Westliche „Werte“-Arroganz Von Evelyn Hecht-Galinski

Kommentar vom Hochblauen

 

Westliche „Werte“-Arroganz

 

Von Evelyn Hecht-Galinski

 

Es ist erschreckend zu erleben, wie viel arrogante Missachtung Muslimen in Europa und in Deutschland immer noch entgegenschlägt. Da dürfen sich Parteien nicht wundern, wenn muslimische Deutsche sich an der kommenden Bundestagswahl nur zögernd, ja zum Teil widerwillig beteiligen. Als ich am 20. September den Wahlkompass der Deutschen Muslim Liga las, fand ich diesen sehr interessant und habe ihn deshalb als wichtige Wahlentscheidungshilfe auf meine Website gestellt – als einen sehr guten und wichtigen Beitrag zur Entscheidungsfindung für die Bundestagswahl am kommenden Sonntag, dem 26. September. (1) Dort wurden CDU/CSU, die SPD, Bündnis90/Die Grünen, Die Linke, die FDP sowie das Team Todenhöfer angefragt und gebeten, 10 Fragen zum Islam und zu den Interessen, die für Muslime in Deutschland von Relevanz sind, zu beantworten.

 

Ergebnis ernüchternd

 

Das Ergebnis ist mehr als ernüchternd: Während die CDU/CSU, Bündnis90/Die Grünen und die FDP gar nicht antworteten, bat die SPD, die Fragen auf 8 zu reduzieren. Nur Die Linke und „meine“ Partei, das Team Todenhöfer, haben alle Fragen beantwortet. Jeder möge nun entscheiden, was diese Geringschätzung der Fragenverweigerer gegenüber den Muslimen bedeutet.

 

Für mich war es eine wichtige Entscheidungshilfe und relevant, wie das Team Todenhöfer zu Muslimen und zum antimuslimischen Rassismus steht, sowie die Haltung zur Politik des „jüdischen Staat“, die mich bewogen hat, in diese Gerechtigkeitspartei unter dem Vorsitz von Jürgen Todenhöfer einzutreten. Tatsächlich ist Jürgen Todenhöfer einer der wenigen Politiker, Journalisten, Publizisten, der sich mit großem politischen Sachverstand, Wissen und Verständnis so profund in Büchern, Reportagen und jetzt in seiner Partei mit dem Verhältnis des Westens zu den Muslimen auseinandergesetzt hat.

 

Ich kann nur immer wiederholen, dass Deutschland und seine Politiker sich endlich darüber bewusst werden sollten, dass ohne die Muslime in Deutschland sowohl das gesellschaftliche, als auch das wirtschaftliche Leben zusammenbrechen würde. So gesehen ist es deshalb von großer Bedeutung, dass muslimische Deutsche zur Wahl gehen und sich bewusst mit der deutschen Innen- und Außenpolitik auseinandersetzen. Hat nicht besonders die Zeit nach 9/11 gezeigt, wie gerade Muslimen Unrecht und Missachtung entgegenschlägt?

 

Deutschland im Schlepptau der USA

 

Was wir gegenwärtig nach dem schmählichen Abzug aus Afghanistan, angeführt von den USA, im Schlepptau Deutschland und die europäischen Alliierten, erleben, zeigt deutlich, wohin uns die westliche „Werte“-Arroganz geführt hat: in Kriege mit tausenden Menschenopfern, Zerstörung der Infrastruktur und Millionen von Flüchtlingen, heimatlos gemacht und auf Hilfe angewiesen.

 

Während gerade Politiker sich lächerlich machen, indem sie als Verlierer der Geschichte sich erdreisten und Forderungen gegen die Taliban-Regierung stellen und man diese nach der „Friß oder Stirb“-Manier zwingen will, „unsere“ politischen Vorstellungen zu verwirklichen, verschlechtert sich die Lage in Afghanistan täglich. Genau diese furchtbaren Zustände erleben wir im Irak, im Jemen, in Syrien und vielen anderen muslimischen Ländern, wo westliche „Drohnen“ und „Regimechange“-Politik „blühende westliche Wertelandschaften“ bringen sollten. Lernen sie nie aus ihren Fehlern?

 

Wie gehabt versäumen sie in ihrer Arroganz, den Muslimen auf gleicher Augenhöhe zu begegnen, und sie mit dem Respekt zu behandeln, mit dem wir auch behandelt werden wollen. Deshalb hat man lieber korrupte, aber „westlich“ gesinnte Marionettenregime eingesetzt, um so ein vermeintlich leichtes Spiel zu haben im Kampf um Aufträge und bei ihren Rohstoffe Raubzügen. Denn um nichts anderes geht es den Besatzern. Was schert „uns“, wie die Bevölkerung darüber denkt und ihr Dasein fristet, wenn man nur ein geopolitisches Machtziel vor Augen hat: Ausbeutung und rücksichtslose Unterdrückung. „Menschenrechte“ waren nie ein Ziel, sondern nur hohle Phrasen!

