„Weder Israels, noch Deutschlands Abrutschen in den Faschismus war zufällig“ Faschismus, Deutschland und Israel (Teil 3) Von Jochen Mitschka NRhZ hka

 

Globales
„Weder Israels, noch Deutschlands Abrutschen in den Faschismus war zufällig“
Faschismus, Deutschland und Israel (Teil 3)
Von Jochen Mitschka

Ein Artikel in Haaretz vom 6. Juni 2019 mit dem Titel „Weder Israels, noch Deutschlands Abrutschen in den Faschismus war zufällig“ erklärt, dass weder das Abrutschen Israels in den Faschismus noch das Deutschlands im so genannten Nationalsozialismus aus Versehen passiert wäre. Nun wird immer wieder behauptet, jeder Vergleich zwischen der Entstehung des Faschismus in Deutschland und der Entwicklung in Israel wäre Antisemitismus. In Australien hatte dies im Prinzip den Ausschlag für die Entlassung von Professor Tim Anderson gegeben. In Deutschland wird jede Diskussion darüber sofort mit der Antisemitismuskeule abgewürgt. Nun wird diese Behauptung durch eine offizielle israelische wissenschaftliche Analyse, welche in diesem Artikel dargelegt wird, widerlegt. Als ich eine Übersetzung des Artikels einer deutschen alternativen Internetseite anbot, lehnte sie ab. Das Thema wäre für Deutsche unangemessen zu besprechen, hieß es sinngemäß. Ich bin nicht dieser Meinung, weil ich glaube, dass gerade Deutschland mit seiner Geschichte bereit sein muss, über Faschismus und seine Ausprägungen oder die Gefahr seines Entstehens, zu diskutieren. Dieses Essay will die in der israelischen Gesellschaft stattfindende Diskussion über den Faschismus beleuchten. Die Ablehnung – selbst progressiver deutscher Internetseiten – das Thema zu besprechen, beweist, wie sehr auch Deutschland schon in zwanghaften Konformismus abgerutscht ist und wie sehr die unselige BDS-Entscheidung der Bundestagsabgeordneten vom 17. Mai 2019 die Freiheit einschränkt, öffentlich seine Meinung zu sagen, und wie stark die Lobby Israels auf die deutsche Politik wirkt, mit dem Ziel, jede auch nur mögliche Kritik gegen Israels Politik kritisch zu beleuchten. — Soweit die Einleitung zum fünfteiligen Essay. Es folgt Teil 3.


EINWÄNDE (2)

Rassismus bei Eheschließung

Das Eintreten für eine Liberalisierung von interreligiösen Ehen, bei denen ein Partner der jüdischen Religion und der andere Ehepartner einer anderen Religion angehört, steht in krassem Widerspruch zu der innerhalb Israels verfolgten Politik der »Rassenreinhaltung“. Das ist der Grund, warum solche Ehen im Ausland geschlossen werden. Ein Artikel in Haaretz beschreibt nun das Eintreten eines weiblichen Rabbi aus den USA für eine Lockerung der in Israel vorherrschenden Meinung, Ehen sollten nur zwischen Menschen jüdischen Glaubens geschlossen werden.

    »Heute hat Buchdahl als Rabbiner einer der renommiertesten Reformsynagogen New Yorks, die früher nicht bereit war, interreligiöse Trauungen durchzuführen, die Politik der Öffnung der Türen der Synagoge für jeden erklärt, der als Jude leben will – mit oder ohne seiner Bekehrung. Rabbi Buchdahl setzte sich mit mir zusammen, um über ihre einzigartige Gemeinde zu sprechen, warum sie den Kurs der interreligiösen Ehen, die Zukunft von Tribalismus und Ethnizität sowie die Zukunft des Judentums, wie sie es sieht, umgekehrt hat.«  (65).

Buchdahl erklärte in dem Interview, dass sie sich in Israel wie »ein Einhorn« fühle, als Fremde oder als Freak. Zum einen, weil es für Israel immer noch ungewöhnlich ist, einem weiblichen Rabbi gegenüber zu stehen. Zum anderen aber auch wegen ihrer religiösen Einstellung.

