Tragische Farce Pistorius in Singapur Von Jörg Kronauer

Tragische Farce

Wie weiland der römische Staatsmann Cato in jeder seiner Reden die Zerstörung Karthagos forderte, pflegt die Bundesregierung das Mantra, Russland müsse ruiniert werden.

 

Aus: Ausgabe vom 05.06.2023, Seite 8 / Ansichten

Tragische Farce

Pistorius in Singapur
Von Jörg Kronauer
 
5. Juni 2023
Verteidigungsministe_78257086.jpg
Pistorius mit Beratern in einem Besprechungsraum (Jakarta, 4.6.2023)

Ob die Marxsche Feststellung zutrifft, dass sich manche geschichtlichen Ereignisse zweimal ereignen, das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce? Die Bundesregierung jedenfalls macht zur Zeit die Probe aufs Exempel. Am Wochenende bequemte sich Verteidigungsminister Boris Pistorius erstmals zum Shangri-La-Dialog nach Singapur; seine Amtsvorgängerinnen hatten die renommierte Tagung – immerhin Asiens größte Sicherheitskonferenz – jahrelang geschwänzt; ein schönes Beispiel für die immer wieder beschworene Wertschätzung, die Berlin fernen Weltgegenden entgegenzubringen behauptet. Pistorius kündigte in Singapur für nächstes Jahr die Entsendung zweier Kriegsschiffe der Bundesmarine sowie eines Luftwaffengeschwaders zu Manövern in die Asien-Pazifik-Region an; dann aber mimte er, wie es sonst der Kanzler, die Außenministerin oder andere im Ausland weilende Berliner Regierungsmitglieder gewöhnlich tun, Cato den Älteren.

Wie der römische Staatsmann jede seiner Reden, ob es inhaltlich passte oder nicht, mit dem Mantra beendet haben soll, das immer noch aufmuckende Karthago müsse in einem dritten Krieg endgültig zerstört werden, so kaperte Pistorius nun den Shangri-La-Dialog mit der Lieblingsparole des Westens, es müssten sich jetzt alle Staaten gegen Russland verbünden. Es stimmt: Die meisten Staaten Ost- und Südostasiens haben in der UN-Generalversammlung den russischen Angriff auf die Ukraine deutlich kritisiert. Es stimmt aber auch: Dass die »Herrschaft mit Faustrecht«, die Pistorius in Singapur einmal mehr Russland in die Schuhe schieben wollte, schon seit Jahrzehnten vom Westen praktiziert wird, ist den asiatischen Teilnehmern des Shangri-La-Dialogs wohl bewusst. Insofern traf sein »ceterum censeo« nicht auf Zustimmung. Ganz im Gegenteil: Singapurs Vizeaußenminister wies darauf hin, dass sich die Staaten Südostasiens auch im großen Machtkampf des Westens gegen China nicht auf eine Seite schlagen wollen. Sind die Zeiten vorbei, in denen der Westen weltweit Gefolgschaft einfordern konnte? Weiterlesen in hingewelt.de

 

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*