Wenn „Selbstverteidigung“ zu Völkermord wird – Palästinensischer Widerstand gegen zionistischen Terror Von Evelyn Hecht-Galinski

Kommentar vom Hochblauen

Wenn „Selbstverteidigung“ zu Völkermord wird – Palästinensischer Widerstand gegen zionistischen Terror

Von Evelyn Hecht-Galinski

 

Wie lange will Deutschland noch die unhaltbaren Positionen der schwerwiegenden Fehlinterpretationen der Geschichte als „Staatsräson“ beibehalten? Der „jüdische Staat“ baute sich von Beginn an über die Geschichte der zionistischen Kolonisierung auf, ethnische Säuberung wurde als „legitimes“ Recht für ein „Volk ohne Land“ für ein „Land ohne Volk“ missbraucht. Es wird immer wieder vergessen, dass der zionistische Landraub Palästinas schon Jahrzehnte vor Hitlers Machtergreifung begann. Sie kamen als Eindringlinge, als bewaffnete Kolonialisten, um zu vertreiben und zu bleiben. So hatten Juden zudem das Privileg, als Nazi-Flüchtlinge und Überlebende eines Vernichtungskriegs nach dem Holocaust bis heute davon zu profitieren. Mit der Nakba bei Staatsgründung 1948 fand diese rücksichtslose Politik der ethnischen Säuberung Palästinas ihren unsäglichen Höhepunkt.

 

Westlicher Rassismus ermächtigt Israel

 

Während also von Beginn an jüdische Israelis mit allem Verständnis rechnen konnten, wurde Palästinensern dieses Recht verweigert. Diese westliche Unterstützung hat zu einem unerträglichen Doppelstandard der Wertigkeit und Entmenschlichung von Menschenleben geführt, dass der Tod palästinensischer Zivilisten ohne großes Entsetzen hingenommen wird, „schließlich sind sie Opfer der Hamas“. Handelt es sich dagegen wie am 7. Oktober bei der Widerstandoperation, die die „Al-Aqsa-Flut“ auslöste, um den Widerstand von Palästinensern und den Tod von jüdisch-israelischen Zivilisten, dann ist das Entsetzen groß, und sofort wird propagandistisch vom „größten Judenmord“ seit dem Holocaust gesprochen.

 

Während Staatschefs aus 14 Ländern sich sofort bemühten, Solidarität mit Israel zu bekunden, anstatt zur Mäßigung aufzurufen. Den westlichen „Werte-Heuchlern“ liegt immer nur der Schutz der jüdischen Israelis am Herzen, während der Schutz der palästinensischen Zivilbevölkerung nicht auf der Agenda steht. Dieser westliche Rassismus, diese Art der Doppelmoral, ermächtigt Israel weiter zu expandieren und Kriege zu führen.

 

Dieser in Jahrzehnten propagandistisch optimierte Holocaust-Missbrauch ist zu einer wichtigen Waffe des Netanjahu-Regimes geworden. Dieses Mittel allerdings macht immer mehr, gerade auch jüdische Bürger wütend, und sie weigern sich, diese Art der Politik der israelischen Arroganz zu unterstützen.

 

An mörderischer Chuzpe und Sarkasmus nicht zu überbieten

 

Wie lange soll eigentlich noch der Mythos eines friedlichen palästinensischen Widerstands, gegen eines der hochgerüsteten rassistischen und rechtsextremen unfriedlichen Besatzerregime, mit einer der „unmoralischsten“ Armeen, die selbst vor Vergewaltigung nicht zurückschreckt, aufrechterhalten werden? Wie lange kann überhaupt noch legal gerechtfertigt werden, eine Ausrottung und einen Völkermord gegen die Bevölkerung von Gaza und Palästina weiter zu unterstützen?

 

Nicht nur, dass dem „jüdischen Staat“ wie selbstverständlich eine „Lizenz zum Töten“ und jedes Recht auf „Selbstverteidigung“ zugebilligt wird, sondern es wird aktiv gebilligt. Denn nur mit westlicher, an der Spitze mit nach Deutschland gelieferter US-Waffen und logistischer Unterstützung ist dieser Völkermord so „erfolgreich“ möglich. Es wird als geradezu „notwendig“ hingenommen, wenn iranische Wissenschaftler, Hamas- oder Hisbollah-Führer und ihre Familien von Netanjahus Schergen ermordet werden und dabei hunderte von Zivilisten als „Kollateralschäden dran glauben müssen“.

