Wie der Rüstungskonzern Rheinmetall mit den USA in weltweite Kriege zieht Werner Rügemer

 

Zum „Tag der Pressefreiheit“ schickte mir Werner Rügemer die Originalversion eines Artikels aus der Berliner Zeitung vom 10.April 2023, mit dem  angehängten Zensur-Bericht. Ich danke Werner Rügemer sehr für diesen wichtigen und brisanten Artikel, auch im Namen meiner Leser.  Evelyn Hecht-Galinski

https://strategic-culture.org/news/2023/03/05/the-new-green-warriors-co2-neutral/

 

 

Militär: Umweltschonend, nachhaltig, bald CO2-neutral

Wie der Rüstungskonzern Rheinmetall mit den USA in weltweite Kriege zieht

 

Werner Rügemer

10. April 2023

 

„Mit dem aktiven Naturschutz verbindet Rheinmetall ein Engagement für die Region, in der die Firma nach der Bundeswehr der größte Arbeitgeber ist. Das Ergebnis ist eine ungewöhnlich reiche Pflanzenwelt, die eine seltene Vielfalt von Insekten und Vögeln anzieht und großen Wildtierbeständen eine Heimat bietet. Unter dem Schutz des Sperrgebiets – auf dem Schießplatz herrschen strengste Sicherheitsmaßnahmen – siedeln immer neue Arten an. Der Donner der Kanonen schreckt die Tierwelt nicht.“

 

Der ökologische Technologieführer im US-Eigentum

So stellt sich der größte deutsche Rüstungskonzern vor. Bei seinem größten Standort in Deutschland betreibt er das Erprobungszentrum Unterlüß (EZU), mit 54 Hektar das größte private militärische Test- und Übungsgelände Europas, beim Dorf Unterlüß am Rand des Naturparks Südheide in Niedersachsen. Hier steht mit 2.500 Beschäftigten auch der größte der 40 Standorte von Deutschlands größtem Öko-Unternehmen.

 

Rheinmetall spricht möglichst nicht von Rüstung. „Der internationale integrierte Technologiekonzern“ – so eröffnet die website. „Mit unseren Technologien, unseren Produkten und Systemen schaffen wir die unverzichtbare Grundlage für Frieden, Freiheit und für nachhaltige Entwicklung: Sicherheit.“ Und „Rheinmetall ist ein integrierter Technologiekonzern für umweltschonende Mobilität.“ Und weiter geht es in der neuen Werte-Litanei: „Bis 2035 wollen wir CO2-neutral sein.“

 

So wird den Investoren ein „nachhaltiges Investment“ versprochen. Das lohnt sich. „Mit der Zeitenwende und dem Krieg in Europa hat auch für Rheinmetall eine neue Ära begonnen, Allzeithoch beim Ergebnis, Rekord beim Auftragsbestand“, so Vorstandschef Armin Papperger im Geschäftsbericht 2022. „Der Technologiekonzern Rheinmetall AG steigt in den deutschen Leitindex DAX auf“, teilte er am 20. März 2023 mit. Der Aktienkurs hat sich in den letzten beiden Jahren fast verdoppelt. Den Aktionären wird zur Hauptversammlung am 9. Mai 2023 eine Dividendensteigerung um 30 Prozent versprochen.

 

Wer sind die Aktionäre? Rheinmetall nennt keine Namen. Aus Börsenportalen und der US-Börsenaufsicht SEC ergibt sich: Rheinmetall hat 280 staatlich erfasste Aktionäre. Die größten sind Blackrock, Wellington, Fidelity, Harris Associates, John Hancock, Capital Group, Vanguard, EuroPacific Growth Fund, LSV. Sie kommen wie die meisten kleineren aus den USA. Rheinmetall ist also gar nicht deutsch. Die Hälfte der 25.500 Beschäftigten arbeitet zwar in Deutschland, die andere Hälfte in 33 anderen Staaten. Aber die Gewinne fließen vor allem in die USA.

