Verbote, Geldstrafen und Anklagen: Die Repression gegen die Palästina-Solidaritätsbewegung in Österreich     Von Dieter Reinisch

Bans, fines, and charges: The repression of the Palestine Solidarity Movement in Austria

Even eight months after the start of the Israeli attack on Gaza, the repression against the Palestine solidarity movement with Palestine by the Austrian state and police is unceasing.

Verbote, Geldstrafen und Anklagen: Die Repression gegen die Palästina-Solidaritätsbewegung in Österreich

    Von Dieter Reinisch
Quelle: Al Mayadeen Englisch
31. Mai 2024

Auch acht Monate nach dem Beginn des israelischen Angriffs auf Gaza ist die Repression gegen die Palästina-Solidaritätsbewegung durch den österreichischen Staat und die Polizei ungebrochen.

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Auch acht Monate nach dem Beginn des israelischen Angriffs auf Gaza ist die Repression gegen die Solidaritätsbewegung mit Palästina durch den österreichischen Staat und die Polizei ungebrochen. Zuletzt löste die Polizei Proteste auf, weil AktivistInnen zu einer „Intifada“ aufriefen, und ein Rechtsanwalt wurde wegen Aufwiegelung angeklagt.

„Allein am 11. Oktober gab es über 310 Bußgelder“, sagt Martin Weinberger vom Dachverband Palästina Solidarität Österreich (PSOe). Unter diesem Namen haben sich seit Jahren mehrere Personen und Organisationen zusammengeschlossen, um Aktionen in Solidarität mit dem palästinensischen Volk zu organisieren.

Vier Tage nach Beginn der aktuellen Kampfphase in Palästina organisierte PSOe eine Kundgebung auf dem Stephansplatz in der Wiener Innenstadt. Der Protest wurde zwar kurzfristig verboten, dennoch versammelten sich über tausend Menschen auf dem Platz.

Die Polizei, die von der Größe der Teilnehmer überrascht war, konnte die Kundgebung nicht auflösen. Ein Polizeikordon, der die Teilnehmer einkesseln sollte, konnte nicht geschlossen werden und der Versuch scheiterte. Nur langsam traf Verstärkung für die überforderte Exekutive ein.

Mehr als eine Stunde später war der Platz umstellt, und die Demonstranten wurden einer nach dem anderen abgeführt. Es dauerte bis Mitternacht, bis der Platz geräumt war. Auch Personen, die sich zum Zeitpunkt der Verhaftung außerhalb der Polizeikette befanden, wurden verhaftet. Ein junger Migrant, der neben dem Autor stand, rief „Allahu Akbar“. Wenige Minuten später rannten drei Polizeibeamte von der Kette auf ihn zu und nahmen ihn mit. Obwohl der Autor intervenierte, sagte ihm der Einsatzleiter, der Junge habe „etwas Verbotenes gerufen“.

Zur gleichen Zeit, als die Polizei gegen friedliche Palästina-Aktivisten vorging, versammelte sich die gesamte Bundesregierung vor dem Bundeskanzleramt am Ballhausplatz, weniger als einen Kilometer entfernt, und gedachte der israelischen Opfer des 7. Oktober. Zu dieser Gedenkveranstaltung kamen jedoch weniger Menschen als zum Protest für Gaza, den die Polizei kurzfristig verbot.

In den folgenden Wochen untersagten die Behörden weitere Kundgebungen: „Seit Beginn des Völkermordes in Gaza protestieren wir in Österreich ständig. Bisher wurden mindestens dreizehn Proteste verboten“, sagt Marco Van Jura von der Initiative Palästina Solidarität IP9 gegenüber Al Mayadeen.