 

Besonders an Perversität nicht zu überbieten sind israelische „Erklärungen“ nach Massakern, sie wären mit aller Präzision und Vorsicht vorgegangen, um zivile Opfer zu vermeiden. Das ist an mörderischer Chuzpe und Sarkasmus nicht zu überbieten.

 

Wer ist hier der Aggressor?

 

Dem zionistischen Regime wird jedes Recht, gegen Iran, Libanon, Syrien, Jemen und Huthis vorzugehen, eingeräumt. Schließlich ist Israel die „einzige Demokratie im Nahen Osten“, gegenüber undemokratischen „Mullah-Regimen“ oder „islamistischen Diktatur-Regimen“. Während Israel gezielt tötet, Iran und Hisbollah droht, stocken die USA ihre Kräfte in Nahost auf und schicken zusätzlich ein Atom-U-Boot und einen Flugzeugträger. Dabei stellt sich hier doch die Frage, wer ist hier der Aggressor und warum könnte ein Gegenschlag erfolgen? Diese Frage aber wird immer wieder ausgeklammert, da sie nicht in die westliche, von USA und Israel bestimmte Politik passt.

 

Auch Deutschland mit „Kriegsminister“ Pistorius – in neuer „kriegsoptimierter“ Hochstimmung – ist bereit, unsere Seewege vor den Huthis und ihren Angriffen zu schützen. Dabei sind es die Huthis, die zu den Wenigen gehören, die der Bevölkerung von Gaza mit ihren Angriffen gegen Schiffe der Nationen, die Israel aktiv unterstützen, in bewundernswerter Weise beistehen. Nach westlicher Logik ist genau das zu bekämpfen. Warum wird diese Taktik nicht geändert – in die Logik der Bekämpfung israelischen Terrors und einer aktiven Aktion zur Beendigung des Gaza-Kriegs?

 

Während die Spannung, es könnte zu Vergeltungsschlägen des Iran oder der Hisbollah gegen Israel kommen, täglich geschürt wird, flieht die palästinensische Bevölkerung von einer Todesecke in die nächste. Während deutsche Tagesschau-Zuschauer die israelischen Bunker (von denen Palästinenser träumen) oder das größte Bunker-Lazarett der Welt vorgeführt bekommen, wird der Albtraum Gaza medial immer kürzer gestreift. Dieser von Trümmern, Seuchen und Wassermangel zionistisch heimgesuchte Elendsstreifen ist der Ort eines unvergessenen zionistischen Völkermordverbrechens geworden.

 

Das israelische Regime kennt nichts außer Gewalt und Zerstörung

 

Es ist für mich wieder einmal besonders beschämend, wenn sich der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, als Sprachrohr des „jüdischen Staats“ betätigt und die historische Verantwortung Deutschlands für die Sicherheit Israels bemüht, die zwar nicht rechtlich bindend sei, aber aus einer Sicht natürlich bedeutet, im Falle eines Angriffs in der Größenordnung, wie er aktuell droht, auch militärisch an der Seite des „jüdischen Staats“ zu stehen. Das fordert auch der Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG) Volker Beck. Dieser war übrigens auch in der Sendung DLF-Kontrovers zu hören – in seiner unverbrüchlichen Israel-Treue und mit seiner Legitimierung von israelischen Taten. Glücklicherweise hatte er einen brillanten Gegenpart mit Michael Lüders, der Volker Beck mehr als desavouierte und das Niveau der Sendung erhöhte. Es lohnt sich diese Sendung nachzuhören! (1)

 

