Was bezahlt Deutschland für die Stationierung von US-Raketen an die USA?Von Thomas Röper Von Anti-Spiegel

https://anti-spiegel.ru/2024/was-bezahlt-deutschland-fuer-die-stationierung-von-us-raketen-an-die-usa/

„Tributpflichtiger Vasall“

Was bezahlt Deutschland für die Stationierung von US-Raketen an die USA?

Von Thomas Röper
 

Vor zwei Tagen wurde gemeldet, dass die USA wieder atomwaffenfähige Langstreckenraketen in Deutschland stationieren wollen. Was das bedeutet, habe ich hier ausgeführt.

In der Bundespressekonferenz wurde die Bundesregierung nun gefragt, welche Kosten dafür auf die Bundesrepublik entstehen. Der Sprecher des Bundesaußenministeriums hat darauf geantwortet:

„Wir führen derzeit vertrauliche Verhandlungen mit unseren Partnern (…) Das ist Teil der Verhandlungen.“

Das bedeutet, dass Deutschland in jedem Fall dafür bezahlen wird, die Frage ist nur, wieviel.

Außerhalb des Westens ist es so, dass ein Land, wenn es in einem anderen Land eine Militärbasis eröffnet, dafür eine Pacht bezahlt. Russland hat beispielsweise bis 2014 für den Marinehafen auf der Krim eine hohe jährliche Pacht an die Ukraine bezahlt.

Nur im US-kontrollierten Westen ist es anders, dort bezahlen die anderen Länder die USA dafür, dass US-Truppen in ihren Ländern Soldaten stationiert werden. Und zu den Kosten, die Deutschland ohnehin schon an die USA überweist, werden bald weitere Kosten für die Langstreckenraketen hinzu kommen.

Aber die Frage ist, was bezahlt Deutschland den USA eigentlich heute bereits dafür, dass US-Truppen in Deutschland stationiert sind?

Beispiele aus der Geschichte

Wer sich mit Geschichte auskennt, der weiß, dass es in der Vergangenheit so war, dass Imperien in anderen Ländern Militärstützpunkte unterhielten – diese Länder also de facto kontrollierten -, was damit begründet wurde, das Imperium müsse die kleineren Länder vor irgendwem beschützen. In den Geschichtsbüchern erfahren wir, dass das natürlich Unsinn war, denn in Wahrheit haben die kleineren Länder dem Imperium Tribute (in Mafiakreise würde man „Schutzgeld“ sagen) bezahlt. Und damit die kleineren Länder nicht auf die Idee kamen, gegen das Imperium aufzustehen, hat das Imperium dort auch Truppen stationiert, um die kleineren Länder zu „beschützen“.

Das ist eine Praxis, die schon in der Antike praktiziert wurde. Das römische Imperium hat seine Nachbarn so behandelt und natürlich auch dafür gesorgt, dass immer irgendeine (mal reale oder auch selbst provozierte) Gefahr von Barbarenstämmen vorhanden war, mit der man die Praxis offiziell begründet hat. In Wahrheit, das wissen wir aus den Geschichtsbüchern, war es dann aber umgekehrt: Die kleinen Länder haben ihre Soldaten in den Dienst des mächtigen römischen Reiches gestellt, um gegen diejenigen Barbaren zu kämpfen, die eine echte Gefahr für Rom dargestellt haben.

Rom hat auf diese Weise die Zahl seiner Soldaten um die Soldaten der Nachbarn erhöht und oft sogar zusätzlich noch Gold dafür bekommen.

Es hat sich nichts geändert

Was wir in der NATO sehen, weist damit erstaunliche Ähnlichkeiten auf. Die USA, das heutige Imperium, haben ihre Soldaten in all ihren Vasallenstaaten stationiert und die bezahlen auch noch dafür. Um diese Praxis zu begründen, provozieren die USA Bedrohungen, vor denen die Vasallen dann angeblich beschützt werden müssen.

Der Irak hat Europa nie bedroht, sondern er hat bestenfalls die Vormachtstellung der USA am Persischen Golf herausgefordert, aber europäische Staaten sind zusammen mit den USA in den Krieg gegen den Irak gezogen, oder haben – wie Deutschland – den Krieg finanziell und logistisch unterstützt. Im Ergebnis haben US-Konzerne die Förderlizenzen für das irakische Öl bekommen, nicht etwa europäische Konzerne.

Das gleiche gilt für den Ukraine-Konflikt, der nur entstanden ist, weil die USA die Ukraine gegen Russland in die NATO ziehen wollten. Für die Europäer wäre es viel lukrativer gewesen, wenn die Ukraine als neutraler Brückenstaat zwischen Russland und der EU gestanden hätte, über den Handel und kultureller Austausch hätten stattfinden können, was genau das war, was Russland all die Jahre nach dem Zerfall der Sowjetunion angestrebt hat.

Aber das wollten die USA nicht, die verstanden hatten, dass die Ukraine der Hebel sein kann, mit dem sie den geopolitischen Konkurrenten Russland schwächen oder vernichten könnten. Das kann man in ungezählten Denkschriften in den USA nachlesen, die bekannteste ist das Buch „Die einzige Weltmacht“.

„Tributpflichtige Vasallen“

Das Buch „Die einzige Weltmacht: Amerikas Strategie der Vorherrschaft“ hat der einflussreiche US-Geostratege Zbigniew Brzeziński schon 1997 geschrieben und darin waren die Ereignisse in der Ukraine, die in den folgenden 15 Jahren stattfanden, schon erstaunlich klar vorgezeichnet. Und auch Brzeziński erinnerte in seinem Buch an die Geschichte der früheren Imperien und nannte die offiziell als „Verbündete“ der USA bezeichneten europäischen Staaten in erfrischender Offenheit „tributpflichtige Vasallen“ der USA, deren Verhältnis zu den USA sich in nichts von dem der Vasallen zu früheren Imperien unterscheidet.