Sie weist darauf hin, dass die jüdische Geschichte nicht mit Abraham und Sarah begann. Es ist eine falsche Vorstellung – ihrer Meinung nach –, dass Juden eine Art »reines Blut«  hätten. Vielmehr begann alles mit einer großen Mischung von Rassen und Menschen.

    »Wir haben diese Vorstellung, dass Juden eine Art reine Rasse sind, aber vor allem, als wir Diaspora-Volk wurden und uns in alle Teile der Welt ausbreiteten, gab es absolut keine Frage, dass wir interreligiös verheiratet waren.« (66)

Das ganze Interview ist besonders interessant, weil es viele Thesen widerlegt, die von der zionistischen Bewegung und deren religiösen Vertretern aufgestellt wurden, nach denen Juden nicht nur eine Religion und Wertegemeinschaft wären, sondern genetisch Verwandte.

Rassismus wegen Hautfarbe

Am 18. Januar 2019 berichtet David Sheen per Twitter, dass die meisten jüdischen Menschen mit Wurzeln in Äthiopien, genau wie die meisten anderen Juden in Israel, wünschten, dass das Land von nicht jüdischen Flüchtlingen Afrikas gesäubert werden sollte. Er stellt die Frage, ob dies, wie von Ferrari Sheppard behauptet, nicht auf Rassismus, sondern auf »verinnerlichtem Hass« basieren würde, da auch sie eine schwarze Hautfarbe hätten (67).

David Sheen erklärt, dass das stärkste rassistische Gedankengut auf dem Glauben zionistischer Juden basiere, »je jüdischer man ist, desto mehr Rechte verdient man (& je weniger jüdisch, desto weniger Rechte)“. (68)

Und im nächsten Tweet schreibt er, dass seiner bescheidenen Meinung nach die Unterstützung der Säuberung Israels von afrikanischen Flüchtlingen [Anmerkung: von dunkelhäutigen Juden] (die zur Hälfte bereits vollzogen wurde), nicht nur auf einem verinnerlichten Hass der weißen Rasse basiert, sondern auch durch vom Staat geförderten Glauben an die Überlegenheit der »jüdischen Rasse« hervorgerufen wird und der Wut, weil sie durch die rassistische Auswahl, Profilierung der Sicherheitskräfte, mit Flüchtlingen verwechselt werden (69).

Der Tweet enthält den Link zu einem Interview mit Ester Vorknach, einer dunkelhäutigen Jüdin, welche über die Vorurteile und den offenen Rassismus in der jüdischen Gemeinschaft Israels berichtet (70). In dem Interview berührte mich besonders eine Stelle, in der Vorknach berichtet, dass viele Leute gerne für die Rechte der Flüchtlinge auf die Straße gehen würden, sich aber aus Angst vor gesellschaftlicher Diskriminierung nicht getrauen. »Du willst Menschen helfen, aber du musst es verstecken, nur wegen ihrer Ethnie«.

Ist das nicht das, was derzeit in Deutschland passiert, in einem Land, in dem sich viele nicht getrauen, offen für die Rechte der Palästinenser einzutreten?

EU nennt es Institutionalisierte Rassentrennung

Ein interner Bericht der EU, der am 4. Februar 2019 verbreitet wurde, besagt, dass Israel eine »systematische rechtliche Diskriminierung« von Palästinensern betreibe.

    • »Der im Juli letzten Jahres erstellte vertrauliche Bericht der Diplomaten wurde vom EUobserver (71) eingesehen. Das von den EU-Botschaftern in Jerusalem und Ramallah erarbeitete Dokument soll ‚als Beitrag für die Hauptstädte der EU‘ bei der Gestaltung der Nahostpolitik dienen. Dem Bericht zufolge werden die 2,7 Millionen Palästinenser, die im Westjordanland leben, ’systematisch rechtlich diskriminiert‘ unter Israels ‚quasi-permanenter Besetzung‘.

 

    • Die 400.000 israelischen Siedler agieren unterdessen ‚weitgehend ungestraft‘, auch wenn sie dabei erwischt werden, dass sie ‚Felder und Olivenhaine von Palästinensern abbrennen, deren Ernten und Eigentum beschädigen‘ oder ‚Molotow-Cocktails schleudern oder Brände legen‘.

