Sieben gewaltige Irrtümer des Westens über Russlands „Winteroffensive“ in der Ukraine Von Jewgeni Posdnjakow und Darja Wolkowa

Sieben gewaltige Irrtümer des Westens über Russlands „Winteroffensive“ in der Ukraine

Die westliche Presse ist voller Gerüchte und Vorhersagen darüber, wie und wann die Streitkräfte Russlands eine „Großoffensive“ in der Ukraine starten könnten. Die Mehrzahl dieser Vorhersagen wird von offensichtlichen Verfälschungen und Propaganda begleitet. Welchen Sinn haben diese Mythen über eine „Winteroffensive“, und wie weit entfernt sind diese von der Realität?

 

 

Sieben gewaltige Irrtümer des Westens über Russlands „Winteroffensive“

in der Ukraine

Von Jewgeni Posdnjakow und Darja Wolkowa

Die westliche Presse ist voller Gerüchte und Vorhersagen darüber, wie und wann die Streitkräfte Russlands eine „Großoffensive“ in der Ukraine starten könnten. Die Mehrzahl dieser Vorhersagen wird von offensichtlichen Verfälschungen und Propaganda begleitet. Welchen Sinn haben diese Mythen über eine „Winteroffensive“, und wie weit entfernt sind diese von der Realität?
Sieben gewaltige Irrtümer des Westens über Russlands "Winteroffensive" in der UkraineQuelle: AFP © YASUYOSHI CHIBA

 

Mythos Nr. 1: Symbolische Daten

Die New York Times schreibt, dass die russischen Streitkräfte am 15. Februar eine Offensive starten könnten, und beruft sich dabei auf den „Gouverneur“ des Teils der Region Lugansk, den die ukrainischen Streitkräfte kontrollieren. Es wird festgestellt, dass diese Veränderungen im Kriegsgebiet mit dem bevorstehenden Jahrestag der militärischen Spezialoperation des Kremls zusammenhängen.

Dieselbe Meinung zitiert die Financial Times mit dem Verweis auf den ukrainischen Verteidigungsminister Alexei Resnikow. Nur, das Datum des Beginns der Offensive ist der 24. Februar – „dem Kreml war schon immer Symbolismus gefällig“, ist Resnikow überzeugt.

Unterdessen bezeichnet Boris Roschin, ein Experte des Zentrums für politischen und militärischen Journalismus, diese These als zweifelhaft und eher propagandistisch. „Irgendein Ereignis an ein bestimmtes Datum zu binden, ist ein rein westlicher Ansatz. Das ganze Gerede über Datumsangaben ist ein banales Klischee. Im Augenblick beobachten wir, dass Truppen in der Nähe von Kupjansk oder im Gebiet von Swatowo vorrücken, wobei es keine Jahrestage gibt“, erklärte er.

„Diese Vorwürfe tauchen in der Infosphäre auf, weil die westlichen Thinktanks ebenso wie die Medien ihre Brötchen verdienen müssen“, fügt Wadim Kosiulin, Leiter des Zentrums für globale Studien und internationale Beziehungen am Institut für aktuelle internationale Probleme der Diplomatischen Akademie des russischen Außenministeriums, hinzu.

„Im Übrigen spielen bei der Frage einer potenziellen Offensive nicht das Datum und der Symbolismus, sondern reale militärische und militärisch-strategische Aufgaben die Hauptrolle. Von diesen ausgehend plant unsere Führung weitere Schritte in der Spezialoperation“, unterstrich seinerseits Alexander Bartosch, korrespondierendes Mitglied der Akademie der Militärwissenschaften.

Mythos Nr. 2: Umfangreiche Mobilisierung

Dem militärischen Nachrichtendienst der Ukraine zufolge plant Moskau eine weitere Mobilisierung von 500.000 Soldaten für kommende Kampfhandlungen. Darüber hatte Anfang Januar der deutsche Fernsehsender Deutsche Welle berichtet (die in Russland als ausländischer Agent gilt). Später im Februar wurden diese Informationen in anderen Publikationen repliziert.

„Es ist immer dasselbe: Die Information lässt sich nicht bestätigen, obwohl sie in der ausländischen Presse weiter kursiert. Betrachtet man den Kriegsschauplatz, so erkennen wir einen Vorstoß mit den uns zur Verfügung stehenden Kräften. Für eine weitere Mobilisierung gibt es keinen Anlass, das steht außer Frage. Auch auf offizieller Ebene ist dies wiederholt zum Ausdruck gebracht worden“, betonte Roschin.