Schuster, der als Präsident des Zentralrats der Juden eine Glaubensgemeinschaft deutscher Juden vertritt, die auch noch offiziell bezuschusst wird und als Körperschaft des Öffentlichen Rechts fungiert, muss es unterlassen, ein israelisches Regime zu unterstützen, das nichts kennt außer Gewalt und Zerstörung. Warum wird einem jüdischen Vertreter diese einseitige politische Unterstützung für Israel genehmigt – während muslimischen Funktionären so ein Verhalten verweigert wird und mit Repressalien und Razzien geahndet wird. Schließlich gilt das deutsche Grundrecht auf Meinungsfreiheit für all seine Bürger. Deutschlands Geschichte ist kein Grund für Doppelstandards zwischen Juden und Muslimen. Es gibt keine moralische Verpflichtung und keine Rechtfertigung, das „jüdische Volk“ und seine Heimat auf der Basis von Deutschlands Verantwortung für den Holocaust mit deutscher Staatsräson und Waffen zu schützen. Es ist vielmehr durch nichts mehr zu billigen, dieses Regime zu unterstützen, deren Bevölkerung größtenteils dessen Verbrechen und das ausführende System billigt. Diese Bevölkerung demonstriert gegen Regierungschef Netanjahu, aber nur um ihn aufzufordern, einen Waffenstillstand zu unterzeichnen und die jüdischen Geiseln nach Hause zu bringen. Während das Schicksal sie nicht interessiert und sie Netanjahus Pläne teilen, nach einem kurzen Waffenstillstand und Geiselrückgabe, den Völkermord wieder fortzuführen. Erschreckend daher die neuen Umfragewerte, die Netanjahu und seinen Likud im Aufwind zeigen. Das ist an moralischer Verkommenheit kaum zu überbieten und erfordert endlich weitreichende Konsequenzen.

 

Deutschland ist eines der wenigen Länder, die die IHRA-Fehlinterpretation von Antisemitismus übernommen haben und mit Nachdruck durchsetzen.

 

Wenn „Völkermord“ zu „Selbstverteidigung“ wird, dann dürfen wir nicht schweigen.

 

 

Zur Zeit der Verleumder

Von Erich Fried

 

Sie nennen mich

Verräter an meinem Volk

Sie nennen mich

Jüdischer Antisemit

weil ich spreche von dem

was sie tun in Israels Namen

gegen Palästinenser

gegen Araber anderer Länder

und auch gegen Juden

die totgeschwiegen werden

Später einmal

werden Juden die übrigbleiben

wenn dieser Wahnsinn vorbei ist

zu suchen beginnen

nach Spuren von Juden

die nicht mittaten

sondern warnten

So haben Deutsche gezeigt

nach dem Untergang Hitlers

auf Deutsche die tags zuvor

noch verfolgt wurden oder getötet

Die sollten nun Zeugen sein

daß Deutsche auch anders waren

Ob dann ein Wort

noch nachlebt

von meiner Warnung

Wichtiger aber:

ob dann in Palästina noch Juden leben

entronnene jener Vernichtung

die sie selbst herbeiführen halfen

durch ihr Unrecht

zu meiner Zeit?

 

 

Fußnoten:

 

1 https://www.deutschlandfunk.de/kontrovers-nahost-wie-raus-aus-der-spirale-der-gewalt-dlf-f09ca34d-100.html

 

 

In der Neuen Rheinischen Zeitung (NRhZ) veröffentlicht in Ausgabe 834 vom 14.08.2024 unter http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=29192

 

 

Evelyn Hecht-Galinski, Tochter des ehemaligen Zentralratsvorsitzenden der Juden in Deutschland, Heinz Galinski, ist Publizistin und Autorin. Ihre Kommentare für die NRhZ schreibt sie regelmäßig vom “Hochblauen”, dem 1165 m hohen “Hausberg” im Badischen, wo sie mit ihrem Ehemann Benjamin Hecht lebt. (http://sicht-vom-hochblauen.de/) 2012 kam ihr Buch “Das elfte Gebot: Israel darf alles” heraus. Erschienen im tz-Verlag, ISBN 978-3940456-51-9 (print), Preis 17,89 Euro. Am 28. September 2014 wurde sie von der NRhZ mit dem vierten “Kölner Karls-Preis für engagierte Literatur und Publizistik” ausgezeichnet.

 

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