 

Modernste Waffentechnologie zusammen mit US-Konzernen

Die meisten Filialen in einem anderen Staat außerhalb Deutschlands betreibt heinmetall in den USA, nämlich zehn. Das begann 2005 mit den US-Dauerkriegen in Afghanistan und im Irak. So unterstützt Rheinmetall als „langjähriger Partner der NATO die nationale Verteidigungsstrategie der USA“.

 

In den USA entwickelt Rheinmetall die modernsten Waffentechnologien, so mit US-Rüstungskonzernen wie Textron, Raytheon und Allison die neue Generation KI-gestützter Schützenpanzer. Sie sollen, bemannt wie auch unbemannt, feuerstark, hochgeschützt und hochmobil, mit bisher unbekannter Tötungsfähigkeit (lethal capability) operieren, „wie das sonst nirgends auf der Welt verfügbar ist.“

 

Für den Kampfjet F35 des weltgrößten Rüstungskonzerns Lockheed darf Rheinmetall jetzt den 6,5 Meter langen Mittelteil zwischen Cockpit und Heck bauen. Der deutsche Verteidigungminister hat aus Anlaß des Ukraine-Kriegs im Vorgriff schon einige F35 bestellt, erstmal. Die europäischen NATO-Mitglieder sollen die Entwicklung eines eigenen Kampfjets aufgeben und lieber den superteuren US-Tarnkappenflieger kaufen.

 

Mit dem US-Drohnenhersteller AeroVironment entwickelt Rheinmetall eine unbemannte Kleindrohne für Spezialkräfte. Die Drohne soll schnell einsetzbar sein, aus der Hand gestartet werden können, weniger als zehn Kilogramm wiegen und eine Reichweite von 30 Kilometern haben.

 

Im Gefolge der globalen US-Militärstrategie

In der Ukraine, der aktuellste Gewinntreiber, will der umweltschonende Technologieführer ein neues Panzerwerk errichten. Denn der Krieg dort, um das Territorium ganz zurückzuerobern, wird noch lange dauern, so Papperger. Selbst wenn Putin eines Tages weg sei, sei mit Russland wohl keine Partnerschaft möglich.

 

Zur zeit- und ortsnahen Belieferung betreibt Rheinmetall nach eigenen Angaben 133 Standorte in 33 Staaten, in NATO-Staaten, aber auch in der „neutralen“ Schweiz. Mit der Feinderklärung gegen China unter US-Präsident Barack Obama entwickelte Rheinmetall bisher 18 Standorte in Japan, Südkorea, Australien und Neuseeland.

 

2014 rief Obama in Australien die pazifischen Staaten zur US-geführten Aufrüstung auf, gleichzeitig zum Ausstieg aus der fossilen „schmutzigen Industrie“. Seitdem errichteten die USA vier neue Militärstützpunkte auf dem Kontinent. Rheinmetall kam und ist heute der größte Panzer-Lieferant des australischen Militärs und exportiert den Boxer-Panzer in asiatische Staaten. Die Fabrik in Queensland mit 600 Beschäftigten ist „der technologisch höchstentwickelte Militärstandort in Australien“, so das Eigenlob.

 

Rheinmetall hat Erfahrung, wie unter Kanzlerin Angela Merkel die Rüstungs-Export-Kontrollen umgangen wurden, etwa über Filialen in Italien und den USA. Dafür bekam der Konzern 2017 den Black Planet Award der Stiftung Ethecon. Pappberger positioniert Rheinmetall neben das UN-Völkerrecht an die „internationale regelbasierte Ordnung“, die von den USA definiert wird.

 

Grün in Kombination von zivil und militärisch

Der EU Green Deal finanziert die Entwicklung von mobilen militärischen Feldlagern: Sie sollen unabhängig von fossiler Energie sein. Rheinmetall gehört zu einem EU-Projektteam, das die dafür entwickelten Technologien auch zivil nutzbar machen soll.

 

So hat Rheinmetall mit Allison auch den CO2-freien Elektroantrieb eGenForce für den US-Kampfpanzer Abrams entwickelt: Der Motor macht keinen Lärm, strahlt keine Hitze aus und ist nachts durch Drohnen des Feindes nicht zu erkennen. So baut Rheinmetall für die ukrainische Infanterie mobile Überwachungstürme mit „Solarzellen, die einen nachhaltigen Betrieb ohne Betriebsstoffe ermöglichen“. Mit einem LkW-Hersteller arbeitet Rheinmetall im noch jungen Bereich der e-Mobilität auch für LkW, militärisch wie zivil.

