Ukrainistik-Professor bezeichnet Rechtsextremismus in der Ukraine als staatstragend Von Wladislaw Sankin

Soviel zur bis heute mehr als defizitären „Entnazifizierung“ in Deutschland!     Evelyn Hecht-Galinski

Ukrainistik-Professor bezeichnet Rechtsextremismus in der Ukraine als staatstragend

Von Wladislaw Sankin Ist die Ukraine ein Nazi-Staat? Im Westen wird jeder, der das behauptet, sofort „russischer Propaganda“ verdächtigt. Das russische Nazi-Narrativ sei Quatsch, Russland greife die Ukraine an, weil der Diktator Putin keine demokratische, prosperierende Ukraine vor seinen Grenzen dulden wolle, lautet die offizielle westliche Gegen-Erzählung dazu.

Ukrainistik-Professor bezeichnet Rechtsextremismus in der Ukraine als staatstragend

Von Wladislaw Sankin

Ein in Deutschland lehrender Kulturwissenschaftler aus der Westukraine glaubt nicht an einen ukrainischen Sieg und bewertet die Verehrung der ukrainischen Nazi-Kollaborateure als fatal für sein Land. Klammheimlich gibt er zu, dass der ukrainische Staat vom Bandera-Kult durchdrungen ist.
Ukrainistik-Professor bezeichnet Rechtsextremismus in der Ukraine als staatstragendQuelle: Sputnik

 

Ist die Ukraine ein Nazi-Staat? Im Westen wird jeder, der das behauptet, sofort „russischer Propaganda“ verdächtigt. Das russische Nazi-Narrativ sei Quatsch, Russland greife die Ukraine an, weil der Diktator Putin keine demokratische, prosperierende Ukraine vor seinen Grenzen dulden wolle, lautet die offizielle westliche Gegen-Erzählung dazu.

Wissenschaftlich „abgesegnet“ wurde sie zuletzt von Klaus Gestwa, Geschichtsprofessor aus Tübingen, der überzeugt war, auf Youtube in einem Thesencheck acht angeblich falsche „Behauptungen über den Krieg“ in der Ukraine widerlegt zu haben mit Thesen, die von der US-Beamtin Victoria Nuland und Bundeskanzler Olaf Scholz stammen. Ihm pflichten viele andere Experten aus dem Bereich der Geisteswissenschaften bei, wie etwa der Leiter der deutsch-ukrainischen Geschichtskommission Martin Schulze Wessel oder Osteuropa-Forscher Karl Schlögel. Ob sie sich für immer massivere Waffenlieferungen an die Ukraine aussprechen oder nicht, muss an dieser Stelle gar nicht gefragt werden.

Es gibt sie dennoch, differenziertere Töne, und zwar aus der Ecke, wo diese eigentlich kaum erwartet werden dürfen. Professor Roman Dubasevych, Inhaber des Lehrstuhls für Ukrainische Kulturwissenschaft an der Universität Greifswald, gehört zu den wenigen medial auftretenden Wissenschaftlern, die es vermeiden, gegenüber Russland und Wladimir Putin hetzerisch zu werden. Überraschend kommt hinzu, dass Dubasevych selbst aus Lwow in der Westukraine stammt, einem Ort, der zu Recht als wichtigste Brutstätte des militanten ukrainischen Nationalismus gilt.

So weigert er sich beispielsweise in Wladimir Putin einen neuen Adolf Hitler zu sehen. Putin sei eben nicht Hitler und man müsse mit ihm verhandeln und Spielräume ausloten, sagte er im Deutschlandfunk. Für Dubasevych ist klar, dass die russische Armee der ukrainischen überlegen ist und den Krieg gewinnen wird. „Was ist das Ziel unserer Verteidigung?“, fragt er sich. „Menschenleben, Infrastruktur zu schonen? Oder ist das Ziel unserer Verteidigung, eine Situation zu erreichen, über die man salopp sagen könnte: Operation erfolgreich, Patient tot?“.