 

    Darüber hinaus stellte das EU-Dokument fest, dass israelische Soldaten, von dokumentiert ist, dass sie ‚mit unverhältnismäßiger Gewalt‘ gegen Palästinenser vorgehen, ‚in fast allen Fällen straffrei bleiben‘.« (72)

Das Dokument behauptet, dass die Kolonisierung palästinensischen Landes die Westbank in eine Inselgruppe und die palästinensischen Dörfer zu Inseln hat werden lassen. Der ehemalige israelische Botschafter in Südafrika, Alon Liel, hat dann auch im Widerspruch zu den Bundestagsabgeordneten und ihren am 17. Mai 2019 im Bundestag gehaltenen Reden festgestellt: »Das rechtliche Regime auf der Westbank ist die institutionalisierte Rassentrennung. Eine einfachere Erklärung wäre, es ist eine Apartheid.« (73)

DNA-Screening

Israels DNA-Screening auf der Suche nach dem »Jüdischsein« verkörpert den diskriminierenden Geist des Ethno-Staates. Mintpress twittert am 13. März: »Möglicherweise dienen diese neuesten Enthüllungen über DNA-Tests als Weckruf für israelische Juden sowjetischer Herkunft, dass die Diskriminierung, der sie ausgesetzt sind, ihre Wurzeln in der staatlich sanktionierten Diskriminierung von israelischen Arabern und Palästinensern hat.«

    • »Israels Oberrabbiner, David Lau, hat offen die Verwendung von DNA-Tests zur Bestätigung der »jüdischen Abstammung« einer Person zugegeben (74), bevor er ihnen erlaubt, in Israel zu heiraten und die Bürgerrechte des jüdischen Status zu erhalten. Die Praxis wurde – wie bisher bekannt wurde – nur bei Juden aus Staaten, die einst die Sowjetunion umfassten, angewandt, was zu Vorwürfen wegen Diskriminierung und Rassismus von prominenten israelischen Politikern führte –darunter dem ehemaligen israelischen Verteidigungsminister Avigdor Lieberman.

 

    • Die Praxis wurde erstmals in einem Bericht der Religionsdienst-NGO ITIM veröffentlicht, der letzte Woche veröffentlicht wurde. Der Bericht enthielt die Nachrichten von etwa 20 jüdischen Paaren, die gebeten wurden, sich dem Verfahren zu unterziehen, um festzustellen, ob ein oder beide Ehepartner ‚genetisch jüdisch‘ waren, was eine Bedingung für die Registrierung jüdischer Ehen ist, die nur das Oberrabbinat aufgrund seiner Kontrolle über jüdische religiöse Riten im Land gewähren kann. Diejenigen, die die Zustimmung des Rabbinats nicht erhalten, können nicht heiraten, da das Rabbinat, das Teil der israelischen Regierung ist, die alleinige Kontrolle über religiöse Ehen hat und nur religiöse Ehen vom Staat Israel anerkannt werden.

 

    Der Bericht des ITIM veranlasste den israelischen Innenminister Aryeh Deri, die Praxis zunächst anzuerkennen, dann aber zu leugnen, während Lau ihre Anwendung bestätigte, aber behauptete, dass sie freiwillig und nur in Einzelfällen angewendet wurde.« (75)

Der Artikel berichtet jedoch, dass eine Untersuchung von YnetNews (76) ergeben hatte, dass diese Behauptung, die Untersuchung wäre nur fakultativ und in Einzelfällen sowie freiwillig durchgeführt worden, falsch war. Aussagen belegen, dass praktisch jeder, der heiraten wollte, und sogar ihre Verwandten, aufgefordert wurden, sich einem DNA-Test zu unterwerfen. In einem Fall – so der Artikel – wurde der DNA-Test einer Frau, ihrer Mutter und ihrer Tante verlangt, um sicherzustellen, dass sie nicht adoptiert worden war, sondern »genetisch jüdisch“. In einem anderen Fall wurde ein Mann auf die Liste der »vertagten Eheschließungen« gesetzt, nachdem er sich geweigert hatte, sein Einverständnis zu einem DNA-Test zu geben.

