Warum die Afrikaner dem Westen nicht vertrauen von Thomas Röper

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Kampf um Afrika

Warum die Afrikaner dem Westen nicht vertrauen

von Thomas Röper

12. April 2023

Die russische Nachrichtenagentur TASS hat einen sehr lesenswerten Artikel über das Verhältnis der Afrikaner zu Russland und dem Westen veröffentlicht.

Für die russische Nachrichtenagentur TASS schreibt ein Urgestein des russischen Journalismus namens Andrej Schitow, der jahrzehntelange Erfahrungen als Auslandskorrespondent hat und dessen Analysen ich sehr oft übersetze, weil sie alleine aufgrund seiner reichhaltigen Erfahrung sehr interessant sind. Nun wurde Schitow im Zuge der Bemühungen Russlands, seine Beziehungen zu Afrika zu verbessern und in der Vorbereitung auf den kommenden Russland-Afrika-Gipfel mit einer Delegation auf eine Afrikareise geschickt und hat anschließend über seine Erfahrungen berichtet. Auch wenn Schitow, wie er selbst deutlich sagt, kein Afrika-Experte ist, finde ich seinen Erfahrungsbericht von einer Reise zu Gesprächen mit der afrikanischen politischen, wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Elite sehr interessant und habe ihn daher übersetzt.

Beginn der Übersetzung:

Warum die Afrikaner weiterhin an Russland glauben und dem Westen nicht vertrauen

Andrej Schitow darüber, was ihn seine Reise nach Tansania und Äthiopien gelehrt hat.

Der junge Tansanier Paternus Niyegira erzählte mir neulich auf dem Journalistenseminar im russischen Kulturzentrum in Dar es Salaam leidenschaftlich, wie nützlich die frühere Zusammenarbeit mit der UdSSR für sein Land war und wie sehr sie geschätzt wurde. Daraufhin habe ich vorsichtig angemerkt, dass er sich allein aufgrund seines Alters gar nicht mehr an diese Zeiten erinnern zu können scheint. „Meine Mutter hingegen, die mir alles von Kindesbeinen an beigebracht hat, erinnert sich noch gut daran.“ Am nächsten Tag nahm er mich mit zu einem Treffen mit dem örtlichen Politikwissenschaftler Nowatus Igosha, der mir bestätigte, dass diese Art der Mund-zu-Mund-Propaganda in Afrika, wo die Tradition der Ahnenverehrung heilig ist, die Norm ist; ihm zufolge werden die Kinder auch in seiner eigenen Familie so erzogen.

Diese flüchtige Episode bestätigte mir anschaulich, was ich bereits in Moskau von Experten gehört hatte, als ich mich auf meine erste Reise in das subsaharische Afrika vorbereitete. Für die Bewohner des Kontinents ist die Erinnerung der Generationen kein leeres Wort, und es ist vor allem dieser Erinnerung zu verdanken, dass die Afrikaner Russland weiterhin vertrauen und an Russland glauben. Zu Amerika und dem Westen insgesamt haben sie dagegen kein solches Vertrauen, und das nicht nur wegen der kolonialen Vergangenheit.

Eine unveränderte Priorität

Auf dem russisch-afrikanischen parlamentarischen Forum, das kürzlich in Moskau stattfand, äußerte der russische Präsident Wladimir Putin die Überzeugung, dass „Afrika eine führende Rolle in der entstehenden multipolaren Weltordnung spielen wird“, weil „alle objektiven Voraussetzungen dafür gegeben sind.“ Dazu gehören eine überwiegend junge Bevölkerung von rund 1,5 Milliarden Menschen und „eine riesige Rohstoffbasis – fast ein Drittel der weltweiten Bodenschätze“.

Das russische Staatsoberhaupt erinnerte an die „bedeutende Unterstützung“ der Völker Afrikas durch die Sowjetunion während ihres heldenhaften Kampfes um die Unabhängigkeit und betonte, dass „unser Land der Zusammenarbeit mit den afrikanischen Staaten immer Priorität eingeräumt hat und weiterhin einräumen wird“ und dass dies „eine der ständigen Prioritäten der russischen Außenpolitik“ sei. Das wurde später in dem neuen außenpolitischen Konzept der Russischen Föderation bestätigt.

