Wieder Bücher lesen! Eine Erinnerung an Peter Scholl-Latour von Karl-Jürgen Müller, zeit-fragen.ch

 

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Wieder Bücher lesen!

Eine Erinnerung an Peter Scholl-Latour
von Karl-Jürgen Müller,
21.03.2023 – übernommen mit Dank von zeit-fragen.ch
Peter Scholl-Latour hat sehr früh vorausgesehen, was heute auf der Tagesordnung steht: den Übergang zu einer neuen Weltordnung. Im 2009 erschienenen Buch «Die Angst des weissen Mannes. Ein Abgesang» ist im Klappentext zu lesen: «Fünfhundert Jahre lang hat der ‹weisse Mann› die Welt beherrscht. […] Diese Epoche westlicher Vormacht gehört endgültig der Vergangenheit an.

Die Bilder sind grauenhaft. Derzeit sind sie von der fast völlig zerstörten Stadt Bachmut (so der ukrainische Name) beziehungsweise Artjomowsk (so der russische Name) zu sehen. Jeder Krieg ist grauenhaft, auch der in der Ukraine. Wir werden tagtäglich mit diesem Grauen konfrontiert. Aber absurderweise nicht, damit wir alles Menschenmögliche für ein Ende dieses Grauens tun. Sondern um uns kriegswillig zu machen. Denn die Schuldigen für das Grauen sollen schon vor einer gründlichen Untersuchung feststehen. Und sie sollen bekämpft und besiegt werden. Wir, die Guten, gegen die Bösen. Dann erst, so wird uns gesagt, sei das Grauen vorbei. Es gibt nur Schwarz oder Weiss. Und damit wir ja nicht zu viel nachdenken, folgt eine Propaganda-Welle der anderen, werden mit Texten und Bildern unser Verstand und unser Gefühl betäubt. Echtes Mitgefühl kann so nicht entstehen.

Ich stehe vor meinem Bücherregal und habe mich entschieden, heute nicht tagesaktuell sein zu wollen, sondern Bücher zu empfehlen. Nur von einem Autor: Peter Scholl-Latour.

Peter Scholl-Latour lebte vom 9. März 1924 bis zum 16. August 2014. Er war Journalist und Buchautor. Viele seiner Bücher hat er in eigenen Fernsehreportagen verarbeitet. Er hat mehr als 30 Bücher geschrieben, hat viel Anerkennung erfahren für seine Arbeit, aber auch starken Gegenwind   – bis hin zum Versuch, ihn ins politische Abseits zu stellen.

Ich empfehle es sehr, seine Bücher wieder hervorzuholen, sie erneut beziehungsweise ein erstes Mal zu lesen. Meine Behauptung: Das ist viel sinnvoller als der alltägliche Mainstream.

Ich werde nicht ausführlich auf die empfohlenen Bücher eingehen. Lesen muss man sie selbst. Aus einem hat Zeit-Fragen in seiner ersten Ausgabe nach dem 24. Februar 2022 ausführlich zitiert: «Der Fluch der bösen Tat. Das Scheitern des Westens im Orient». Es war Scholl-Latours vorletztes, posthum erschienenes Buch und stand vom 22. September bis zum 19. Oktober 2014 auf Platz 1 der Spiegel-Bestsellerliste. Heute wäre dies wohl nicht mehr möglich.

«Der Fluch der bösen Tat»

Der Titel «Der Fluch der bösen Tat» könnte auch die Überschrift für das Grauen des Krieges in der Ukraine sein. Es reicht hier, aus dem Text auf der Buchrückseite zu zitieren:
«Es gärt und brodelt überall: Syrien und der Irak versinken im grausamen Bürgerkrieg aller gegen alle, in der Türkei ringen islamistische und säkulare Kräfte um die Vormacht. Ägypten ist im Daueraufruhr, und auch am Nordrand dieser unruhigen Weltgegend, im Kaukasus und in der Ukraine, ist die Lage explosiv. Mit der ihm eigenen Scharfsicht beleuchtet Peter Scholl-Latour eine Region, über der nach jahrzehntelanger politischer und militärischer Intervention des Westens ein Fluch zu liegen scheint   – der Fluch der bösen Tat heilloser Einmischung.»

Schon 2006   – ein Jahr vor der Rede des russischen Präsidenten Wladimir Putin in München   – hatte Peter Scholl-Latour «Russland im Zangengriff. Putins Imperium zwischen Nato, China und Islam» veröffentlicht. Dort ist auf Seite 182 zu lesen: «Noch heute fragen sich die politischen Analysten in Moskau, aus welchem Grunde die USA die gewaltigen Zugeständnisse, die Gorbatschow der westlichen Allianz durch seine Zustimmung, ja, seine stillschweigende Förderung der deutschen Wiedervereinigung gewährte, in keiner Weise honoriert haben. Das Gegenteil war der Fall. Die Nato hatte sich auf die zerbrechende Sowjetunion wie auf ein waidwundes Tier gestürzt, als der letzte Generalsekretär der KPdSU seine Bereitschaft zur Kapitulation zu erkennen gab. Die sowjetische, dann die russische Führung wurde systematisch über den Tisch gezogen. Sämtliche Zusagen wurden widerrufen. Wie eine Art ‹Juggernaut›1 […] bewegte sich der erdrückende militärische Apparat der Nato gen Osten.» Weiterlesen bei zeit-fragen.ch

1 Kommentar zu Wieder Bücher lesen! Eine Erinnerung an Peter Scholl-Latour von Karl-Jürgen Müller, zeit-fragen.ch

  1. In diesem Sinne seien auch die Bücher von F.William Engdahl zur neuerlichen Lektüre empfohlen, insbesondere „Krieg in der Ukraine-Die Chronik einer geplanten Katastrophe“ (2014!),“China in Gefahr – Wie die angloamerikanische Elite die neue eurasische Großmacht ausschalten will“ (ebenfalls 2014) und „Apokalypse jetzt – Washingtons geheime Geopolitik“ (2007). Kurzes Zitat daraus: „… Allerdings sind derartige Ängste vor einem nuklearen Armageddon für die Falken, den Apparat des Militärisch-Industriellen Komplexes und die Neokonservativen im Umkreis der Regierung Bush-Cheney, nur Anzeichen für Feigheit und fehlendem Mut“. (S.73)

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