Von absolutistischen Parolen „Freiheit oder Tod“ hält er nicht viel. Außerdem plädiert Dubasevych für eine ehrliche Diskussion darüber, wie es zu diesem Krieg gekommen ist und ob alle Spielräume auch tatsächlich genutzt wurden, um ihn zu verhindern. Im von ihm 2019 herausgegebenen Buch „Sirenen des Krieges“ hat er sich um einen vergleichsweise objektiven Blick auf die Genese des Donbass-Krieges 2014-2022 bemüht, was ihn im Kreise seiner „liberal-nationalistischen“ (seine eigene Bezeichnung) Landsleute beinahe zu einem Dissidenten machte.

„Die Ursachen für den stockenden Friedensprozess sind jedoch auch auf ukrainischer Seite zu suchen, und zwar in nationalistischen Identitätsvorstellungen und nationalen Opfer- und Widerstandsnarrativen, vor allem dem ukrainischen Heldenmythos“, wagte er sich in einer Analyse aus dem Jahr 2020 zu behaupten.“

Auch ist Dubasevych derjenige, der es nicht leugnet, den ukrainischen Nationalisten Stepan Bandera einen Faschisten und Nazi-Kollaborateur zu nennen. In seinem vierstündigen Interview für den Youtube-Kanal „Jung & Naiv“ hat er sogar zugegeben, dass der Bandera-Kult und überhaupt der Rechtsextremismus das moderne ukrainische Staatswesen durchdrungen hätten.

Auf die Frage des Journalisten Hans Jessen, ob die Wahrnehmung richtig sei, dass sich Präsident Wladimir Selenskij vom Rechtsextremismus in seinem Land nicht distanziert habe, sagte er wortwörtlich:

„Ich glaube nicht, dass er ihn bejaht, aber ich glaube, dass er nicht die Kraft hat, sich davon zu distanzieren, weil gewisse Elemente aus dieser nationalistischen Tradition als staatstragend anerkannt wurden und gesehen werden.“

Von der Behauptung, dass die Ukraine im Grunde ein nazistischer Staat sei, ist diese Feststellung nicht einmal einen halben Schritt entfernt. Es kommt nicht darauf an, ob mit entsprechenden Tattoos dekorierte Neonazis im ukrainischen Parlament oder in der Regierung vertreten sind oder ob Selenskij als ethnischer Jude dies niemals zulassen würde, was zählt, ist das totalitäre System, das konsequent wie eine Walze auf die Ausmerzung von allem Russischen in der Ukraine gerichtet ist. Repression, Büchervernichtung, Denkmalstürze, Fackelzüge und Unbarmherzigkeit gegenüber den „Prorussen“ im Kriegsgebiet sind nur äußere Erscheinungen davon.

Natürlich benutzt auch Dubasevych in seinem Vokabular diffamierende Begriffe wie „russische Propaganda“ und hält den „Krieg gegen die Ukraine“ für einen brutalen russischen Angriffskrieg. Von seiner Grundeinstellung bleibt Dubasevych ein durch und durch liberaler Westler, der seinerzeit auch den sogenannten Euromaidan euphorisch begrüßt hat.

Gleichzeitig sieht er den Konflikt als sich hochschaukelnde Eskalationsspirale, wo sich jede Seite mit jedem neuen Schmerz und Verlust in ihrer „Paranoia“ bestätigt fühlt. Jede Kriegspartei habe ihre „Traumata“, die jeweils zumindest teilweise berechtigt seien. Von der russischen Seite sei es die Angst, vom Westen belagert und bedroht zu werden, wobei der Ukraine als „Agentin des Westens“ eine zentrale Rolle in der Zerstörung Russlands zukommt. Für die Ukraine sei es die Vorstellung, dass Russland die Ukraine über Jahrhunderte „kolonial“ und „genozidal“ unterdrückt habe. Zu Selenskij im Speziellen sagt er:

„Er muss zeigen, dass er der Führer der Nation ist.“

Durch ihre Radikalität und Selbstaufopferung würden nun auch die Nazi-Kollaborateure als Beschützer der Nation empfunden, erklärt der Kulturwissenschaftler gegenüber dem SWR. Ausgeblendet werde dabei, dass Stepan Bandera ein Faschist und Antisemit gewesen sei, mitverantwortlich für Pogrome an Juden und auch für Massaker an der polnischen Bevölkerung.