Derzeit laufen aktive Vorbereitungen für das Gipfeltreffen russischer und afrikanischer Staatsoberhäupter, das im Sommer in St. Petersburg stattfinden soll. In diesem Rahmen haben die Russische Assoziation für wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Afrika (AECAS) und der Gortschakow-Fonds zur Unterstützung der öffentlichen Diplomatie einen professionellen Wettbewerb für afrikanische Journalisten unter dem Motto „Building the Future Together“ ausgeschrieben. Die TASS hat zur Teilnahme an diesem Projekt eingeladen und unsere Reise organisiert. In der ersten Phase besuchten wir Äthiopien und Tansania und Besuche in anderen Ländern sind ebenfalls geplant.

Übrigens besuchte Sergej Michailow, der Generaldirektor der TASS, Uganda, wo er sich mit lokalen Kollegen traf und ihnen Informationsunterstützung versprach, einschließlich des kostenlosen Zugangs zum Newsfeed unserer Agentur für die wichtigsten afrikanischen Medien. Und der Erste Stellvertretende Generaldirektor Michail Gusman führte ein Exklusivinterview mit dem ugandischen Präsidenten Yoweri Kaguta Museveni, der das starke Engagement Kampalas für die Teilnahme am Gipfel in St. Petersburg bestätigte und die Aussichten seines Landes auf eine Zusammenarbeit mit Russland lobte.

Amerikanischer Blitzkrieg: ein weiterer „Reset“?

Aber auch die unfreundlichen Länder, wie man sagt, schlafen nicht. Kurz vor unserem Besuch besuchte US-Vizepräsidentin Kamala Harris Tansania und reiste auch nach Ghana und Sambia. US-Außenminister Anthony Blinken besuchte im März Äthiopien und Niger. Auch die First Lady der USA, Jill Biden (Februar: Namibia und Kenia), die Finanzministerin Janet Yellen (Januar: Senegal, Sambia und Südafrika) und die Ständige Vertreterin der USA bei den UN Linda Thomas-Greenfield (Januar: Ghana, Mosambik und Kenia) haben in den letzten Monaten versucht, Afrika mit ihrer Anwesenheit zu beglücken.

Von außen betrachtet sieht das Ganze wie eine Art diplomatischer Blitzkrieg aus. Die Ziele liegen auf der Hand: In erster Linie geht es darum, Russland und China einzudämmen und ihrem wachsenden Einfluss in Afrika entgegenzuwirken. Die propagandistische Verpackung sind Argumente über die Konfrontation zwischen „Demokratie“ und „Autoritarismus“ in der modernen Welt, insbesondere im Zusammenhang mit den Ereignissen in der Ukraine, obwohl selbst die amerikanische Presse zugibt, dass afrikanische Kollegen von solchen „Lektionen über Demokratie“ von westlichen Politikern ein wenig genervt sind.

Der Besuch von Harris wurde von vielen Kommentatoren, darunter Politico in Washington und The South China Morning Post in Hongkong, als Versuch gewertet, die Beziehungen zwischen den USA und Afrika „neu zu gestalten“. Über die afrikanische Reaktion auf diese Bemühungen werde ich noch etwas sagen, denn ich habe versucht, sie während meiner Reise selbst zu begreifen. Gelegentlich erinnerte ich meine Gesprächspartner daran, welche Belastung der von Joe Biden während der Regierung Barack Obamas verkündete „Reset“ der amerikanisch-russischen Beziehungen der Welt beschert hat.

Doch die Afrikaner wissen und verstehen das selbst sehr gut. Auch die Amerikaner geben zu, dass die vor ihnen liegende Aufgabe in Afrika nicht einfach ist – und das nicht nur wegen der berüchtigten abfälligen Äußerungen des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump über die Länder des Kontinents, der sie mit Latrinen verglichen hat. In einem Kommentar zu Harris‘ Reise weist insbesondere die New York Times darauf hin, dass es für die USA schwierig ist, den Verbündeten zu spielen und gleichzeitig das Versprechen von Präsident Biden zu erfüllen, gegen ausländische Regierungen vorzugehen, die Anti-LGBTQ-Gesetze fördern und die Menschenrechte einschränken. Laut der Zeitung sieht sich Uganda beispielsweise bereits mit „wirtschaftlichen Sanktionen“ der USA konfrontiert, die aus diesem Grund verhängt wurden.