Mythos Nr. 3: Vorbereitung auf Leopard- und Abrams-Panzer

Modernisiert und gefechtsbereit: Neue russische Panzer T-80BVM auf dem Schlachtfeld

Moskau ist gezwungen, schnell und aggressiv zu handeln, um in kürzester Zeit Erfolge zu erzielen. Der Kreml ist sich der baldigen Ankunft westlicher Panzer in der Ukraine bewusst, die zu einer ernsthaften Verstärkung der ukrainischen Streitkräfte beitragen könnten, berichtet das Wall Street Journal. Ein ähnlicher Gedanke wird von der Financial Times geäußert. Der Publikation zufolge braucht Moskau Zeit, um in naher Zukunft die Kontrolle über einige Gebiete zu erlangen.

„Die Abrams oder die Leoparden sind nicht die ersten Objekte westlicher Technik, die der Ukraine geliefert werden. Zunächst waren alle auf Mannschaftstransportwagen, Schützenpanzer und MLRS gefasst. Als Nächstes sind offenbar Flugzeuge zu erwarten. Doch unsere Offensive hängt von unseren eigenen Ressourcen ab. Sobald wir verstehen, dass wir bereit sind, die Frontlinie zu durchbrechen und eine groß angelegte Offensive durchzuführen, beginnt eine aktive Dynamik entlang der gesamten Kontaktlinie“, erklärt Roschin.

Mythos Nr. 4: Russland verstrickt Weißrussland in die Spezialoperation

Moskau und Minsk haben gemeinsam militärische Übungen durchgeführt, wodurch sich die Befürchtungen des Westens verstärken, Russland und Weißrussland könnten gemeinsam eine groß angelegte Offensive starten, schreibt NBC. „Die westlichen Medien äußern in diesem Fall ihre Besorgnis. In erster Linie zielt unsere militärische Zusammenarbeit mit Weißrussland auf den Schutz der Unionsrepublik vor Polen ab“, so Bartosch.

Im Grunde genommen ist die Bildung der russisch-weißrussischen Gruppierung dazu gedacht, Bedrohungen aus Osteuropa abzuwehren, das mit NATO-Truppen regelrecht überschwemmt wird, fügt Roschin hinzu. Außerdem, so Kosiulin, sei Moskau selbst nicht daran interessiert, Minsk zu irgendetwas zu zwingen, wie der Kreml wiederholt erklärt habe.

Mythos Nr. 5: Die Geografie der Vorstöße

Die Offensive der russischen Streitkräfte wird sich auf zwei Gebiete konzentrieren: den Donbass und die Schwarzmeerregion. Darüber schreibt der Guardian bezugnehmend auf den ukrainischen Verteidigungsminister Resnikow. Das Institute for the Study of War (ISW) stellt seinerseits fest, dass Russland eine Offensive an der Seite der Volksrepublik Lugansk starten wird.

„Wie bereits erwähnt, ist unsere Offensive in diesen Bereichen eigentlich schon im Gange. In der Region Saporoschje beobachten wir eine Dynamik. Auch in Soledar, Artjomowsk und in der Nähe von Kremennaja, Region Lugansk sind Erfolge zu verzeichnen. Die Offensive erfolgt nicht auf einmal. In der Realität entwickelt sie sich, sagen wir mal, schleichend“, verdeutlicht Roschin.

Mythos Nr. 6: Mangel an Munition

Dem Wall Street Journal zufolge leidet Russland unter einem Mangel an Munition und mobilen Einheiten. Der britische Geheimdienst hat ebenfalls behauptet, Russland versuche seit Januar, eine „groß angelegte Offensivoperation“ zu starten.

Auch im Herbst letzten Jahres hatte es bereits ähnliche Kommentare gegeben. Damals hatte Jeremy Fleming, Leiter des britischen Geheimdienstes GCHQ, der sich mit elektronischer Aufklärung befasst, der BBC erklärt, dass „die russischen Streitkräfte erschöpft sind“. „Wir wissen, und die russischen Kommandeure vor Ort wissen, dass ihre Ausrüstung und Munition zur Neige gehen“, hatte Fleming behauptet.