 

Der Friedensnobelpreisträger und seine Mordaufträge

 

Der letzte US-Drohnen-Angriff, bei dem das Pentagon „einräumen“ musste „versehentlich“ Zivilisten, darunter 7 Kinder, umgebracht zu haben, wurde in den Medien schnell als „tragischer Fehler“, allerdings mit „großherziger“ US-Entschuldigung abgetan – und schnell ging man wieder zur Tagesordnung über. Man kann mit Sicherheit davon ausgehen, käme ein solcher ruchloser Mord an unschuldigen Zivilisten von russischer, türkischer oder muslimischer Seite, dann wäre das westliche Politiker- und Mediengezeter für Tage auf der Agenda als „Beweis“, dass „unsere“ Feinde „unsere Werte“ nicht teilen.

 

In dem Zusammenhang möchte ich daran erinnern, dass Präsident Bidens Amtsvorgänger Obama berühmt und berüchtigt war für seine „Killing Tuesdays“, an denen seine mörderischen Drohnenangriffe ausgeführt wurden. In einem Artikel wurde ausgerechnet, dass Obama mehr als drei Jahre bräuchte, um sich täglich bei einem Hinterbliebenen seiner unschuldigen Opfer zu entschuldigen. Aber eine Entschuldigung setzt ja ein Gewissen über das angetane Unrecht voraus, und da hat sich der Ex-Präsident, wie schon seine Ehefrau, lieber auf das lukrative „Memoiren“-schreiben gestürzt, genauso wie schon seine Ex-Außenministerin Hillary Clinton. (2)(3)(4)

 

Es schmerzt mich sehr wenn ich sehe, wie mit Unverständnis, zum Teil mit Hass, Muslimen begegnet wird und Forderungen an sie gestellt werden, die man niemals an Christen oder Juden stellen würde.

 

Mit einem Kanzler Todenhöfer sähe die Sachlage etwas anders aus

 

Beispielsweise haben jüdische Organisationen die Chuzpe, nach Anschlägen, an denen möglicherweise ein Muslim beteiligt war, pauschal von muslimischen Verbänden eine Distanzierung zu fordern. Genau dieses Ansinnen sollte man von jüdischen Organisationen und Verbänden fordern, die sich stets mit dem jüdischen Apartheidstaat solidarisieren. Dieser Staat versucht nicht einmal, seine Verbrechen zu kaschieren, denn er darf jederzeit mit deutscher uneingeschränkter Unterstützung rechnen, also auch von den drei Kandidaten und Kandidatin für das Amt des Bundeskanzlers. Gäbe es einen Kanzler Todenhöfer, dann sähe die Sachlage etwas anders aus und wir könnten endlich mit einer politischen Wende zum Besseren rechnen.

 

So aber sind es keine guten Aussichten und es überwiegt eine Perspektivlosigkeit, die mich schwermütig werden lässt. SPD, CDU/CSU oder Bündnis90/Die Grünen und FDP, unterscheiden sich in ihrer USA/NATO-Vasallen-Treue und Kriegsgeilheit, Russland- und Türkei-Hass nur in Nuancen. Schon einmal haben die SPD und die Grünen mit Ex-Außenminister Fischer mit seiner unseligen „Auschwitz“-Metapher die Deutschen in einen sinnlosen Krieg geschickt, und auch der „Auschwitzminister“ Maas, der größte Versager aller Zeiten und zuverlässigste Unterstützer des Besatzerstaates Israel will auf der Welt-Kriegsbühne mitspielen.

 

Wählen gegen die westliche „Werte“-Arroganz!

 

Seit Jahren schon müssen Muslime mitansehen, wie es Muslimen (und den Christen dort) in Palästina und anderen „westlichen Wertedemokratien“ unter Besatzung geht.

 

Nehmen wir „unseren“ Umgang mit dem Begriff „Völkermord“. Im Falle Armenien war man schnell dabei, ganz besonders auf Wunsch des berüchtigten Erdogan-Hassers Cem Özdemir von den Grünen, der selbst ganz fest an der Seite des Apartheidstaats Israels steht und dabei völlig blind ist für die ethnische Säuberung Palästinas!

 

Ignoriert werden die Völkermorde Sabra und Schatila und Gaza. Und im Falle der deutschen Kolonialverbrechen im heutigen Namibia dauerte es dann bis in dieses Jahr, dass der Deutsche Bundestag das Wort „Völkermord“ anerkannte. (5)(6)(7)

 

Machen wir uns keine Illusionen: Weder unter einem Kanzler Scholz oder Kanzler Laschet wird sich etwas an dieser Art der Politik ändern. Nutzen wir den 26. September und wählen gegen die westliche „Werte“-Arroganz. Nichtwählen ist keine Option.