Tragisch sei dieser Bezug zu Bandera besonders deshalb, weil die russische Propaganda den Bandera-Kult benutze, um dessen Anhänger in der Ukraine als „Nazis“ zu bezeichnen und auf diese Art zu begründen, dass die Ukraine „entnazifiziert“ und deshalb mit allen Mitteln bekriegt werden müsse. Im Gespräch mit SWR wird auch erwähnt, dass der Oberbefehlshaber des ukrainischen Militärs auf Twitter vor einem Bandera-Foto posiert. „Wenn ich fatalistisch wäre“, erklärt Dubasevych, „würde ich sagen, für eine andere Geschichtspolitik ist es leider schon zu spät“.

Seinem Land bleibt er derzeit fern. Nach Beginn der russischen Militäroperation hat Dubasevych laut eigenen Angaben die Ukraine kein einziges Mal besucht. Ob dies mit seiner kritischen Einstellung zur offiziellen ukrainischen Ideologie oder einfach mit Kriegsgefahren zu tun hat, ist allerdings unklar. SWR bezeichnet ihn als „Exil-Ukrainer“.

Entgegen den im Westen gängigen Vorstellungen, sagt er, dass Russland und die Ukraine miteinander aufs Engste verflochten seien. „Ich würde es in den Kategorien Verflechtung und Entflechtung beschreiben“, antwortete Dubasevych politisch korrekt auf die Frage von Tilo Jung, ob die Russen und Ukrainer trotz all der „russischen Gräuel“ Brüdervölker seien. Seine Tochter wachse nicht nur ukrainisch, sondern auch russischsprachig auf, erzählt der Kulturforscher.

Auch legt er nicht fest, wie der Konflikt und seine Ursachen von der kommenden Historiker-Generation bewertet werden. Offenbar lässt er zumindest die Frage offen, ob die Ukraine als Staat überhaupt eine Zukunft hat. Die Frage, ob er bereit wäre, zwischen Russen und Ukrainern im Falle der Friedensverhandlungen zu vermitteln, bejahte der Wissenschaftler.

Bei all seinem Dissens zum vorherrschenden russophoben Zeitgeist darf man natürlich das „Dissidententum“ Dubasevychs nicht überbewerten. Auch er denkt in den üblichen Schablonen des westlichen Establishments. Die Frage, ob Russland und die Prorussen in der Ukraine etwas Böses, Unzivilisiertes oder Rückständiges verkörpern oder nicht, stellt sich für ihn nicht. Das ist die unerschütterliche Grundannahme, die in dem Milieu, in dem sich der Wissenschaftler bewegt, nie angezweifelt werden darf. So gehen „Fake-News“ und „Propaganda“ auch in seiner Rhetorik nur von Russland aus, niemals von der Ukraine oder dem Westen. Auch analysiert er den Opferkult um die sogenannte „Himmlische Hundertschaft“ vom Maidan, ohne seine Echtheit anzuzweifeln, vielfach dokumentierten Hinweisen auf False-Flag-Operationen aus eigenen Reihen zum Trotz.

Dennoch ist der Lwower Dubasevych, der in Greifswald Ukrainistik lehrt, wahrscheinlich einer der ganz wenigen, die sich bislang geweigert haben, nach dem russischen Einmarsch im Februar 2022 ihre gemäßigte Position radikal zu überdenken. Auch heute traut er sich, über fatale Versäumnisse auf der ukrainischen Seite zu sprechen, und ist in der Lage, in einem tiefgründigen Gespräch über Schmerz und Leid in seinem Land tiefe Emotionalität zu entwickeln, ohne dabei hysterisch zu werden.

Da die Zukunft der Ukraine als gegen Russland gerichtete NATO-Speertruppe immer trüber zu werden scheint, wird auch die Zeit kommen, wenn differenziert denkende Experten vom Schlage Dubasevychs auf Krieg gebürstete Propagandisten im wissenschaftlichen Gewand in öffentlichen Diskussionen ablösen.

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