„In Wirklichkeit ist das Gegenteil der Fall. Unsere Rüstungsindustrie ist voll ausgelastet, und einige Betriebe arbeiten jetzt in drei Schichten. Dies wurde übrigens auch von den westlichen Medien in dem Zusammenhang betont, dass die Überlegenheit unserer Artillerie zu erheblichen Verlusten bei den ukrainischen Truppen und ihrer Ausrüstung führt. Auf der anderen Seite schleppen die USA sogar aus Israel Munition für die Ukraine an“, erklärte Bartosch.

Mythos Nr. 7: Russland schont die Soldaten nicht

Moskau sei bereit, eine große Zahl von Soldaten zu opfern, um einen kleinen Gewinn im Krieg zu erzielen. Die jüngsten Vorstöße Russlands zeugen davon, dass die meisten seiner Streitkräfte aus unerfahrenen Rekruten und ehemaligen Gefangenen bestehen, schreibt die New York Times.

Allerdings stehen diese Schlussfolgerungen im Widerspruch zu anderen Veröffentlichungen in derselben Zeitung. Insbesondere gilt das für die Reportagen aus Artjomowsk und Soledar, rufen Experten in Erinnerung. „Das heißt nicht, dass wir keine Verluste erleiden. Wir sehen aber, was zum Beispiel in der Nähe von Artjomowsk passiert, wo Hunderte Soldaten der AFU ums Leben kommen. Allein die Tatsache, dass die Ukraine eine Zwangsmobilisierung durchführt, zeigt, dass der Feind einen Mangel an Kräften hat“, so Roschin.

„Würden wir unsere Soldaten nicht schonen, wäre eine weitaus aggressivere Vorgehensweise zu beobachten. Doch wir schonen die Menschen. Im Übrigen betonen unser Präsident und das Militär andauernd, wie wichtig und wertvoll das Leben eines jeden Soldaten ist. So sind unsere Prioritäten. Aus diesem Grund haben unsere Kommandeure im Rahmen der Spezialoperation zum Beispiel schwierige Entscheidungen über den Rückzug oder die Umgruppierung von Truppen getroffen. Wir sehen nichts dergleichen vonseiten der AFU“, unterstreicht Bartosch.

DerHauptmythos: Russland ist schwach

Nicht selten schreiben einige ausländische Medien, dass „der russische Bär schwach ist“, dass „die russischen Militärs nicht aus ihren Fehlern lernen“, „keine Schlussfolgerungen ziehen“ und dass die militärische Führung sich weigert, flexibel in ihren Entscheidungen zu sein. Foreign Affairs hält solche Argumente jedoch für realitätsfremd und in mancher Hinsicht sogar für „gefährlich“.

Die Autoren von Foreign Affairs zeigen auf, dass Russland imstande ist, seine eigenen Fehler einzugestehen und zu korrigieren. Besonders deutlich wird dies bei den Aktivitäten der russischen Luftstreitkräfte. Waren zu Beginn der militärischen Spezialoperation die Kräfte für „konservative Missionen“ verbraucht worden, so hat sich die Taktik inzwischen gewandelt, um die gegnerische Luftverteidigung geschickt zu erschöpfen.

Gleichzeitig sind Fortschritte bei der Durchführung äußerst schwieriger Manöver zu verzeichnen, wie die Überquerung von Flüssen unter feindlichem Beschuss. So wird hervorgehoben, dass der Rückzug im November über den Dnjepr wesentlich besser verlief als eine ähnliche Operation in der Nähe des Flusses Sewerski Donez.

Ferner gelang es Russland, einen „Hunger an Munition“ zu vermeiden, indem es die Produktion rechtzeitig hochgefahren hat, und es beweist eine erstaunliche Anpassungsfähigkeit: HIMARS, die im Sommer 2022 noch den Status einer vernichtenden Waffe gehabt hatten, sind zu einer konventionellen Waffe verkommen, die von den russischen Streitkräften erfolgreich bekämpft wird.

Auf diese Weise „lernt der Bär“ – der Meinung westlicher Analysten folgend, die keinerlei Sympathie für Moskau hegen. Russland ist imstande, ziemlich schnell Entscheidungen zu treffen, die die Realität auf dem Kriegsschauplatz verändern. Moskau baut seine Verteidigungsmaßnahmen überlegen aus, sobald es notwendig ist, und geht auch kühn in die Offensive, sofern die Lage an der Front dies zulässt.

Zuerst erschienen bei Wsgljad. Übersetzt aus dem Russischen.

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