 

 

Fußnoten:

 

(1) https://islamische-zeitung.de/wahlkompass-der-deutschen-muslim-liga-drei-parteien-antworten/?fbclid=IwAR3_mIsYz_XJDrQwyKBMOC11F2iAdcwP1SdrHR5RTwJEc1sSyU6uaTsFHno

(2) https://www.tagesspiegel.de/meinung/obamas-targeted-killing-drohnenangriffe-des-friedensnobelpreistraegers/6742590.html

(3) https://theintercept.com/drone-papers/the-kill-chain/

(4) https://www.newyorker.com/news/daily-comment/the-presidents-kill-list

(5) https://www.lebenshaus-alb.de/magazin/004181.html

(6) https://electronicintifada.net/content/was-sabra-and-shatila-genocide/33941

(7) https://www.deutschlandfunk.de/verbrechen-an-herero-und-nama-als-voelkermord-anerkannt-das.694.de.html?dram:article_id=497955

 

 

In der Neuen Rheinischen Zeitung (NRhZ) veröffentlicht in Ausgabe 777 vom 22.09.2021 unter http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=27642

 

 

Evelyn Hecht-Galinski, Tochter des ehemaligen Zentralratsvorsitzenden der Juden in Deutschland, Heinz Galinski, ist Publizistin und Autorin. Ihre Kommentare für die NRhZ schreibt sie regelmäßig vom „Hochblauen“, dem 1165 m hohen „Hausberg“ im Badischen, wo sie mit ihrem Ehemann Benjamin Hecht lebt. (https://www.sicht-vom-hochblauen.de/) 2012 kam ihr Buch „Das elfte Gebot: Israel darf alles“ heraus. Erschienen im tz-Verlag, ISBN 978-3940456-51-9 (print), Preis 17,89 Euro. Am 28. September 2014 wurde sie von der NRhZ mit dem vierten „Kölner Karls-Preis für engagierte Literatur und Publizistik“ ausgezeichnet.

3 Kommentare zu Westliche „Werte“-Arroganz Von Evelyn Hecht-Galinski

  1. Ich glaube da irrt Frau Hecht-Galinski. Auch wenn Herr Todenhöfer Budneskanzler wäre würde sich gar nichts ändern. Israels Schutz, egal was da verbrochen wurde und wird ist Teil der Staatsräson. Sich dagegen auf zu lehnen wäre gelichbedeutend mit Machtverlust. Das kann man kritisieren. An den Fakten kommt man aber nicht vorbei. Ich möchte gar nicht die ganzen Begrifflichkeiten anführen mit denen man dann überschüttet würde sollte man es wagen Israel zu kritisieren. Die Positionen sind entsprechend besetzt. Daran würde auch Herr Todenhöfer nichts ändern können. Trotzdem, viel Erfolg bei den anstehenden Wahlen.

  2. Selbst wenn der Partei „Team Todenhöfer“ noch keine allzu großen Chancen zugesprochen werden, das System Deutschlands von Grund auf zu erneueren, bzw. von Grund auf zu ändern, ist es zumindest mehr als eine Option, da Herr Todenhöfer sich erstens in der Medienlandschaft und zweitens im politischen Geschäft mehr als sehr gut auskennt. Und wenn aus dieser Partei heraus nur einige wenige gut durchdachte Argumente in den Köpfen der anderen Politiker*innen ankommen, somit zum Nachdenken und vielleicht sogar zum Umdenken anregen, wäre eine ganze Menge gewonnen. Ich sag’s mal so: Schlimmer als mit der Partei „Die Linke“, die sich erstens selbst zerfleischt und zweitens nur noch ein Häufchen Elend ist, kann es mit Todenhöfer auch nicht kommen. Und wenn sowas wie „Die Linke“ bei momentan 6% liegt, sollte Todenhöfer mit seiner Partei mindestens genauso gut abschneiden. Es wär nicht nur ihm, seinen Mitstreiter*innen, auch Deutschland und seiner Bevölkerung wäre es zu wünschen.

  3. Es kann der Beste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt. Deshalb ist es von großer Wichtigkeit, daß alle Menschen in die Welt hinausziehen, um all die bösen Nachbarn davon zu überzeugen, daß sie als Ortsansässge sich diesen Entwicklungen nicht ständig widersetzen dürfen. Das hat zwar in den letzten fünftausend Jahren noch nicht geklappt, dennoch muß daran weiter mit großem Fleiß gearbeitet werden.

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