Auf Grund dieses Artikels ging die Jerusalem Post (77) der Sache nach und stellte fest, dass bei »mehr als 700.000 jüdischen israelischen Bürgern aus der früheren Sowjetunion routinemäßig der Status des »Jüdischseins« bestritten wurde, und der DNA-Test zur Lösung vorgeschlagen wurde.

    • »Die gegenwärtige Diskriminierung israelischer Juden aus den ehemaligen Sowjetstaaten kommt zu einem Zeitpunkt, da die Diskriminierung sowohl afrikanischer Juden als auch seiner arabischen Bürger durch den israelischen Staat international bekannter wird, was vor allem auf die jüngsten Kommentare des israelischen Premierministers Benjamin Netanyahu zurückzuführen ist. Am vergangenen Sonntag erklärte Netanyahu, dass Israel ’nicht ein Staat aller seiner Bürger‘ sei, sondern ein Staat ausschließlich für das jüdische Volk, und verurteilte die israelischen Araber, die etwa 20 Prozent der israelischen Bevölkerung ausmachen.

 

    • Ein möglicher Grund für die Diskriminierung von Juden aus ehemaligen Sowjetstaaten könnte insbesondere die Tatsache sein, dass solche Juden oft säkularer sind als andere israelische Juden und auch eher die Demokratie Israels unterstützen, statt seinen Ethnostaat-Status. Sie sind auch eher als andere israelische Juden bereit, sich dafür einzusetzen, demokratische Prinzipien über das jüdische Recht zu stellen. Netanyahu, der jetzt vor einer Wiederwahl steht, hat seine Basis der Unterstützung unter israelischen Juden aufgebaut, die Israels Ethnostaat über die Demokratie des Landes stellen, und das gegenwärtige Apartheid-System oder die Vertreibung israelischer Araber bevorzugen.

 

    Bei der offenen Diskriminierung von Arabern im Apartheid-Stil ist es kaum verwunderlich, dass die Ideologie eines Staates für die ‚jüdische Rasse‘ zur Diskriminierung bestimmter Gruppen innerhalb des israelischen Judentums geführt hat. Das ist die Natur der Bewegungen für eine ethnische Sonderstellung, die immer versuchen, die Demografie in Richtung ihres Idealzustandes zu treiben. Vielleicht werden diese jüngsten Enthüllungen den israelischen Juden sowjetischer Herkunft als Weckruf dienen, dass die Diskriminierung, der sie ausgesetzt sind, ihre Wurzeln in der staatlich sanktionierten Diskriminierung von israelischen Arabern und Palästinensern hat.« (78)


Keine Einzelfälle

Im Jahr 2018 – während der Kommunalwahlen – hätte dann die Likud rassenhetzerische Wahlplakate (79) im Bereich von Tel-Aviv und Jaffa verbreitet, in denen der Premierminister die ultimative Frage stellte »Sie oder wir!«.

Dann – zurückkommend auf Golan – erklärt der Autor, dass die frischgebackene Abgeordnete in der Knesset als eine ihrer ersten Aktionen am ersten Tag im Parlament, Unterschriften gegen Flüchtlinge gesammelt hätte.

    • »Vor zwei Tagen prahlte Golan mit ihrem neuen Job als Gesetzgeberin und damit, wie sie ihn produktiv einsetzte, um Unterschriften für die Vertreibung afrikanischer Flüchtlinge zu sammeln. In einem Facebook-Post mit Fotos von Gesetzgebern, die ihre Petition unterschreiben, schreibt Golan (auf Hebräisch):

 

    • An meinem ersten Tag in der Knesset bin ich stolz darauf, zwei wichtige Aktivitäten durchzuführen, die mit meiner Weltanschauung verbunden sind. Die erste ist mein erster Gesetzentwurf über die Aufhebungsklausel (die es der Knesset erlaubt, ein Urteil des Obersten Gerichtshofs gegen die Gesetzgebung aufzuheben), welcher die Knesset, die Legislative, stärken wird. Die zweite ist die Gründung der Lobby für die Vertreibung illegaler Infiltratoren aus dem Staat Israel. Es kann nicht sein, dass ein Staat, in dem der Bau einer Veranda ohne Genehmigung als Straftat gilt, das Eindringen in die Staatsgrenzen ohne Widerspruch hinnimmt. Schon heute ist jedem klar, dass es unter uns keine Kriegsflüchtlinge gibt. Ich werde mit aller Kraft für die Verwirklichung der Strafverfolgung im Staat Israel und die Vertreibung der illegalen Eindringlinge arbeiten.

