SPD: Klingbeil läutet radikalen Kurswechsel gegenüber Russland ein – Merkel mahnt zu Besonnenheit

Wie gut, dass Willy Brandt, Egon Bahr und Günter Grass, das nicht mehr erleben müssen, wie ihr Lebenswerk zertrümmert wurde und was aus dieser SPD heute geworden ist.  Evelyn Hecht-Galinski

SPD: Klingbeil läutet radikalen Kurswechsel gegenüber Russland ein – Merkel mahnt zu Besonnenheit

SPD-Chef Lars Klingbeil hat seine Partei auf einen radikalen Kurswechsel in der Russland-Politik eingeschworen. Der Grundsatz, dass es Sicherheit nur mit Russland geben könne, habe sich erledigt. Altkanzlerin Angela Merkel mahnt indes zu Besonnenheit. Es müsse langfristig an einer gesamteuropäischen Sicherheitsarchitektur gearbeitet werden – „auch unter Einbeziehung Russlands“.

 

SPD: Klingbeil läutet radikalen Kurswechsel gegenüber Russland

ein – Merkel mahnt zu Besonnenheit

SPD-Chef Lars Klingbeil hat seine Partei auf einen radikalen Kurswechsel in der Russland-Politik eingeschworen. Der Grundsatz, dass es Sicherheit nur mit Russland geben könne, habe sich erledigt. Altkanzlerin Angela Merkel mahnt indes zu Besonnenheit. Es müsse langfristig an einer gesamteuropäischen Sicherheitsarchitektur gearbeitet werden – „auch unter Einbeziehung Russlands“.
SPD: Klingbeil läutet radikalen Kurswechsel gegenüber Russland ein – Merkel mahnt zu BesonnenheitQuelle: www.globallookpress.com © Fabian Sommer

SPD-Chef Lars Klingbeil hat seinen Vorgängern in der Partei eine verfehlte Russland-Politik vorgeworfen. „Auf der Suche nach Gemeinsamkeiten haben wir oft das Trennende übersehen. Das war ein Fehler“, sagte Klingbeil am Dienstag bei einer SPD-Diskussionsveranstaltung in Berlin. Nach dem Ende des Kalten Krieges habe die SPD geglaubt, so Klingbeil weiter, dass die Beziehungen zu Russland einfach immer besser werden würden:

„Dadurch sind blinde Flecken in unserem Umgang mit Russland entstanden. Und das hat zu Fehlern im Umgang mit Russland geführt.“

Laut Klingbeil sei es für seine Partei nun an der Zeit, die Haltung gegenüber Russland grundsätzlich zu ändern. Die Aussage, dass es Sicherheit und Stabilität in Europa nur mit und nicht gegen Russland geben könne, habe nach Ansicht des SPD-Chefs keinen Bestand mehr. „Heute geht es darum, Sicherheit vor Russland zu organisieren“, erklärte er. „Russland hat sich aus dem System der gemeinsamen Sicherheit und der gemeinsamen Werteordnung verabschiedet. Unsere Sicherheit muss ohne Russland funktionieren.“

Insgesamt habe sich die SPD in der Zeit nach dem Kalten Krieg vier vermeintliche Fehleinschätzungen geleistet, sagte Klingbeil. Zum einen habe die Partei daran geglaubt, dass die Geschichte beide Länder einander verpflichte. Dabei habe sie laut Klingbeil aber verkannt, dass Putin das „anders“ sehe und „die Geschichte für die autokratische Konsolidierung nach innen und seine Großmachtpolitik nach außen“ instrumentalisiere. Auch das Paradigma Wandel durch Annäherung habe demnach nicht funktioniert. So hätten die immer engeren wirtschaftlichen Verflechtungen nicht zu einer stabileren europäischen Ordnung, sondern vielmehr zum Gegenteil beigetragen.

Der SPD-Politiker kritisierte zudem, dass sich Deutschland mit seiner Energiepolitik von Russland abhängig gemacht habe. „Eine solch einseitige Abhängigkeit darf nie wieder passieren“, mahnte Klingbeil. Darüber hinaus seien die Interessen der ost- und mitteleuropäischen Partner nicht ausreichend berücksichtigt worden, was laut dem SPD-Chef zu einem massiven Vertrauensverlust geführt habe. Es gebe sicher weitere Fehler, die gemacht worden seien, sagte Klingbeil. Ihm sei wichtig, diese zu benennen und daraus die richtigen Lehren für die Zukunft zu ziehen.

Mit seinen Aussagen läutet Klingbeil somit einen radikalen Kurswechsel der SPD gegenüber Russland ein. Denn noch im Wahlprogramm der SPD von 2021 hatte es geheißen: „Frieden in Europa kann es nicht gegen, sondern nur mit Russland geben.“ Auch im immer noch gültigen Grundsatzprogramm der Partei von 2007 wird die strategische Partnerschaft mit Russland als „unverzichtbar“ für Deutschland und die Europäische Union bezeichnet. „Die Öffnung Russlands sichert Frieden und Stabilität auf unserem Kontinent“, heißt es dort.

Merkel steht zu stabilen Beziehungen zu Russland

Ähnlich sieht das auch die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Erst kürzlich sagte sie beim Festakt zu „1110 Jahre Goslar“, dass langfristig an einer gesamteuropäischen Sicherheitsarchitektur gearbeitet werden müsse – „auch unter Einbeziehung Russlands“ –, und auch wenn dies eines sehr langen Atems bedürfe. „Dieses Ziel komme uns heute vielleicht so wenig realistisch vor wie Adenauer im Jahr 1950 in Goslar die Wiedervereinigung“, so Merkel. Dennoch sei es zu erreichen. Dass sie ein Wiederaufleben der deutsch-russischen Beziehungen auch weiterhin für möglich und auch gut halte, ließ die Altkanzlerin nur wenige Wochen später erneut verlauten.

Bei ihrem Auftritt bei der „Helmut-Kohl-Stiftung“ hatte Merkel Ende September erklärt: Würde man Kohls Politik auf heute übertragen, dann würde man „parallel immer auch das im Moment so Undenkbare, schier Unvorstellbare mitdenken – nämlich wie so etwas wie Beziehungen zu und mit Russland wieder entwickelt werden können“. Dabei erinnerte sie zugleich an den Gedanken des „Doppelbeschlusses“ aus der Kohl-Zeit, der Abschreckung und Gesprächsbereitschaft gegenüber Moskau verband.

Im Gegensatz zu Klingbeil steht Merkel zudem auch weiterhin zu ihrer Russland-Politik der vergangenen Jahre. „Man handelt ja immer in der Zeit, in der man ist.“ Selbst im Kalten Krieg sei Russland ein Energielieferant gewesen, auf den man sich hätte verlassen können. „Ich habe nie daran geglaubt, dass es so etwas gibt wie Wandel durch Handel, aber durchaus Verbindung durch Handel. Und insofern bereue ich Entscheidungen überhaupt nicht, sondern glaube, dass es aus der damaligen Perspektive richtig war“, sagte Merkel kürzlich auf einer Veranstaltung in Lissabon.

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