 

So fließen militärische und öffentliche „Sicherheit“ ineinander. Mit dem Survivor R baut Rheinmetall das „hochmobile, bestens geschützte und vielseitige Spezialfahrzeug der nächsten Generation“ für die Polizei. „Rheinmetall ist seit vielen Jahren ein Partner der Sicherheitskräfte in Deutschland und Europa. Zum Produktportfolio im Bereich Public Security gehören Komponenten für ballistische Schutzausstattung, Spezial-Wirkmittel für polizeiliche Einsätze, Optik und Optronik zur Aufklärung und Überwachung bei Tag und Nacht, Systeme zur Drohnendetektion und -abwehr sowie geschützte Einsatzfahrzeuge.

 

Parteiübergreifende Lobbyarbeit

Rheinmetall ist Mitglied in den drei Lobbyverbänden der Rüstungsindustrie: Förderkreis Deutsches Heer (FKH), Deutsche Gesellschaft für Wehrtechnik (DWT) und Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV). Im BDSV ist Papperger Vorsitzender. Rheinmetall bespendet auch alle jeweiligen Regierungparteien.

 

Rheinmetall holte 2014 den ehemaligen FDP-Generalsekretär Dirk Niebel in die Düsseldorfer Zentrale, als Leiter für Internationale Strategieentwicklung und Regierungsbeziehungen. Er war vorher Mitglied im Bundessicherheitsrat. Vor allem: Niebel war von 2009 bis 2013 Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. So errichtete der Konzern Filialen etwa in Südafrika, Malaysia, Indien, Brasilien, Mexiko, Katar, Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Usbekistan.

 

Während Niebel diskret vorgeht, wurde die Journalistin Agnes Strack-Zimmermann (FDP) zur bekanntesten Rüstungs- und Kriegslobbyistin. Sie ist im Präsidium von FKH und DWT. Von 2008 bis 2014 war sie FDP-Fraktionsvorsitzende und Erste Bürgermeisterin in Düsseldorf, dem Rheinmetall-Konzernsitz. Seit 2014 ist sie Vorsitzende des FDP-Kreisverbands in Düsseldorf. So wurde sie Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Deutschen Bundestag.

 

Henning Otte (CDU) vertritt den Wahlkreis Celle. Da liegt der größte Produktionsstandort von Rheinmetall, Unterlüß. Mit dem Aufstieg von Rheinmetall wurde Otte 2014 verteidigungspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, auch Mitglied der Parlamentarischen Versammlung der NATO. 2022 wurde Otte der Stellverterter Strack-Zimmermanns im Verteidigungsausschuss.

 

Auch der neue Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) kommt aus Niedersachsen. Hier hat Rheinmetall die meisten Standorte. Das Bundesland wurde für die Osterweiterung der NATO immer wichtiger. Der Maritim-Stützpunkt Wilhelmshaven ist mit 9.500 Mann/Frau der größte Bundeswehrstandort überhaupt, bereitgemacht für US-Militär in Richtung Osteuropa und für dortige NATO-Manöver, aber auch für die zunehmend globalen Aktivitäten der Bundeswehr. Das in der Nähe von Unterlüß gelegene Munster beherbergt den größten Heeres-Übungsplatz der Bundeswehr. Und Bergen-Hohne im Landkreis Celle ist einer der größten NATO-Übungsplätze in Europa, vor allem für Panzer-Schießübungen.

 

Der niedersächsische Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) wirbt um neue Rheinmetall-Aufträge für das Bundesland, es habe ja auch schon mit dem schnellen Bau des ersten LNG-Terminals einen „Beitrag zur Sicherheitspolitik“ geleistet. Pistorius gehörte zu den SPD-Politikern, die im Sinne Willy Brandts für eine Friedens- und Energiepolitik mit Russland eintraten. Doch mit Beginn des Ukraine-Krieges bereute er sofort seine „trügerische Hoffnung“. Wendehälse mit schlechtem Gewissen sind für Richtungswechsel besonders geeignet.