 

    • Der Kampf gegen den Obersten Gerichtshof ist ein typisches Flaggschiff der Rechten und hat in der Rhetorik von Menschen wie Justizministerin Ayelet Shaked, die es leider nicht zurück in die kommende Knesset geschafft hat (weil ihre neue Partei mit Naftali Bennett knapp unter der Sperrklausel blieb), eine wichtige Rolle gespielt. Als der Oberste Gerichtshof 2017 entschied, die Möglichkeit des Staates, Flüchtlinge auf unbestimmte Zeit inhaftieren zu können, einzuschränken, bemerkte Shaked:

 

    ‚Der Zionismus sollte sich nicht weiter einem System individueller Rechte beugen, das universell ausgelegt wird – und ich sage hier, dass er es nicht tun wird.’« (80)

Diese Bemerkung – so der Autor des Artikels – würde deutlich machen, dass ihre kein isolierter Einfall sei, und dass Rassismus sehr viel mit Zionismus zu tun habe. Es sei unnötig zu erklären, dass Israel sehr gerne jüdische Migranten aufnehmen würde, weil dies dem zionistischen Ziel diene.

Die zionistische Verbindung wäre auch 2011 durch den damaligen Innenminister Eli Yishai deutlich geworden. Er hätte festgestellt, dass die bloße Anwesenheit der Flüchtlinge eine »existenzielle Bedrohung« wäre, und hätte geschworen, die »jüdische Mehrheit« zu verteidigen. »Jeder einzelne von ihnen wird in sein Ursprungsland zurückkehren“, zitiert ihn der Autor (81).

Der Autor erklärt, dass bekannt wäre, dass die Deportation dieser Flüchtlinge in Drittländer mit Folter und Ertrinken (82) endete, aber der Verteidigungsminister Eli Ben Dahan wäre der Meinung (83) gewesen, dass sie keine helfende Hand benötigen würden, und nicht vor dem Ertrinken gerettet werden müssten. Dies wäre der ehrliche Ausdruck der aktuellen israelischen Einstellung gegenüber diesen afrikanischen Flüchtlingen. Die meisten jüdischen Israelis kümmern sich einfach nicht darum, weil sie glauben, dass die afrikanischen Flüchtlinge ein »Krebsgeschwür« wären, und wer kümmere sich um solche, wenn die ertrinken.

Diese Flüchtlinge – so der in Dänemark lebende israelische Autor – wären auf 39.000 angewachsen und kämen zumeist aus Eritrea und dem Sudan. Sie hätten den israelischen Ultranationalisten als Sündenböcke gedient. Das Hetzen gegen sie diente ihren nationalistischen Zielen. Dann erklärt er, dass Israel auf Grund von internationalem Druck eine Vereinbarung mit der Flüchtlingsorganisation UNHCR abgeschlossen hätte, die Hälfte der Flüchtlinge in westliche Länder zu schicken, dem Rest zu erlauben, mit temporären Aufenthaltserlaubnissen in Israel zu bleiben. Was bei den rechtsextremistischen Verbündeten von Netanjahu zu einem Aufschrei der Entrüstung geführt hätte.

Die Flüchtlinge würden in den meisten Ländern als Verfolgte behandelt. Aber Israel besteht darauf, sie als Eindringlinge (Infiltratoren) zu bezeichnen. Weshalb sie nicht vor den Launen der rassistischen Regierungspolitik geschützt wären. Seit 2012, so der Autor, wäre ihnen erlaubt, einen Asylantrag zu stellen, wobei sie jedoch die Beweispflicht haben, nachzuweisen, dass sie im Herkunftsland persönlich verfolgt werden. Wenn Zweifel bestehen, gingen die zu Lasten der Flüchtlinge. Das führte dazu, dass weniger als 1% der Anträge genehmigt wurden.

