Wie geht es nach dem russischen Sieg in der Schlacht von Artjomowsk weiter? Von Andrej Korybko

Wie geht es nach Russlands Sieg in der Schlacht von Artjomowsk weiter?

Am Samstag hat Russland den Sieg in Artjomowsk erklärt. Anfang März sagte Selenskij voraus, dass seine Gegner in diesem Fall den Rest des Donbass einnehmen könnten und befahl seinen Streitkräften, bis zum Ende zu kämpfen. Washington hatte bereits im Januar zum Rückzug geraten.

 

Wie geht es nach dem russischen Sieg in der Schlacht von Artjomowsk weiter?

Eine Analyse von Andrew Korybko

 

Am Samstag hat Russland den Sieg in Artjomowsk erklärt. Anfang März sagte Selenskij voraus, dass seine Gegner in diesem Fall den Rest des Donbass einnehmen könnten und befahl seinen Streitkräften, bis zum Ende zu kämpfen. Washington hatte bereits im Januar zum Rückzug geraten.
Wie geht es nach dem russischen Sieg in der Schlacht von Artjomowsk weiter?Quelle: Sputnik

 

Nach 224 Tagen Kampf erklärte Russland am Samstag den Sieg in der Schlacht von Artjomowsk. Der ukrainische Staatschef Wladimir Selenskij hatte bereits Anfang März vorausgesagt, dass seine Gegner in diesem Fall den Rest des Donbass einnehmen könnten. Deshalb befahl er seinen Streitkräften, bis zum Ende zu kämpfen, obwohl die Amerikaner ihm bereits im Januar zu einem Rückzug geraten hatten. In diesem Beitrag wird der derzeitige Stand der Dinge bewertet, um eine bessere Vorstellung davon zu erhalten, was als Nächstes kommen könnte:

1. Artjomowsk ist keine strategische Stadt an und für sich

Artjomowsk ist nichts Besonderes, was es von anderen Städten ähnlicher Größe im Donbass unterscheidet, obwohl die Kontrolle über Artjomowsk auf die eine oder andere Weise den Zugang zu den übrigen strategischen Positionen in der Region erleichtern kann.

2. Selenskij verwandelte Artjomowsk in ein weiteres Mariupol

Anstatt seine Truppen pragmatisch zurückzuziehen, um Menschenleben zu retten und die viel leichter zu verteidigenden Stellungen anderswo zu stärken, beschloss Selenskij, Artjomowsk aus rein politischen Gründen in ein weiteres Mariupol zu verwandeln, um die Moral seiner Seite zu stärken und den antirussischen Informationskrieg anzuheizen.

3. Russland drehte in dieser Schlacht den Spieß gegen die Ukraine um

Als sich die Schlacht von Artjomowsk hinzog, versuchte Selenskij seine Entscheidung, sich nicht zurückzuziehen, damit zu rechtfertigen, dass er die gegnerischen Streitkräfte zermürben und Zeit für eine Gegenoffensive Kiews gewinnen wollte, doch Russland drehte den Spieß um, indem es stattdessen seine Streitkräfte zermürbte und Zeit für die Vorbereitung seiner eigenen Pläne gewann.

4. Die ukrainische Moral wurde enorm geschädigt

Selenskijs Plan, die Moral seiner Truppen im Verlauf der Schlacht zu stärken, ging völlig nach hinten los, nachdem der russische Sieg gezeigt hatte, dass Tausende von Ukrainern buchstäblich umsonst gestorben waren, was zu einer Vertrauenskrise mit weitreichenden Auswirkungen auf den Konflikt führen könnte, wenn er diesen Schaden nicht bald behebt.

5. Das Zerwürfnis zwischen dem Verteidigungsministerium und der Wagner-Gruppe war nicht verhängnisvoll

Trotz der Befürchtungen, dass die eskalierende Rivalität zwischen dem Verteidigungsministerium und der Wagner-Gruppe Russland den Verlust der Schlacht von Artjomowsk bescheren könnte, erwies sie sich letztlich nicht als fatal und scheint von Präsident Putin in aller Ruhe bewältigt worden zu sein, wie sein Dank an beide am Sonntag für diesen Sieg zeigt.