Die Hauptorganisatorin der Bewegung ist Daniela Vill. Sie hat die Demonstration am 11. Oktober bei den Behörden angemeldet. Sie ist seit Jahren in der PSOe aktiv. Kürzlich musste sie sich vor Gericht für eine Aktion im September 2023 verantworten, d.h. vor Beginn der Kämpfe am 7. Oktober. Das Verfahren wurde eingestellt, und die Anklage wurde fallen gelassen. Dies ist nicht die einzige Anklage, die Vill aufgrund ihres Engagements für Palästina erhalten hat. In den letzten Monaten sind weitere Anklagen hinzugekommen. Erst vor einer Woche erhielt sie eine Anzeige, weil sie einen Protest von Aktivisten der jüdischen antizionistischen Organisation Not In Our Name gefilmt hatte, die mit roter Farbe vor dem Eingang eines Forschungsinstituts in einem südlichen Wiener Vorort protestiert hatten. Das Internationale Institut für angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg hatte israelische Forscher in seine Räumlichkeiten eingeladen.
Vom Fluss zum Meer

„Es gibt mittlerweile mehrere hundert Anzeigen“, sagt Weinberger. Meistens drehen sie sich um den Slogan „Vom Fluss zum Meer, Palästina wird frei sein“ und seine Varianten. Sie würden das Existenzrecht „Israels“ in Frage stellen und fielen daher unter den Straftatbestand der „Verhetzung“, wie die Staatsanwaltschaft Graz behauptet.

Die rechtliche Vorgangsweise stützt sich auf einen Erlass des Bundesministeriums für Justiz (BMJ) vom 30. November 2023, der erst Mitte März 2024 veröffentlicht und Al Mayadeen zur Verfügung gestellt wurde. Dieser Erlass mit dem Aktenzeichen 2023-0.848.488 trägt den Titel „Erlass des Bundesministeriums der Justiz zur rechtlichen Beurteilung der Parole ‚Vom Fluss bis zum Meer wird Palästina frei sein‘ im Sinne des § 282a Abs. 2 StGB“.

Darin heißt es, man werde die „Rechtsauffassung des Bundesministeriums (…) zur rechtlichen Beurteilung der öffentlichen Wiedergabe des Slogans (…)“ darlegen. Zunächst wird die israelische Sichtweise vom 7. Oktober in der Ausgangssituation wiederholt. Es folgt ein kurzer Abriss über die Geschichte und den Charakter der Hamas.

Im dritten Abschnitt legt das BMJ seine Darstellung von „From the river….“ dar. Es räumt ein, dass der Slogan in den 1960er Jahren von der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) geprägt und „von verschiedenen palästinensischen Gruppen als Aufruf zur Befreiung Palästinas von der israelischen Besatzung“ verwendet wurde, auch für „friedliche Bemühungen zur Förderung der palästinensischen Unabhängigkeit.“ Allerdings wird dann nur die Verbindung des Slogans zur Hamas im Detail diskutiert. Das BMJ kommt zu dem Schluss, dass die Forderung den „Staat Israel“ negiert und daher rechtswidrig ist.

Nach §282s StGB ist das Verwenden des Slogans eine „Rededelikte“. Da die Parole auch „in grober Weise dem Staat Israel (…) das Existenzrecht absprechen“ kann und somit „einen Aufruf zur Zerstörung des israelischen Staates“ bedeutet, „kann das öffentliche Skandieren dieser Parole nicht mit den legitimen Unabhängigkeitsbestrebungen der Palästinenser gleichgesetzt werden“, so das BMJ in seinem Erlass. Dem Erlass war eine Mitteilung des deutschen Innenministeriums über die Hamas beigefügt.

Neben den wöchentlichen Demonstrationen in ganz Österreich versucht die Bewegung, andere Aktionsformen durchzuführen. Eines der Mittel sind Flashmobs und Störaktionen bei öffentlichen Veranstaltungen: „Wir versuchen, neue Formen des Protests zu finden, um die öffentliche Meinung, die Gesellschaft hier, daran zu erinnern, dass in Palästina ein Krieg und ein Massaker stattfindet“, sagte Mohamed Aborous vom Arab Palestine Club (APC) gegenüber Al Mayadeen.