Das veranlasste das UNHCR in einem Positionspapier drastische Kritik zu üben:

    • »4. Darüber hinaus werden Asylanträge von eritreischen und sudanesischen ‚Infiltratoren‘ nicht fair und effektiv bearbeitet. Die Anerkennungsrate für eritreische und sudanesische Staatsangehörige beträgt weniger als 1%. Die meisten Asylanträge von Eritreern werden mit der Begründung abgelehnt, dass die Desertion oder der Versuch der Flucht vor dem eritreischen Nationaldienst (einschließlich Militärdienst) ihnen keinen Anspruch auf den Flüchtlingsstatus einräumt. Seit einigen Jahren sind Asylanträge von Sudanesen aus Darfur, Blue Nile und Kordofan anhängig.

 

    1. In Anbetracht des Schutzbedarfs der Mehrheit der eritreischen und sudanesischen Bevölkerung, die als ‚Eindringlinge‘ definiert sind, und dem Schutzbedarf der Flüchtlinge, betrachtet das UNHCR sie als in einer flüchtlingsähnlichen Situation und sieht sie daher als unter sein Mandat fallend an. Dieser Ansatz basiert auf der grundlegenden Vorstellung, dass das Fehlen einer formalen Anerkennung durch einen Staat mit Flüchtlingsstatus an sich seine Verpflichtungen aus dem Übereinkommen von 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (im Folgenden: »die Flüchtlingskonvention von 1951″) nicht ausschließt. Solange eine Person die wesentlichen Elemente der Flüchtlingsdefinition der Flüchtlingskonvention von 1951 erfüllt, ist die formelle Anerkennung lediglich eine Erklärung über einen bestehenden Status.« (84)

Aber – so der Artikel – nun wären Rassisten wie besagte May Golan, nicht mehr nur pöbelnd auf den Straßen unterwegs, sondern als gewählte Abgeordnete im Parlament, was sich als noch kritisch für diese Flüchtlinge erweisen dürfte.

Diskriminierung aus Rassenhass

In der Zeitung Haaretz konnte man am 27. Mai 2019 einen Bericht darüber lesen, wie die vielen Kontrollpunkte im Land die geo-ethnische Segretation – mit anderen Worten: die Apartheid – verdeutlichen. Das gelte sowohl für den Bereich innerhalb der Grenzen von 1948 als auch für die besetzten Gebiete nach der Eroberung im Jahr 1967.

    • »Renovierte Kontrollpunkte für Palästinenser sind nichts als Krümel der Barmherzigkeit. Das Recht auf Freizügigkeit gilt nur für Juden und wird in ein von Israel eingerichtetes System von Verboten und Genehmigungen umgesetzt.

 

    • Die Leser werden täglich mit offiziellen Berichten bombardiert, die die Realität verzerren, und mit halboffiziellen Nachrichten, die alles weglassen, was nicht zu den offiziellen Gesichtspunkten oder dem bequemen Bild passt, das sich die meisten jüdischen Bürger vorstellen möchten. Selbst diese etwas entschuldigende Einführung raubt dem Hauptthema kostbaren Raum – ein paar kritische Perspektiven auf die modernisierten Kontrollpunkte.

 

    • * Dies sind Kontrollpunkte (der hebräische Begriff ist genauer: Blockierungspunkte), keine Kreuzungen, wie das Verteidigungsinstitut sie gerne nennt. Es sind keine neutralen Einrichtungen, durch die jeder Reisende zwischen dem besetzten Westjordanland und Israel gehen muss, sondern Konstruktionen, die die Durchreise der meisten Palästinenser blockieren und für Juden überhaupt nicht gelten.

 

    • * Die Kontrollpunkte sind einer der zahlreichen physischen Ausdrucksformen eines Regimes der geoethnischen Segregation, das von Israel auf beiden Seiten der Grünen Linie angewandt wird. Keine Modernisierung wird die Tatsache ändern, dass es zwischen dem Jordan und dem Mittelmeer zwei Rechtssysteme gibt, eines für Juden und eines für Palästinenser. Das Recht auf Freizügigkeit und die damit verbundenen Folgen (freie Arbeitssuche und Wohnsitzwahl, freie Partnerwahl, Wander- und Reisefreiheit) gilt nur für Juden. Dieses Recht wird zerhackt und den Palästinensern in kleinen Teilen verliehen, bis zu dem Punkt, an dem man die verschiedenen palästinensischen Gruppen nach dem Anteil der zerhackten Bewegungsfreiheit den wir ihnen zugesprochen haben, erkennen kann.

