Singen und Aerosole Von Bernd Weikl

Was für eine Größe! Bernd Weikl nimmt neue Erkenntnisse auf und erklärt in seinem neuen Video, die wissenschaftlichen auf neuestem Stand. Wahrlich ein besonderer  Künstler, den es nicht um sich geht, sondern um die Gesundheit.

 

Singen und Aerosole

 

Die berühmte italienische Sopranistin Mirella Freni war des Öfteren meine Partnerin auf den großen Bühnen. Luciano Pavarotti und sie hatten denselben Gesangslehrer. Das berichtete sie mir, als wir an der Mailänder Scala in Giorgio Strehlers Falstaff-Produktion zusammen auf der Bühne standen.

Italienische Gesangspädagogen der vergangenen Jahrhunderte – sagte sie – haben brennende Kerzen vor den Mund des Sängers, der Sängerin gestellt. Die Kerze durfte beim Singen nicht flackern. Dies, um zu zeigen, dass es beim professionellen Singen möglich ist, eben gerade keine, oder kaum Luft aus dem Mund austreten zu lassen, und dass kein Kollege, keine Kollegin auf der Bühne diesbezüglich „angesungen“ werden muss.

 

Die Wissenschaft hat jedoch neue Erkenntnisse zutage gefördert, und ich muss und will daher auch an meinen vorherigen Aussagen folgende Veränderungen oder Erweiterungen vornehmen.

 

Es sind beim Singen die kleinen Aerosole, Schwebeteilchen, die nur wenige Nanometer groß sind und sich im Raum verteilen. Dr. Jan Brachmann berichtet in der FAZ vom 10.07.2020 zunächst über die Sopranistin Anja Petersen bei den Messungen in Berlin, die bei einer Studie der Charité und der Technischen Universität durchgeführt wurden.

 

 

 

Acht Sängerinnen und Sänger des Rias-Kammerchores haben sich außerdem an einer sehr aufwendigen Studie beteiligt, die das Hermann-Rietschel-Institut der Technischen Universität Berlin gemeinsam mit der Klinik für Audiologie und Phoniatrie durchführen konnte. Die Arbeitsgruppe wurde von Frau Hartmann (HRI)) und Dirk Mürbe (Charité) geleitet. Mit Professor Dr. Mürbe, der auch zum Sänger ausgebildet wurde, hatte ich bereits sehr gute und lange Gespräche über z.B. die „Erhöhung der Aerosolbildung bei professionellem Singen“. Er hat mir außerdem einen Link zugeschickt, dessen äußerst eindrucksvollen Inhalt er mir dann doch telefonisch etwas erläutern musste. Ja, eindrucksvoll sind die Grafiken, aber nur von Fachleuten zu entziffern. Der Titel: „Aerosol emission is increased in professional singing.“

 

Maßgebliche Ergebnisse der Untersuchungen in Berlin betrafen Risikobewertungen von Proberäumen hinsichtlich von Viren beladener Aerosole. Weitere Experimente des Bayerischen Rundfunks und Herrn Prof. Dr. Christian Kährer vom Institut für Strömungsmechanik und Aerodynamik der Bundeswehr Universität München konnten die Ausbreitung von Aerosolen beim Singen nahe um den Mund herum sichtbar machen. Herrn Dr. Kährer konnte ich mit der Theorie einer Gesangstunde behilflich sein. Er schrieb mir daraufhin am 19. Juli 2020, ich zitiere: „Sehr geehrter Herr Professor Weikl, Ihre Erklärungen kann ich alle physikalisch und strömungsmechanisch sehr gut nachvollziehen, auch wenn ich sie technisch nicht beherrsche. Es freut mich sehr, dass Sie sich als Experte die Zeit genommen haben meine Fragen zu beantworten und ein bisschen mit mir zu diskutieren“.

 

Und die Berliner Studie konnte Aerosole Partikelquellstärken messen und Berechnungen zur Menge von Partikeln in größeren Räumen durchführen. Dr. Mürbe im Gespräch mit mir. Ich zitiere: „Es genügt nicht allein festzustellen, dass beim Singen mehr Aerosole entstehen. Die Quellenstärkeuntersuchung sollte mit der jeweiligen Raumgröße und der Belüftungsmöglichkeit dessen verknüpft werden.“ Die Berliner HRI hat aufgrund der Messungen von Quellenstärken Hochrechnungen für die Aerosolkonzentration in verschiedenen Raumgrößen und mit unterschiedlichen Personenzahlen und Lüftungssystemen errechnet. Es wurden kleinere Räume mit zwei belüfteten Konzertsälen verglichen. Das Ergebnis hat gezeigt, dass sich die Aerosolkonzentration bei maschineller Belüftung als so günstig erwies, dass Konzerte in Konzertsälen durchführbar wären. Ideal wären deshalb grundsätzlich große Räume, die nach dreißig Minuten notwendiger Durchlüftung von Sängern benutzt werden könnten. Dies allerdings immer noch bei einem Abstand von zweieinhalb Metern zu einander.

 

Desinfektion durch Vernebelung heißt jetzt eine zweite Lösung. Das folgende Mittel, welches das Berliner Ensemble zur Raumdesinfektion erfolgreich ausprobiert hat, soll für Allergiker verträglich und auf natürliche Weise abbaubar sein. Nach Angaben des beteiligten Theaters wurde das ungefährliche Amoair über ein Vernebelungsgerät oder Lüftungssystem in der Luft verteilt. Der erste Probelauf zeigte bereits, dass etwa neunundneunzig Prozent der sich im Raum befindlichen Viren durch eine Vernebelung zerstört wurden.

 

Da werfen sich trotzdem Fragen auf: Wann wird bei einer Opernaufführung vernebelt? Solche Aufführungen können zum Beispiel bis zu fünf Stunden dauern. Wird vor den Vorstellungen zur Sicherheit vernebelt? In den Pausen? Allerdings finden dann in der Regel Umbauten der Kulissen auf der Bühne statt. Wie lange dauert eine Vernebelung und müssen Reste davon von Sängern auf der Bühne eingeatmet werden?

 

Das Mittel Amoair soll nicht giftig sein. Stören aber vielleicht doch feine Partikel, die sich auf die Stimmbänder der Künstler legen Wird bei Nutzung eines Lüftungssystems für die Sänger etwa sehr problematischer Bühnenstaub hoch gewirbelt?

 

So viel wissen wir aber jetzt ganz sicher: Es ist zwar bei der Tongebung von großem Nutzen für professionelle Sängerinnen und Sänger, wenn durch optimalen Stimmsitz kein, oder beinah kein „Wind“ beim Singen aus ihrem Mund strömt, aber es geht – wissenschaftlich jetzt belegt – überhaupt nicht um den Austritt von Luft um eine brennende Kerze vor dem Mund nicht zum Flattern zu bringen oder andererseits gar zu löschen, sondern um die Verbreitung von Aerosolen, die gerade bei professionellen Sängern höher ist, im Vergleich zu Laiensängern.

 

Mit einer Maske vor Mund und Nase kann man nicht singen – das leuchtet ein – und eigentlich auch kaum verständlich sprechen. Trotzdem sollten wir uns selber, alle anderen und überall in der Öffentlichkeit damit schützen, wo es notwendig ist.

 

 

Verehrte Damen und Herren, ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen alles Gute und vornehmlich Gesundheit.

 

 

 

 

 

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