Die Zeitung erinnert daran, dass sich die USA in Afrika seit jeher auf sogenannte „Ankerstaaten“ konzentriert haben, also auf „große oder finanzstarke Länder, die für die regionale Stabilität von entscheidender Bedeutung sind“. Peking hingegen schenkt im Gegensatz zu Washington „selbst kleinen afrikanischen Ländern sorgfältige diplomatische Aufmerksamkeit“, indem es „stabile strategische diplomatische und wirtschaftliche Partnerschaften“ mit ihnen aufbaut. Es ist kein Zufall, dass Chinas Außenminister seit über drei Jahrzehnten Afrika ihren ersten Besuch nach dem Jahreswechsel abstatten.

So eine politische Konsequenz trägt Früchte. Der New York Times zufolge ist China „entweder der erst- oder der zweitgrößte Handelspartner für alle drei von Harris besuchten Länder, weit vor den USA“. Insbesondere Tansania hat bereits das Niveau einer umfassenden strategischen Partnerschaft mit China erreicht. Das war das Ergebnis des Besuchs der afrikanischen Präsidentin Samia Suluhu Hassan im vergangenen November in Peking und ihrer Treffen und Gespräche mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping; gleichzeitig wurden wichtige neue Handels- und Wirtschaftsabkommen im Wert von mehreren Milliarden Dollar angekündigt.

Zwar versprechen die Amerikaner Afrika nun auch 55 Milliarden Dollar im Laufe von drei Jahren. Doch wie Bloomberg angibt, sind in dieser Summe 21 Milliarden Dollar in Form von Darlehen des Internationalen Währungsfonds enthalten. Mit anderen Worten, dieses Geld stammt nicht nur von den USA und dem kollektiven Westen, sondern auch von anderen Ländern, darunter Russland und China, obwohl die Amerikaner das auf ihrem eigenen Dezembergipfel mit afrikanischen Regierungschefs mit großem Pomp verkündet haben. Auch in der Politik verfolgen sie in erster Linie ihre eigenen Ziele: So war die Afrikareise laut der New York Times für Harris eine Möglichkeit, innenpolitische Kritiker zurückzuweisen, die sich weigern, ihre Führungsqualitäten anzuerkennen; und Jill Bidens Reise erregte in den USA die meiste Aufmerksamkeit, fast als direkte Bestätigung dafür, dass ihr Mann für eine neue Amtszeit als Präsident kandidieren will.

Wie man Goldfische fängt

Doch nun ist es an der Zeit, zu meiner eigenen Erfahrung mit Afrika zurückzukehren. Man sagt, dass die ersten Eindrücke oft die wahrsten sind, also werde ich mir erlauben, sie zu teilen. Und der wichtigste von ihnen waren die Menschen, die wir auf unserer Reise getroffen haben und die ich jetzt innerlich als gute Freunde wahrnehme.

Mit ‚wir‘ meine ich übrigens mich und meine TASS-Kollegin Irina Mandrykina und die Projektleiterin von NESSA, Galli Monastyrewa, sowie den Kosmonauten und Helden Russlands Sergej Kud-Swertschkow. Seine Teilnahme an der Reise erregte in den lokalen Medien großes Aufsehen und er nutzte die Gelegenheit, um der afrikanischen Jugend am Vorabend des 12. April nicht nur die ruhmreiche Raumfahrtgeschichte Russlands in Erinnerung zu rufen, sondern auch die geschäftlichen Beziehungen zu Kollegen zu vertiefen, darunter die Leiter des äthiopischen Instituts für Weltraumforschung und -technologie sowie führender technischer Universitäten in Addis Abeba und Dar es Salaam. Ethiopian Airlines, mit der wir geflogen sind, hat es nicht versäumt, uns an ihren Status als größte Fluggesellschaft des Kontinents zu erinnern und uns eine Führung durch ihr gut ausgestattetes Ausbildungszentrum für Flugpersonal zu geben, das nicht nur für ihr Land, sondern für ganz Afrika arbeitet. Weiterlesen im antispiegel.ru

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