6. Kiews von der NATO unterstützte Gegenoffensive steht wahrscheinlich unmittelbar bevor

Selenskij muss dringend die Moral seiner Truppe wiederherstellen und den westlichen Gönnern zeigen, dass die vom Steuerzahler bereitgestellte Militärhilfe im Wert von 165 Milliarden Dollar für etwas verwendet wurde, vielleicht sogar für den Versuch, in das russische Territorium vor 2014 einzudringen, weshalb die von der NATO unterstützte Gegenoffensive Kiews wahrscheinlich unmittelbar bevorsteht.

7. Der Ukraine könnten bis Juli Sicherheitsgarantien versprochen werden

Kissingers Vorschlag für einen NATO-Beitritt der Ukraine und der Artikel von Politico, in dem ein eingefrorener Konflikt nach koreanischem Vorbild vorhergesagt wird, deuten darauf hin, dass die USA, das Vereinigte Königreich und/oder Polen Kiew auf dem nächsten Gipfeltreffen des Blocks Sicherheitsgarantien geben werden, so wie es die USA im vergangenen Mai gegenüber Finnland und Schweden oder nach dem Waffenstillstand gegenüber Südkorea getan haben.

8. Eine wachsende Zahl von Parteien drängt auf einen Waffenstillstand

China, Saudi-Arabien, einige afrikanische Länder und der Vatikan drängen alle auf einen Waffenstillstand, aber die Aussichten auf eine erfolgreiche Vermittlung – unabhängig davon, wer diese Rolle übernimmt – hängen weitgehend vom Ergebnis der bevorstehenden Gegenoffensive Kiews und dem nächsten NATO-Gipfel ab.

9. Ohne einen Durchbruch wird die Wahrnehmungssteuerung von entscheidender Bedeutung sein

Wenn das von der NATO unterstützte Kiew oder Russland bis zum Jahresende keinen militärischen Durchbruch erzielt, scheint eine Art Waffenstillstand unvermeidlich zu sein, sodass die jeweiligen Bemühungen um die Wahrnehmungssteuerung von zentraler Bedeutung sind, da sie ihre Bevölkerung davon überzeugen müssen, dass sie trotz des Nichterreichens ihrer maximalen Ziele gewonnen haben.

10. Verschwörungstheorien florieren auf beiden Seiten

Ob es sich nun um die „5D-Schach“-Verschwörungstheorie handelt, die besagt, dass „alles nach Plan läuft“, oder um die „Weltuntergangsverschwörungstheorie“, die besagt, dass „alle Hoffnung aufgegeben werden muss“ – die Anhänger beider Seiten werden mit Sicherheit häufiger auf diese falschen Narrative stoßen, wenn der Stellvertreterkrieg zwischen der NATO und Russland in die nächste Phase eintritt.

Die zuvor dargelegten Beobachtungen zum Stand der Dinge in diesem Konflikt deuten darauf hin, dass er sich mit dem Beginn der von der NATO unterstützten Gegenoffensive Kiews bald verschärfen wird, dass aber auf beiden Seiten kein Durchbruch zu erwarten ist, es sei denn, die Befehlskette und/oder die Logistik brechen zusammen. Beides könnte aufgrund von Angriffen des Gegners und/oder internen Intrigen geschehen, aber beides sollte nicht als selbstverständlich angesehen werden. Unter diesen Umständen könnte ein Waffenstillstand entlang der Kontaktlinie bis zum Jahresende ernsthaft ins Gespräch kommen.

Aus dem Englischen.

Andrew Korybko ist ein in Moskau ansässiger amerikanischer Politologe, der sich auf die US-Strategie in Afrika und Eurasien spezialisiert hat sowie auf Chinas Belt & Road-Initiative, Russlands geopolitischem Balanceakt und hybrider Kriegsführung.

Mehr zum Thema – Russische Maßnahmen zur Verhinderung einer ukrainischen Offensive

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

Entdecke mehr von Sicht vom Hochblauen

Jetzt abonnieren, um weiterzulesen und auf das gesamte Archiv zuzugreifen.

Weiterlesen