Und das ist tatsächlich so, denn die Vasallen der USA bezahlen brav für die Stationierung der US-Truppen in ihren Ländern und unterstützen die politischen Ziele der USA, notfalls sogar zum eigenen Schaden, wie die aktuellen Russland-Sanktionen beispielsweise zeigen.

Die von den USA nach dem Zweiten Weltkrieg besetzten Staaten zahlen seit dem Krieg jedes Jahr gigantische Summen an die USA. 2021 habe ich das letzte Mal darüber berichtet, damals hatten sich die USA und Japan gerade darauf geeinigt, dass Japan den USA für die US-Stützpunkte im eigenen Land jährlich etwa zwei Milliarden bezahlt. Südkorea hat 2019 knapp eine Milliarde pro Jahr an die USA überwiesen und Präsident Trump hat damals eine massive Erhöhung gefordert, allerdings habe ich dann nicht verfolgt, worauf sie sich schließlich geeinigt haben.

Da stellt sich die Frage, wie das bei Deutschland ist.

Im Gegensatz zu Japan und Südkorea weiß offiziell niemand, wieviel Deutschland den USA für die Stationierung der US-Truppen in Deutschland bezahlt, denn um die Deutschen nicht mit allzu großen Summen zu verärgern, wurden die Kosten auf ganz viele Kostenstellen bei Bund, Ländern und Gemeinden aufgeteilt. Auf Anfragen von Abgeordneten nach der Höhe der deutschen Zahlungen behauptet die Bundesregierung immer wieder, sie wisse das nicht und nannte nur die relativ geringen Summen, die aus dem Bundeshaushalt bezahlt werden. Wie viel es aber insgesamt ist, weiß offiziell niemand.

Die USA haben aber offenbar so etwas wie eine Preisliste für Besatzungskosten. Japan zahlte vor einigen Jahren für die Besetzung durch etwa 50.000 US-Soldaten fast zwei Milliarden Dollar, während Südkorea zeitgleich für die 30.000 US-Soldaten in seinem Land eine Milliarde Dollar bezahlt hat. Die Zahlen sind in den beiden Ländern recht transparent.

In Deutschland sind über 30.000 US-Soldaten stationiert, daher dürften die deutschen Zahlungen an die USA bei mindestens einer Milliarde pro Jahr liegen. Mit weniger dürften sich die USA nicht zufrieden geben. Nur die deutsche Regierung weiß offiziell nicht, wieviel sie an die USA überweist.

In Wirklichkeit weiß die Bundesregierung jedoch sehr genau, was Deutschland an die USA bezahlt. Das geht aus Veröffentlichungen der deutschen Botschaft in Washington hervor, die dort in den 2000er Jahren online waren. Eine Initiative gegen Fluglärm hat davon Screenshots veröffentlicht (siehe hier und hier), die zeigen, dass die deutsche Botschaft damals ganz stolz gemeldet hat, dass die Bundesrepublik den USA schon 2003 jährlich eine Milliarde Dollar für die Stationierung der US-Truppen in Deutschland bezahlt hat. Heute dürfte das weitaus mehr sein.

Besatzungskosten

Deutschland bezahlt heute also sicher weit mehr als eine Milliarde Dollar pro Jahr für die Stationierung von US-Truppen in Deutschland. Nach dem Krieg nannte man das „Besatzungskosten“, heute nennt man es „Kosten für die Stationierung von Nato-Truppen“, aber es ist das gleiche. Die neue Bezeichnung wurde in den 1950er Jahren eingeführt, weil die Deutschen gegen das Wort „Besatzung“ aufbegehrten und kein besetztes Land sein wollten, das auch noch für die eigene Besetzung bezahlt. Aber die geänderte Bezeichnung ändert nichts daran, dass Deutschland seit Kriegsende diese Kosten trägt.

In der Schule lernen die Deutschen, wie die USA dem Land dann großzügig mit dem Marshallplan geholfen haben. Was man nicht lernt, ist folgendes: Im Zuge des Marshall-Plans bekamen die westlichen deutschen Besatzungszonen 1948 und danach die Bundesrepublik Deutschland von 1949 bis 1952 insgesamt 1,4 Milliarden Dollar. Nach heutiger Kaufkraft wären das etwa 14 Milliarden Dollar. Nur ist das Problem, dass Deutschland den USA damals auch die Kosten für die Besetzung Deutschlands erstatten musste. Zahlen dazu sind nicht leicht zu finden, aber allein 1950 waren das 4,5 Milliarden Deutsche Mark oder nach damaligem Kurs etwa 1,1 Milliarden Dollar. In nur einem Jahr.

Das bedeutet, dass Deutschland den USA an Besatzungskosten schon in der Zeit des Marshall-Plans weit mehr für die Besetzung des eigenen Landes bezahlt hat, als es gleichzeitig im Zuge des Marshall-Planes aus den USA bekommen hat. Die Deutschen haben den Marshall-Plan also praktisch selbst bezahlt.

Und bis heute bezahlt Deutschland für seine Besetzung durch die USA, auch wenn die Bezeichnungen geändert wurden. Und nun soll Deutschland auch noch für die Stationierung der amerikanischen Langstreckenraketen bezahlen, die Deutschland im Ernstfall zum Ziel russischer Atomwaffen machen.

Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

Entdecke mehr von Sicht vom Hochblauen

Jetzt abonnieren, um weiterzulesen und auf das gesamte Archiv zuzugreifen.

Weiterlesen