Rheinmetall: Wie der Ukraine-Krieg den Rüstungskonzern auf Erfolgskurs bringt, Berliner Zeitung 10.4.2023: Dies ist auf der BZ-website die von der BZ-Redaktion nachträglich aufgrund einer Unterlassungsforderung zensierte, gekürzte Fassung: Passagen zur Rüstungslobbyistin Strack-Zimmermann und Verteidigungsminister Pistorius. Dagegen hat das Landgericht Köln eine Einstweilige Verfügung erlassen: Wiederherstellung der Originalversion, bei Nichtbefolgung bis 250.000 Euro Ordnungsstrafe, ersatzweise bis ein halbes Jahr Haft (Landgericht Köln 14 O 144/23)

Zensur: Berliner Zeitung schützt Strack-Zimmermann und Pistorius

Amtsgericht Köln erlässt Einstweilige Verfügung: Die Zeitung muss den Originaltext des Autors Werner Rügemer veröffentlichen

 

Werner Rügemer

 

Am 10.4.2023 veröffentlichte die Berliner Zeitung den Artikel

„Rheinmetall: Wie der Ukraine-Krieg den Rüstungskonzern auf Erfolgskurs bringt“

Untertitel: „Der Rüstungskonzern hat seinen Sitz in Deutschland. Doch viele Gewinne gehen in die USA. Agnes Strack-Zimmermann hat Verbindungen zum Konzern“

Thema Politik | Berliner Zeitung

Berliner Zeitung – Unabhängige Nachrichten und Hintergründe aus Berlin und der Welt

Aber seit dem 11.04. erscheint der Artikel auf der website der Berliner Zeitung um drei Stellen gekürzt:

*Erstens um den Satz im Untertitel „Agnes Strack-Zimmermann hat Verbindungen zum Konzern“, *zweitens um den ganzen Absatz zur Rüstungslobbyistin Strack-Zimmermann (FDP),

*drittens um den Satz: „Wendehälse mit schlechtem Gewissen sind für Richtungswechsel besonders geeignet“ – bezogen auf den neuen Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD).

 

Den Artikel hatte Chefredakteur Dr. Tomasz Kurianowicz bei mir bestellt. Ich hatte noch nie in der Berliner Zeitung veröffentlicht und hatte mich auch nicht darum bemüht. Ich hatte dann den Artikel abgeliefert mit dem Zusatz: „Alle Textänderungen sind nur in Absprache mit mir möglich.“ So wurde der Artikel in der von mir verfassten Form zunächst abgedruckt. Aber seit dem Folgetag erscheint er gekürzt, ohne jegliche Absprache mit mir, und mit der redaktionellen Anmerkung: Die Ausführungen zu den „losen Verbindungen zwischen Marie-Agnes Strack-Zimmermann und dem Rheinmetall-Konzern“ wurden gelöscht, denn sie seien „irreführend“.

 

Landgericht Köln: Die Berliner Zeitung muss den Originaltext wiederherstellen

Ich stellte gegen den Berliner Verlag Antrag auf Einstweilige Verfügung. Das Landgericht Köln gab mir mit Beschluss vom 28.4.2023 recht: Der geänderte Artikel darf nicht mehr veröffentlicht werden, die Zeitung muss den Originaltext wiederherstellen. Bei Nichterfüllung wird ein Ordnungsgeld bis 250.000 Euro fällig, notfalls Ordnungshaft bis zu sechs Monaten. (Landgericht Köln 14 O 144/23)

 

Zur Begründung heißt es im Gerichtsbeschluss: Es handelt sich um eine „rechtswidrige und erhebliche Änderung“ und eine „schwerwiegende Beeinträchtigung der Urheberinteressen“.

 

Zudem, so das Gericht, kann die veränderte Fassung das Ansehen des Autors schädigen, denn das „setzt ihn somit der Kritik aus, etwa weil zu einer bestimmten in diesem Themenbereich profilierten Politikerin einer bestimmten Partei keine Informationen enthalten sind. Damit könnte der vom Autor nicht gewünschte Eindruck entstehen, er sei parteiisch oder er wolle bestimmte Personen schützen.“

 

Die Zeitung lässt im Unklaren: Wer hat die Zensur veranlasst?