Zusätzlich zu den politischen Anklagen wurden Hunderte von Aktivisten mit Verwaltungsstrafen belegt. Die jüdischen Antizionisten von Not In Our Name protestierten am 21. Januar im Burgtheater gegen eine Veranstaltung zum Thema „Israel“ mit Außenminister Alexander Schallenberg. Auch im Parlament gab es Proteste. Für einige Aktivisten summieren sich die Bußgelder auf bis zu dreihundert Euro pro Stück – einige haben bereits fünf verschiedene Strafen.
Islamfeindliches Forschungsinstitut

Ein Beispiel aus Kärnten, einer südlichen Region Österreichs an der Grenze zu Slowenien und Italien, zeigt, wie weit die Kriminalisierung geht. Laut einer Sachverhaltsdarstellung des Landesamtes für Verfassungsschutz und Extremismusbekämpfung wurde dort ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, weil eine Person bei einer Demonstration am 17. Februar in der Stadt Villach einen Schal mit dem Aufdruck der Al-Aqsa-Moschee trug. Da auf dem Schal zu lesen war: „Al-Quds (Jerusalem) ist die Hauptstadt Palästinas“, behauptet die Staatsanwaltschaft Klagenfurt, dass der Träger des Schals durch die Bilder auf dem Schal „das Existenzrecht Israels“ leugnen würde.

Bei ihrem Vorgehen gegen die Palästina-Bewegung stützen sich die österreichische Polizei, das BMJ und die Geheimdienste auf eine „Wissenschaftliche Beurteilung der Parole ‚Vom Fluss zum Meer‘“ des so genannten „Dokumentationszentrums für politischen Islam“ vom 25. Oktober. Hinter dem Namen verbirgt sich eine Denkfabrik mit dem vollen Namen „Österreichischer Fonds zur Dokumentation des religiös motivierten politischen Extremismus (Dokumentationszentrum für den politischen Islam)“. Unter dem Deckmantel der Forschung verbreitet sie seit Jahren ihre rassistische und islamfeindliche Agenda.

Sie wurde 2020 von der grün-konservativen Bundesregierung beauftragt, „den politischen Islam wissenschaftlich zu dokumentieren und zu erforschen.“ Der Öffentlichkeit wurde sie durch die Veröffentlichung ihrer „Islamkarte“ bekannt, auf der muslimische, arabische und iranische Bildungs- und Religionseinrichtungen, Kulturvereine und andere Organisationen und Personen mit ihren Adressen verzeichnet sind. Persönliche Informationen sind auf der Karte sichtbar. In Begleittexten werden die dort aktiven Vereine und Personen des Antisemitismus bezichtigt und in die Nähe des „Terrorismus“ gerückt.

Sogar ein Sozialraum für die palästinensische Gemeinde im 3. Wiener Gemeindebezirk und der Solidaritätsverein Dar Al Janub sind auf der Karte zu finden. In der Folge wurden mehrere Einrichtungen zum Ziel rechtsextremer und zionistischer Angriffe.

In jüngster Zeit hat die Polizei ihre Aktionen ausgeweitet. Zu Ostern wurde in der oberösterreichischen Landeshauptstadt Linz eine Hausdurchsuchung bei einem palästinensischen Journalisten durchgeführt. Er ist der Direktor der Nachrichtenplattform „Gaza Now“. Vorausgegangen war eine enge Zusammenarbeit zwischen den Geheimdiensten der USA, Großbritanniens und Österreichs.

Am Donnerstag löste die Polizei eine Mahnwache vor dem Innenministerium wegen der Verwendung des Wortes „Intifada“ in Reden auf, ein Pensionist, Walter Hoeller, wurde verhaftet, und die bekannte Rechtsanwältin Astrid Wagner wurde wegen Verhetzung angeklagt, weil sie auf der friedlichen Kundgebung gesprochen hatte.

Übersetzt mit deepl.com

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