirtschaftlich und militärisch gegen EU und NATO schützen. Das alles war eigentlich absehbar, und Trump wollte es verhindern. Da darf man wohl zurecht an Realismus und Weitsicht der aktuell (un)verantwortlichen westlichen Politiker zweifeln.

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