Die Berliner Zeitung teilte meinem Anwalt mit: die Streichungen sind durch eine „Unterlassungsforderung“ bewirkt worden. Die Zeitung teilt allerdings nicht mit, wer die Unterlassungsforderung gestellt hat. Die geforderten Streichungen (oder mehr als die geforderten?) hat die Redaktion folgsam sofort vollzogen, auch ohne Rücksprache mit mir.

 

Nächstliegend kommen als Initiatoren Frau Strack-Zimmermann, der Rheinmetall-Konzern und Herr Pistorius infrage, direkt oder indirekt. Die Genannten haben heutzutage aber auch zahlreiche Mitarbeiter, Mittäter, Sympathisanten, Verteidiger, PR-Agenten (m,w,d +.), die auch ohne Anweisung oder Hinweis „von oben“ tätig werden (können, wollen, sollen).

 

Das Gericht weist auch darauf hin, dass die Berliner Zeitung keine Begründung für die Textveränderung geliefert hat, die ihre eigenen Interessen als Medium betreffen: Die Zeitung hat „trotz mehrfacher Gelegenheit, sowohl außergerichtlich nach Abmahnung als auch durch Anhörung in diesem Verfahren keinen Sachverhalt dargetan, der eine Interessenabwägung ermöglicht.“

 

Erfindung der Redaktion: „enge Verbindungen“ mit Rheinmetall

Im Original-Artikel hatte ich dargestellt: Rheinmetall ist Mitglied in den drei Rüstungsverbänden Förderkreis Deutsches Heer FKH, Deutsche Gesellschaft für Wehrtechnik DWT und Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie BDSV; in letzterem ist Rheinmetall-Chef Papperger Vorsitzender. Und Rheinmetall bespendet alle jeweiligen Regierungsparteien. Zur Lobby von Rheinmetall gehört auch Dirk Niebel, Ex-Generalsekretär der FDP und Ex-Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung – Rheinmetall holte ihn sich 2014 für die Geschäftsausweitung in Entwicklungsländern Afrikas, des Vorderen Orients und Asiens.

 

Dann hieß es wie in meiner Textvorlage in der Erstveröffentlichung des Artikels am 10.4.: „Während Niebel diskret vorgeht, wurde die Journalistin Agnes Strack-Zimmermann (FDP) zur bekanntesten Rüstungs- und Kriegslobbyistin. Sie ist im Präsidium von FKH und DWT. Von 2008 bis 2014 war sie FDP-Fraktionsvorsitzende und Erste Bürgermeisterin in Düsseldorf, dem Rheinmetall-Konzernsitz. Seit 2014 ist sie Vorsitzende des FDP-Kreisverbands in Düsseldorf. So wurde sie Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Deutschen Bundestag.“ Die Redaktion hatte diese Passage mit einem Foto der Abgeordneten Strack-Zimmermann illustriert, wie sie im Bundestag eine Rede hält. Und die Redaktion hatte dazu die Bildunterschrift hinzugefügt: „Marie-Agnes Strack-Zimmermann hat enge Beziehungen zu Rheinmetall.“

 

BZ nimmt ihre Behauptungen sofort zurück

In meinem Text steht dagegen weder etwas von „Verbindungen“ noch von „engen Verbindungen“ noch von „losen Verbindungen“. All diese Formulierungen stammen von der Redaktion. Aber diese Darstellung ist ja nicht unbedingt falsch.

 

Dass Rheinmetall auch die FDP wiederholt bespendet, wie ich geschrieben habe, das schafft ja Verbindungen, soll sie schaffen, oder? Und wenn Rheinmetall und Strack-Zimmermann in denselben zwei Lobbyorganisationen Mitglied sind, dann schafft das ja auch Verbindungen, soll sie ja gerade schaffen, um möglichst viele Interessen durchzusetzen – gerade wenn Rheinmetall der aufstrebende, auftragsgierige größte Rüstungskonzern in Deutschland ist und Strack-Zimmermann in zwei der Lobbyorganisationen sogar im Präsidium agiert und auch noch Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag ist. Ob solche Verbindungen allgemein als „Verbindungen“ oder als „lose“ oder „enge Verbindungen“ bezeichnet werden – das ist doch gleichgültig, oder?