 

    * Diese eingeschränkte Freizügigkeit wird in einem von Israel eingerichtetes System von Verboten und Genehmigungen umgesetzt. Hinter jedem Arbeiter, Kaufmann oder Kranken, der den aktualisierten Kontrollpunkt in Qalandiyah in sieben Minuten statt in einer oder drei Stunden passiert, gibt es viele Tage, an denen er oder sie auf eine Antwort auf einen Antrag wartet, von einem Büro zum anderen wandert, ein Büro anruft, ohne eine Antwort zu erhalten, bettelt, gebeten wird, mit dem Shin Bet Sicherheitsdienst zusammenzuarbeiten, gedemütigt wird. Hinter jeder Person mit einer Genehmigung stehen Dutzende, die abgelehnt werden.« (85)

Die Autorin Amira Hass erklärt weiter, dass Palästinenser von Israel abhängig sind, wenn sie eine Arbeit suchen. Das würde so organisiert, dass damit das Potential der wirtschaftlichen Entwicklung der Palästinenser unter Kontrolle gehalten werden könne.

Die Kontrollpunkte zwischen dem Westjordanland und Israel wären Teil eines größeren Systems: mobile Kontrollpunkte, Stacheldraht, Gräben, die Trennbarriere und ihre für die Landwirtschaft meist geschlossenen Tore, die gesperrten militärischen Zonen (die für jüdische Siedler jedoch offen sind), die Eisentore an den Eingängen zu den Dörfern und Städten, die Erd- und Steinbarrikaden um jede jüdische Siedlung. Diese wurden der Autorin zufolge alle unter dem Vorwand von Sicherheitsüberlegungen errichtet, aber ihr Ziel ist eines: den palästinensischen Raum in Enklaven zu zerlegen, sie voneinander zu isolieren und Palästinenser aus ihrem Land zu entfernen, damit es schnell zum Eigentum nur für Juden werden kann. Dieses Ziel würde jede Minute des Tages erreicht.

Der Artikel beschreibt, dass die Kontrollpunkte in Qalandiyah und Bethlehem aussehen wie Grenzübergänge zwischen zwei Staaten, auch wenn nur die Bewohner der Enklaven durchfahren würden, und das unter Bedingungen und begrenzten Quoten. Militärische Beamte würde sie als »Grenzübergänge zwischen dem Westjordanland und Israel für die Bevölkerung des Gebiets« bezeichnen (also Grenze zu denjenigen, die besetzt sind und keine grundlegenden Bürgerrechte haben). Aber diese Kontrollpunkte befänden sich nicht auf der grünen Linie (86). Der Kontrollpunkt der Qalandiyah läge in einem Gebiet, das als Kriegsbeute illegal mit der Hauptstadt des Reiches, Jerusalem, verbunden worden wäre. Der Kontrollpunkt Bethlehem wiederum läge 2 Kilometer südlich der Grünen Linie.

Die Autorin des Artikels schlägt vor, alle 13 Kontrollpunkte zwischen dem Westjordanland und Israel zu besuchen, um zu erkennen, ob die Modernisierung durch Israel umfassend war. Man solle also nicht nur die Kontrollpunkte anschauen, die Ausländern präsentiert werden.

Hass erklärte, dass Militärs ihr erklärt hätten, dass ihnen von Anfang an bewusst gewesen sei, dass das Durchqueren dieser Kontrollpunkte Stunden der Zeitverschwendung bedeuten würde. Und einige hätten im Laufe der Zeit auch eingesehen, wie hässlich und erniedrigend diese käfigartigen Einrichtungen waren.

    • »Warum wurden sie also von Anfang an so gebaut? Man könnte sagen, wegen der Dringlichkeit, am Ende der zweiten Intifada, als die Straßen Israels nach den Selbstmordattentaten von Angst beherrscht wurden. Aber die Architektur spiegelte die Verachtung des Herrschers gegenüber den Beherrschten ohne jede Einschränkung wider. Demütigung ist ein Muss im Arsenal der Herrschaft, denn auf diese Weise ist es einfacher, die unaufhörlichen Forderungen der Herrenrasse bei der Suche nach mehr Privilegien zu rechtfertigen.