 

Aber wohl gerade durch ihre selbst hinzugefügten Formulierungen provozierte die Redaktion die Unterlassungsforderung von bisher geheimgehaltener Seite. Und so strich die Berliner Zeitung wendig und eilfertig nicht nur ihren selbst erfundenen Untertitel, sondern sofort auch die ganze Passage zu Strack-Zimmermann und das Foto mitsamt Bildunterschrift – und diffamiert die Darstellung des Autors als „irreführend“, der gar nichts von „Verbindungen“ geschrieben hatte.

 

Und der reumütige SPD-Verteidigungsminister Pistorius

Im Original-Artikel habe ich den neuen bundesdeutschen Verteidigungsministers Boris Pistorius erwähnt, und dass er bis zu seinem neuen Amt langjähriger Innenminister in Niedersachsen war – und dass der größte Produktionsstandort des Rheinmetall-Konzerns und dessen riesiges privates Test- und Übungsgelände in Niedersachsen liegen, und dass der weitaus größte Bundeswehr-Standort, nämlich der Marinestützpunkt Wilhelmshaven und die großen militärischen Übungsplätze Munster und Bergen-Hohne, welch letzterer auch von der NATO genutzt wird, ebenfalls in Niedersachsen liegen.

 

Und dass der brave Sozialdemokrat Pistorius die längste Zeit sich im Sinne Willy Brandts für eine Friedens- und Energiepolitik mit Russland eingesetzt hat. Und dass er das alles mit dem Ukraine-Krieg plötzlich und eilfertig als „trügerische Hoffnung“ bereut hat. Deshalb hatte ich bilanzierend angefügt: „Wendehälse mit schlechtem Gewissen sind für Richtungswechsel besonders geeignet.“ Diesen Satz hat die Zeitung ebenfalls gestrichen, auch wieder ohne Absprache mit mir.

 

Dazu heißt es im Beschluss des Landgerichts: Dieses „abschließende Fazit“ des Autors zu Pistorius stellt ein „urheberrechtlich besonders maßgebliches individuelles Gestaltungsmittel“ dar, also, mit anderen Worten, eine grundgesetzlich geschützte Meinungsäußerung, also ein wesentliches Merkmal einer freien Presse.

 

Wenn die Berliner Zeitung die Pressefreiheit verteidigen würde…

Da sind wir jetzt mal gespannt, wie nicht nur die Berliner Zeitung, sondern unsere freie deutsche Presse mit diesem nun mal bekannt gewordenen Zensur-Fall und dem klaren rechtsstaatlichen Beschluss eines deutschen Gerichts umgeht, nicht wahr?

 

Wenn die Berliner Zeitung die Pressefreiheit verteidigen würde, dann hätte sie folgendes tun können: Sie hätte zu ihrer eigenen Behauptung der „losen“, „engen„ und sonstigen „Verbindungen“ zwischen Rheinmetall und Strack-Zimmermann gestanden und hätte der Unterlassungsforderung nicht nachgegeben, sondern hätte es auf eine gerichtliche und in Deutschland öffentliche Auseinandersetzung ankommen lassen. Dann hätten ja Rheinmetall und Strack-Zimmermann beweisen können, dass sie weder „lose“ noch „enge“ noch überhaupt keine wie auch immer geartete „Verbindungen“ haben, auch nicht durch gemeinsame Mitgliedschaften in den genannten Lobbyorganisationen der Rüstungsindustrie.

 

Und weitere Journalisten und Wissenschaftler und Politiker (alle m,w,d +) und Redaktionen hätten sich hinter diese Fragen hängen können, und ein friedens- und industrie- und steuer- und technologie- und gewerkschafts- und umweltpolitisches Thema hätte zu einem öffentlichen Diskurs geführt – wäre nicht schlecht, oder?

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