 

    Dies zu einer Zeit, in der das Verhalten der Meister noch als notwendige, aber vorübergehende Ausnahme interpretiert werden konnte. Heute, da sich die imperiale Realität so sehr verschanzt hat – und die wenigen Menschen, die sich damit unwohl fühlen, Feinde des Volkes sind –, steht dem Herrscher ein weiteres Werkzeug zur Verfügung: das Werfen von Krümeln der Barmherzigkeit für die lokale Bevölkerung.« (87)

Anmerkung: Dieser Text ist der dritte Teil eines fünfteiligen Essays, der in den folgenden Ausgaben der NRhZ fortgesetzt wird. Nachfolgend das Inhaltsverzeichnis des kompletten Essays.

Inhalt

Teil 1: Das drohende Abgleiten Israels in den Faschismus
Untergang in Rassismus
Deutschlands Verantwortung

Teil 2: EINWÄNDE (1)
Wie kannst du nur
Es gibt keine deutsche Identität!
Jüdische Identität
Überlegenheit der Rasse
Palästinenser sind Sklaven?

Teil 3: EINWÄNDE (2)
Rassismus bei Eheschließung
Rassismus wegen Hautfarbe
EU nennt es Institutionalisierte Rassentrennung
DNA-Screening
Keine Einzelfälle
Diskriminierung aus Rassenhass

Teil 4: EINWÄNDE (3)
Israel zeigt nicht alle Merkmale von Faschismus
Opferzahlen nicht vergleichbar
Kriege nicht vergleichbar
Juden haben keine Deutschen getötet
Zu wenig Differenzierung
Faschismus und Zionismus?
Gewalt gegen Palästinenser gesellschaftlich akzeptiert

Teil 5: Netanjahu tötet Rest der Demokratie?

Fußnoten:

65 https://www.haaretz.com/us-news/.premium.MAGAZINE-judaism-shouldn-t-have-to-survive-only-because-jews-are-afraid-ofeverything-
else-1.6828507

66 Ebd.
67 https://twitter.com/davidsheen/status/1086245426121056256
68 https://twitter.com/davidsheen/status/1086246344392622080
69 https://twitter.com/davidsheen/status/1086248858307489792
70 https://youtu.be/2rCHSVrAuHQ
71 https://euobserver.com/foreign/144061
72 https://www.middleeastmonitor.com/20190204-internal-eu-report-says-israel-imposes-systematic-legal-discrimination-onpalestinians/
73 Ebd.
74 https://www.jpost.com/Israel-News/Chief-Rabbinate-admits-using-DNA-tests-for-Jewish-status-determination-582605
75 https://www.mintpressnews.com/israel-dna-screening-for-jewishness-epitomizes-the-discriminatory-spirit-of-the-ethnostate/256216/
76 https://www.ynetnews.com/Ext/Comp/ArticleLayout/CdaArticlePrintPreview/0,2506,L-5476939,00.html
77 https://www.jpost.com/Israel-News/Chief-Rabbinate-admits-using-DNA-tests-for-Jewish-status-determination-582605
78 https://www.mintpressnews.com/israel-dna-screening-for-jewishness-epitomizes-the-discriminatory-spirit-of-the-ethnostate/256216/
79 https://mondoweiss.net/2018/10/netanyahus-party-baiting/
80 https://mondoweiss.net/2019/05/introducing-israels-lawmaker/
81 https://www.jpost.com/National-News/Yishai-Every-African-infiltrator-will-return-home
82 https://mondoweiss.net/2017/11/african-refugees-invade/
83 https://mondoweiss.net/2017/02/israel-muslim-start/
84 https://www.refworld.org/pdfid/5a5889584.pdf
85 https://www.haaretz.com/israel-news/.premium-the-renovated-checkpoints-for-palestinians-are-nothing-but-crumbs-of-mercy-1.7286486
86 https://de.wikipedia.org/wiki/Gr%C3%BCne_Linie
87 https://www.haaretz.com/israel-news/.premium-the-renovated-checkpoints-for-palestinians-are-nothing-but-crumbs-of-mercy-1.7286486

Online-Flyer Nr. 736  vom 19.02.2020

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